von | Mai 9, 2023

Streifzug durch die Harxheimer Geschichte

Die erste urkundliche Erwähnung der Gemeinde Harxheim findet sich in einer Schenkungsurkunde an das Kloster Lorsch aus dem Jahr 776. Die in einer weiteren Urkunde genannte Jahreszahl 767, die in der Vergangenheit immer wieder als Ersterwähnung angenommen wurde, bezieht sich mit ziemlicher Sicherheit auf das 40km südlich gelegene Harxheim/Pfrimm.

Funde wie ein eisernes Langschwert oder wenige Reste von Hüttenlehm belegen aber, dass auf der Gemarkung des heutigen Harxheims bereits in der Latènezeit/Jüngere Eisenzeit (450 v. Chr. bis 15 v. Chr.) zumindest kurze Zeit Menschen gesiedelt haben. Nach der Eroberung Galliens durch Caesar (58 v. Chr. bis 51. v. Chr.) gehörte das Gebiet von Harxheim zum Römischen Reich und zur später geschaffenen Provinz Germania superior mit der Hauptstadt Mogontiacum (das heutige Mainz). Da hier zwischenzeitlich vier Legionen mit Auxiliartruppen (nach Schätzungen ca. 50.000 Soldaten) stationiert waren, bestand ein großer Bedarf an Waren, die auch aus dem Umland angeliefert wurden. Auf dem Gebiet der Gemarkung Harxheim wurde eine römische Siedlungsstelle mit Funden aus dem 2./3. Jahrhundert nach Christus entdeckt.

Nach dem Abzug der römischen Legionen (Mitte des 4. Jahrhunderts) und dem Einfall germanischer Stämme besiedelten ab dem 6. Jahrhundert Franken das Gebiet. In den 1950ern wurde südlich des Ortes ein fränkischer Friedhof aus dieser Zeit entdeckt, sodass angenommen werden kann, dass hier bereits eine permanente Siedlung bestand. Durch die Urkunde aus dem Jahr 776 wird nun die Siedlung, die im damaligen Wormsgau lag, erstmals erwähnt und der Name Harasheim genannt. Der Namensteil heim weist dabei wie bei anderen auf diesen Wortteil endende Dörfer in Rheinhessen auf eine fränkische Gründung hin. Für den ersten Teil des Ortsnamens gilt mittlerweile die Herleitung „eine Kultstätte umgeben von einem heiligen Hain“ (Faiß) als sicher. Im Laufe der Zeit wurde aus Harasheim beispielsweise Hararesheim (797) oder Harewesheim (1135). Ab 1480 war die Ortsbezeichnung Harxheym gebräuchlich, wobei bis ins 19 Jahrhundert der Zusatz An der Steig verwendet wurde.

Nach 776 kam es zu weiteren Schenkungen von Grund und Besitz an das Kloster Lorsch sowie an das Kloster Fulda. Auch das Mainzer Domkapitel hatte wohl ab dem Beginn des 9. Jahrhunderts Grundbesitz in Harxheim. Im Jahr 1190 erhielt schließlich Werner II. von Bolanden Besitzungen in Harxheim als Lehen. Nach Teilung der Familie Bolanden in drei Linien 1222 wurde Harxheim dem Familienzweig der späteren Grafen von Falkenstein zugesprochen, in deren Besitz das Dorf bis 1667 war. 1458 erhielt Herzog Johann von Lothringen als Oberlehnsherr die Grafschaft von Kaiser Friedrich III.. Dies hatte zur Folge, dass Harxheim nach der Eheschließung Herzog Franz Stephans von Lothringen mit Maria Theresia von Österreich 1736 zu Österreich kam und eines der nördlichsten Dörfer dieses Herrschaftsgebietes wurde. Ein kurzes Intermezzo gab es zwischen 1682 und 1697, als die Grafschaft Falkenstein durch den französischen König Ludwig XIV. besetzt worden war, und er diese als französisches Lehen an die Grafen von Manderscheid und Löwenhaupt übertrug.

Da die Grafen von Falkenstein bereits in den 1540ern zum Protestantismus übertraten, wurde in der gesamten Grafschaft – so auch in Harxheim – der neuen Lehre eingeführt. Harxheim war damit eine Ausnahme in einer Region, in der es fast nur katholische Gemeinden gab. Da auch im Laufe der Zeit die Zahl der Katholiken in Harxheim zunahm, wurde in den 1690ern eine Einigung getroffen, nach der die Kirche auch von der katholischen Gemeinde genutzt werden durfte. Das Simultaneum in Harxheim – die gemeinsame Nutzung der Kirche – dauerte bis zur Fertigstellung einer eigenen katholischen Kirche im Jahr 1871 an.

Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648) war das Dorf zeitweise von schwedischen Truppen besetzt, weswegen die Bevölkerung floh. Bei ihrem Abzug zündeten die Soldaten die Kirche an, die trotz der Löschversuche von Ebersheimer Bürger abbrannte.

Auch die Zeit der Französischen Revolution und der Regentschaft Napoleons hatten Auswirkungen auf die Dorfgeschichte. So kam es sowohl 1792 als auch 1794 zur Besetzung des Ortes durch französische Truppen. 1794 verbrannten französische Soldaten die Inneneinrichtung der Kirche, wodurch das Gebäude erneut solchen Schaden nahm, dass es abgerissen werden musste und erst 1803 wieder aufgebaut werden konnte. Auch wenn die linksrheinischen Gebiete erst nach dem Frieden von Lunéville 1801 französisches Staatsgebiet wurden, bildete man bereits 1798 eine neue politische Ordnung, nach der Harxheim dem Kanton Nieder-Olm im Departément Donnersberg (Mont-Tonnerre) zugeordnet wurde. Um die Verwaltung der Gemeinden zu vereinfachen, richtete man zudem Bürgermeistereien von gleicher Größe ein. Für Harxheim bedeutete dies, dass es von 1804 bis 1837 eine Bürgermeisterei mit Gau-Bischofsheim bildete. Als weitere Neuerungen wurde der Code Civil eingeführt, welcher beispielsweise die Einführung der Gewerbefreiheit zur Folge hatte. Auch erhielten die Ortsvorsteher bereits 1798 die Aufgabe, die örtlichen Geburts-, Heirats- und Sterberegister zu führen, was zuvor durch den jeweiligen Pfarrer geleistet worden war.

Nach dem Ende der napoleonischen Regierung wurde im Rahmen des Wiener Kongresses dem Großherzogtum Hessen 1816 die neu geschaffene Provinz Rheinhessen als Entschädigung für Gebiete in Westfalen zugesprochen. Zu dieser Provinz gehörte bis zum Ende des 1. Weltkrieges – in dessen Verlauf 20 Harxheimer ihr Leben verloren –, bzw. der Absetzung des letzten hessischen Großherzogs 1918 auch Harxheim. In der Folge wurden die linksrheinischen Gebiete bis Juni 1930 von französischen Truppen besetzt und auch in Harxheim wurden französische Einheiten einquartiert. Bis 1945 blieb Harxheim ein Teil des Volksstaates Hessen.

Bei der Reichstagswahl vom 5. März 1933 wählte die Mehrheit der wahlberechtigten Harxheimer die NSDAP. Auch im Alltag der Harxheimer zeigte sich der politische Wandel recht früh, denn bereits im Frühjahr 1933 benannte man die Obergasse in „Horst-Wessel-Straße“ und die Untergasse in „Hermann-Göring-Straße“ um. Im November 1938 wurde die Synagoge in Ebersheim niedergebrannt. Dies bedeutete das Ende der israelitischen Gemeinