von | Nov 29, 2022

Die Selzstellung – Befestigungsgruppe Harxheim

Die inzwischen weithin in Vergessenheit geratene Selzstellung entstand im Zeitraum von 1907 bis in die ersten Jahre des ersten Weltkrieges und gilt als eine der größten Festungsanlagen des damaligen Deutschen Reiches. Sie bestand aus über 350 Festungsbauten, die sich in einem großen Bogen von Heidenfahrt über Nieder-Ingelheim, Wackernheim, Ober-Olm, Zornheim, Ebersheim, Harxheim, Gau-Bischofsheim, Bodenheim bis nach Laubenheim, vom Westen bis in den Süden um Mainz erstreckten. Mit der Selzstellung sollten Angriffe aus dem Westen auf die strategisch wichtige Position von Mainz und den Rheinübergang abgewehrt werden. Eine von insgesamt 13 Befestigungsgruppen der Selzstellung befand sich oberhalb von Harxheim. Der Festungsgürtel ist nie zum Einsatz gekommen und wurde aufgrund der Beschlüsse des Friedensvertrages von Versailles vom 28. Juni 1919 im Frühjahr 1921 gesprengt und eingeebnet.

Militärische Vorgeschichte der Selzstellung

Die Selzstellung entstand in den Jahren 1907 bis in die ersten Jahre des ersten Weltkrieges und gilt als einer der größten Festungsbauten des damaligen Deutschen Reiches. Der für die damalige Zeit höchst moderne militärische Festungsgürtel im Westen und Süden von Mainz sollte einen aus Westen – insbesondere von französischer Seite – kommenden Angriff auf Mainz und die Rheinlinie abwehren.

Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71, den Deutschland gewonnen hatte, herrschte tiefes Mißtrauen zwischen den Kriegsparteien. Dies führte in den Folgejahren zu einer massiven militärischen Aufrüstung. Im deutschen Reich wurden zur Sicherung der neuen Grenze in Elsaß-Lothringen neue Festungsanlagen gebaut. In Frankreich entstand als Gegengewicht hierzu der bekannte Festungsgürtel von Verdun mit seinen zahlreichen Forts.

Mainz war aufgrund seiner militärischen Bedeutung in der Vergangenheit bereits über drei Festungsringe und Wallanlagen abgesichert. Überdies verlor die Stadt aufgrund des nun deutlich nach Westen verschobenen Grenzverlaufs zunächst an strategischem Gewicht.

Selzstellung mit Bauwerken und Bahnlinien

Bild: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin

Die militärtechnische Entwicklung machte in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts große Fortschritte. Dies führte u.a. zur Entwicklung von sehr durchschlagskräftiger Artilleriemunition. Infolgedessen musste die Widerstandsfähigkeit der bestehenden Festungsarchitektur gestärkt werden. So kam mit Stahl armierter Beton als neuartiger Baustoff im Festungsbau zum Einsatz und löste die vormals verwendete Mauertechnik ab. Die aufwendige Modernisierung bestehender Verteidigungsanlagen kam etwa 1900 zum Abschluss.

Im Zuge neuer Kriegsplanungen auf deutscher Seite rückte Mainz zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder mehr in den Fokus der Militärstrategen. Der Festungsbau sollte hierdurch eine Renaisance erleben. Kaiser Wilhelm II. entschied am 23. Januar 1900 in einer allerhöchsten Kabinettsorder, bei den Gemeinden Harxheim und  Ebersheim eine Selzstellung nach modernen Grundsätzen zu erichten. Dies war der erste Schritt zum Bau der Selzstellung. Bis zur Umsetzung dieses Vorhabens vergingen allerdings noch acht Jahre. Eigentlicher Auslöser für den Baubeginn waren modifizierte Pläne des preußischen Generalstabs für einen erneuten Angriff gegen Frankreich auf Grundlage des Schlieffen-Plans. Mainz mußte mit seinem Rheinübergang und der Mainmündung für den Fall eines aus Westen gegen das Deutsche Reich geführten Gegenangriffs gesichert werden. Dies sollte nun durch den deutlich umfangreicheren Bau einer vorgeschobenen Stellung entlang des Randes vom Mainzer Plateau oberhalb des Selztals erreicht werden. Insgesamt wurden rund 350 Bauwerke erstellt. 1)

Belastungen der betroffenen Gemeinden durch Baumaßnahmen

1907 wurde mit der Umsetzung dieser wohl größten Baumaßnahme aller Zeiten in Rheinhessen begonnen. Nach Beginn des ersten Weltkrieges im August 1914 erhöhte sich der Druck zum Abschluss der Arbeiten. In dieser Zeit waren hier schätzungsweise bis zu 36.000 Soldaten und dienstverpflichtete Zivilisten zur Fertigstellung der Befestigungsgruppen sowie zum Ausbau der Militärstraßen und zum Gleisbau für die Festungsbahnlinien eingesetzt. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf die im Einzugsbereich der Selzstellung liegenden Gemeinden. Sie waren ab Kriegsbeginn verpflichtet, durch Bereitstellung von Quartieren, Stallungen und Verpflegungsleistungen die eingesetzten Soldaten und Arbeiter bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen. So ordnete der damalige Mainzer Oberbürgermeister Göttelmann zwei Tage nach der Mobilmachung vom 1. August 1914 die Einquartierung der Armierungstruppen und Festungskompagnien in Mainz und in Rheinhessen an, darunter auch in Harxheim. Für die betroffenen Gemeinden und ihre Einwohner ergaben sich hieraus erhebliche Belastungen und Einschränken, zumal sich die Versorgungslage mit Beginn des Ersten Weltkrieges aufgrund zunehmender Mangelwirtschaft verschlechterte. 2)

In der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim berichtete der damalige Harxheimer Pfarrer Johannes Würth bereits am 2. August 1914, also einen Tag nach der Mobilmachung, von der Ankunft der Festungskompagnie 55 im Ort. 3) In seinen Notizen vom 20. September 1914 benannte er weitere, in Harxheim einquartierte Militäreinheiten, namentlich das Rekrutendepot des Fuß-Artillerie-Regiments 18 (bis 23. Oktober 1914), die Telegraphen-Bau Kompagnie 6, die Festungskompagnie 118 sowie die Bespannungsabteilungen 4, 9 und 10 (bis 1. Dezember 1914). Darüberhinaus war bis zum 10. September 1914 die Ersatzreservekompagnie 90 einquartiert.

Desweiteren waren nach den Aufzeichnungen des Pfarrers Würth in diesen ersten Kriegsmonaten Soldaten der Festungskompanien 3 (Einquartierung am 18. Dezember 1914), 38 und 120 beim Ausbau der Selzstellung eingesetzt und in Harxheim einquartiert.

1914 – Einquartierung von Soldaten einer Festungskompanie im Anwesen Mainzer Straße 4 von Philipp Heinrich Ackermann in Harxheim

Bild: Privatbesitz Gunter Herbert, Harxheim

Zur zahlenmäßigen Einordnung sei erwähnt, dass bspw. eine Kompagnie aus einem Hauptmann, mehreren Unteroffizieren und bis zu 250 Mann bestehen konnte. Bespannungsabteilungen, die zur Bewegung von unbespannten Geschützbatterien eingesetzt wurden, konnten sich aus bis zu 120 Mann (Abteilungsführer, Offiziere, Unteroffiziere, Mannschaften) sowie bis zu 160 Reit- und  Zugpferden zusammensetzen. Die genauen Stärken der in Harxheim einquartierten Bespannungseinheiten sind aufgrund fehlender Aufzeichnung nicht mehr rekonstruierbar, dürften wegen vorgenommener Umgruppierung möglicherweise auch deutlich kleiner in Personen- und Pferdeanzahl ausgefallen sein. Man kann sich anhand dieser Zahlen in etwa ein Bild machen, was diese Einquartierungen von Soldaten, Pferden und Material für die Harxheimer Bevölkerung (damals ca. 520 Einwohner) an Belastungen mit sich brachten. 4) 5).

Ein Foto von 1914 zeigt beispielhaft Quartiersgäste aus einer dieser Einheiten im Anwesen des Harxheimers Philipp Heinrich Ackermann in der Mainzer Straße 4

Am 5. September 1914 berichtete Pfarrer Würth erneut über die starken Belastungen durch Einquartierungen:

„Bei (Weingut) Lotz liegen 43 Mann“. Luise und Georg Rösch aus der Mainzer Straße 1 schrieben auf einer Postkarte, datiert auf den 16. September 1914, an den Adressaten, dass sie auf ihren Hof „immer noch 20 Mann Einquartierung“ haben.

Der Militärpoststempel dieser Karte weist auf die sich zu diesem Zeitpunkt  bereits in Harxheim im Einsatz befindliche Festungskompagnie 55 hin.

1914 Feldpostkarte – Familie Rösch (Vorderseite)

Bild: Festungsarchiv „Militärstempel in Rheinhessen 1914 – 1918“, Jürgen Lemke, Mainz

1914 Feldpostkarte – Familie Rösch (Rückseite)

Bild: Festungsarchiv „Militärstempel in Rheinhessen 1914 – 1918“, Jürgen Lemke, Mainz

Parallel liefen die militärischen Ausbau-Aktivitäten in dieser Zeit auf allen Ebenen auf Hochtouren. Der Pfarrer schrieb hierzu in der Chronik der evangelischen Gemeinde:

„9. August 1914:
Arbeitssonntag, zirka 36.000 Mann liegen und arbeiten jetzt in den Dörfern des Festungsbereiches Mainz am Ausbau der Festungswerke. Die Unsrigen beginnen im Ober-Olmer Wald zu holzen, Pfähle und Reiserbündel (Faschinen für die Seitenwände der Schützengräben) zu machen, am Bahnhof ein Rangiergeleise und ein Ausladegeleise zu bauen. Zahllose Zement- und Kiesfuhren gehen durch den Ort auf die Höhen. In Mommenheim laden sie Berge von Bauholz zum Bau von Unterständen usw. aus, hier mehr Rheinkies, Wackersteine, Zement und Tonröhren. Die wenigsten Weinberge sind noch ganz unbeschädigt, viele z.T. durch die Feldbahnen und Erdarbeiten mitgenommen.“

„7. September 1914:
Mehrere Batterien schwerer Feldartillerie beziehen Stellungen an den Artillerieräumen an der Straße nach Ebersheim, sie bleiben bis zum 4. Januar 1915.“

„18. September 1914:
Unteroffizier Dr. Münz, im Civilberuf Handelslehrer, zimmert in seinen dienstfreien Stunden im Hofe des Pfarrhauses Krippen, damit die 5 „Invalidenpferde“ in unserer Scheune ihren Hafer nicht von der Erde aufzufressen brauchen. Für die von hier durch das Militär angekauften Pferde sind gute Preise bereits ausgezahlt worden. Manche Besitzer erhielten den früheren Einkaufspreis, obwohl sie die Pferde schon 5-6 Jahre gefahren haben; so bis zu 1250 Mk. per Stück.“

September 1914, , Ltd. d. Res. Spiegel, Chef der Bespannungsabt. 4, tränkt sein Pferd am Röhrbrunnen

Bild: Privatbesitz Günter Happel, Harxheim

1914 Pferdeankauf bei Familie Ritzinger, Untergasse

Bild: Privatbesitz Franz Götz, Harxheim

1914, Feldpostkarte mit Stempel der Festungskompagnie 55

Bild: Privatbesitz (Besitzer will nicht genannt werden)

„17. Oktober 1914:
In der Kammer über dem Backhaus von Bürgermeister Böhm lagern seit 14 Tagen 18.000 scharfe Infanteriepatronen. Auch die Geschützmunitionsräume der Festungswerke sind seit längerer Zeit gefüllt.“

„18. Dezember 1914:
Einquartierung der 3. Festungskompagnie mit 250 Mann.“

„10. März 1915:
Nachdem gestern abend noch eine Anzahl unserer hießigen Quartiergäste abgerückt sind, kamen heute unter Gesang wieder neue 100 Mann ungediente Landsturmmänner (Westphalen) zu Fuß von Mainz, welche mit den noch hier Verbliebenen vereinigt die neu gebildete 2. Armierungskompagnie der Festung Mainz bilden sollen.“

Am 26. Juli 1915 verließen die letzten in Harxheim einquartierten Soldaten den Ort zum Einsatz an der Ost- und Westfront.

Aufbau der Befestigungsgruppe Harxheim

Der Festungsgürtel der Selzstellung bestand aus 13 Befestigungsgruppen. Die Befestigungsgruppe Harxheim gehörte zum Unterabschnitt IIb der Selzstellung mit den weiteren Befestigungsgruppen Gau-Bischofsheim und Bodenheim.

Aufstellung der zur Befestigungsgruppe Harxheim gehörenden Bauwerke sowie der Sprengungsdokumentation

Bild: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin

Lageplan der zur Befestigungsgruppe Harxheim zählenden Infanteriestützpunkte ISP sowie die nördlich gelegenen Artillerie- und Munitionsräume

Bild: Ludwig Schirmer / Rudolf Büllesbach (Quelle: GeoBasis-DE/LVermGeoRP2012-09-24, DTK 25)

Das Harxheimer Verteidigungsensemble bestand aus fünf standardisierten Infanterieräumen (IR) für unterschiedliche Zugstärken – ein Zug bestand aus 80-90 Soldaten – mit den Bezeichnungen IR 36/37/38/39/40.  Während die vier erstgenannten Anlagen sich in der Harxheimer Gemarkung befanden, lag der Standort des IR 40 auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Gau-Bischofsheim östlich der Mahlsteig.

Bauzeichnung eines Infanterie-Raumes für einen 1 1/3 Zug der Befestigungsgruppe Harxheim

Bild: Bild- und Plansammlung des Stadtarchives Mainz

Bauzeichnung eines Infanterie-Raumes für einen 2/3 Zug der Befestigungsgruppe Harxheim

Bild: Bild- und Plansammlung des Stadtarchives Mainz

Diesen betonierten Schutzräumen waren zusätzlich jeweils bis zu vier befestigte Unterstände (MG-Räume, Beobachtungsräume) zugeordnet, die durch Laufgräben untereinander verbunden waren und zu den in vorderster Linie befindlichen Schützengräben führten. Sämtliche Befestigungseinrichtungen waren insbesondere in Richtung Westen/Südwesten mit bis zu 10 Meter breiten Drahtverhauen zusätzlich gesichert. Ein natürlicher Schutz für diesen Verteidigungsriegel war außerdem die strategisch günstige Positionierung der Bauwerke fast unmittelbar am Rande der steilen Lößabbruchkanten des Mainzer Plateaus. Diese Standorte gewährten dem Verteidiger im Falle eines Angriffs ideale Beobachtungs- und Abwehrpositionen.

Im rückwärtigen Raum des Harxheimer Abschnitts lagen in nördlicher Richtung entlang der (Militär-)Straße von Mainz nach Ebersheim drei Artillerieräume mit den Bezeichnungen AR 19/20/21, die den dort stationierten Artilleristen mit ihren Geschützen Schutz und Deckung boten.

Zwischen diesen Artillerieräumen befanden sich die durch besonders dicke und armierte Betondecken stark geschützte Munitionsräume MR13 und MR14. Dort lagerte der Munitionsvorrat für die bei den Artillerieräumen in offenen Bettungen befindlichen westwärts gerichteten 12 cm-Geschütze.

Alle Schutzräume waren durch Fernmeldeleitungen miteinander verbunden und an eine eigene Wasserversorgung angebunden. 6)

Lageplan der zur Befestigungsgruppe Harxheim zählenden Infanteriestützpunkte ISP sowie die rückwärtig gelegenen Artillerie- und Munitionsräume (AR,MR)

Bild: Rudolf Büllesbach (Quelle: Plan von Mainz des Entfestigungsamtes, 1920, Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin)

Das 1904/05 zur Wasserverorgung der Gemeinde Harxheim in Form eines kleinen „Schlösschen“ errichtete Wasserresevoir, das auf der Höhe links an der Rheinhessenstraße in Richtung Mainz lag, wurde im Rahmen der militärischen Baumaßnahmen ab dem 7. September 1914 größtenteils abgerissen. Der Neubau lag mehrere Meter tiefer und wurde mit einer dicken, beschusssicheren Stahlbetondecke überwölbt. Der für die Militärs markante und gut sichtbare Orientierungpunkt verschwand damit von der Oberfläche unter einen Erdhügel. Das veränderte Wasserhaus wurde mit einem schlichten Säulenportal aus Beton und einer Stahltüre versehen und am 17. Februar 1915 in seiner noch heute existierenden Form fertiggestellt. 3)

Geschichte der Selzstellung nach Beendigug der Bauarbeiten

Während der Bauphase waren in der Gemarkung Harxheim Schmalspurfeldbahnen zwischen den Baustellen auf der Höhe und den Materiallagerplätzen eingerichtet worden. Sie wurden nach Abschluss der Bautätigkeit ab dem 22. Februar 1915 wieder abgebaut. Das Gleismaterial wurde auf Lagerplätze in Ebersheim und im Kesseltal Richtung Hechtsheim verbracht. Ein vom Bahnhof Harxheim-Lörzweiler zur Niersteiner Höhe abzweigendes und für militärische Transportzwecke genutztes Normalspurgleis blieb zunächst bestehen. 3)

Etwa ein Jahr später, ab dem 27. Februar 1916, wurde auf Erlaß der Militärkommandatur mit dem Rückbau der erst zwei Jahre zuvor errichteten, nicht betonierten Unterstände und dem Zuschütten der Schützengräben begonnen. Das Holz der Unterstände und die Faschinen wurden zu Anfang April 1916 öffentlich durch die Ortsgemeinde versteigert. Am 27. November 1918, also zwei Wochen nach Ende des ersten Weltkrieges, wurden die Einrichtungsgegenstände der bis dahin intakten betonierten Unterstände sowie Werkzeuge und Stacheldraht an die Harxheimer Bevölkerung meistbietend versteigert. Die Bauwerke der Selzstellung hatten ausgedient. 3)

Rheinhessen und damit auch Harxheim blieb von den direkten Kampfhandlungen des ersten Weltkriegs verschont. Im Ergebnis ereilte die Selzstellung das gleiche Schicksal wie zahlreiche andere militärische Bauwerke in der Geschichte: der Bau war aufwendig und verschlang immens hohe Summen – der Nutzen war wegen des Kriegsverlaufs gleich Null. Der erste Weltkrieg endete mit der militärischen Niederlage Deutschlands, der deutsche Kaiser dankte ab. Rheinhessen kam unter die Besatzung der Französischen Armee. Gemäß dem Versailler Vertrag, in dem die militärische Niederlage und die Abrüstung Deutschlands von den Siegermächten festgeschrieben wurden, mussten alle militärischen Einrichtungen unter strenger französischer Aufsicht und exakter Dokumentation zurückgebaut bzw. zerstört werden. Zwischen dem 10. März und dem 16. April 1921 wurden nahezu ausnahmslos alle Festungswerke der Selzstellung gesprengt. 7)

1920, Infanterieraum I.R. 38 „Auf der Schnurr“ nach der Sprengung

Bild: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin

Ruine des Infanterieraum I.R. 38 „Auf der Schnurr“, 1944 (Markierung)

Bild: Historisches Luftbild Harxheim bei Mainz“ (16121336: Luftaufnahme der USAAF, aufgenommen aus einer Überflughöhe von ca. 7.500 – 8.000 Meter; Maßstab: ca. 1:10.000; 24.12.1944 (Foto: Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH)

Die Betonruinen, noch über viele Jahrzehnte markante Punkte im Landschaftsbild, wurden sukzessive zugeschüttet und überwucherten. Was die Jahrzehnte im Erdreich überdauerte, tauchte später als Stahlbetonfragment, z.B. im Rahmen von Flurbereinigungsmaßnahmen, an zahlreichen Stellen wieder auf. 

2021, Stützmauer, im oberen Teil der Mahlsteig, östliche Seite; gesetzt aus Betonfragmenten des gesprengten ISP 40

Bild: Siegfried Schäfer

Die wenigen heute noch sichtbaren Überreste des Festungsgürtels lassen kaum mehr die Dimension dieser riesigen Verteidigungslinie erahnen. Grau-schwarzes Schottermaterial für die Betonarbeiten und kleinere Betonfragmente sind, wie vielerorts entlang des Verlaufs der ehemaligen Selzstellung, auch in der Harxheimer Gemarkung noch nach mehr als 100 Jahren zu entdecken. Heute sind viele der ehemaligen Stellungsbereiche wertvolle Bestandteile geschützter Biotopflächen und ausgewiesener Landschaftsschutzgebiete.

Der Autor sowie der Harxheimer Heimat- und Verkehrsverein Harxheim danken Herrn Dr. Rudolf Büllesbach für die umfassende Unterstützung und die Überlassung von Dokumenten, Fotos und Zeichnungen im Rahmen der Erstellung der vorliegenden Dokumentation über die Befestigungsgruppe Harxheim als Teil der Selzstellung.

Quellenangaben:

  1. Büllesbach, Rudolf/Hollich, Hiltrud/Trautenhahn, Elke: Bollwerk Mainz – Die Selzstellung in Rheinhessen. München 2013, Kap.05, S. 32-38
  2. Büllesbach, Rudolf/Hollich, Hiltrud/Trautenhahn, Elke: Bollwerk Mainz – Die Selzstellung in Rheinhessen. München 2013, Kap.11, S. 116-121
  3. Würth, Johannes, Pfarrer: Aufzeichnungen in der Chronik der evangelischen Gemeinde Harxheim von 1909 – 1920 
  4. Büllesbach, Rudolf/Hollich, Hiltrud/Trautenhahn, Elke: Bollwerk Mainz – Die Selzstellung in Rheinhessen. München 2013, Kap.13, S. 117
  5. Hartwig Busche/Jürgen Kraus, Handbuch der Verbände und Truppen des deutschen Heeres 1914-1918, Teil X,   Fußartillerie Band 2, Wien 2020, S.81, S. 305-306
  6. Büllesbach, Rudolf/Hollich, Hiltrud/Trautenhahn, Elke: Bollwerk Mainz – Die Selzstellung in Rheinhessen. München 2013, Kap.13, S. 137-149
  7. Büllesbach,Rudolf/Hollich, Hiltrud/Trautenhahn, Elke: Bollwerk Mainz – Die Selzstellung in Rheinhessen. München 2013, Kap.17, S. 172-180

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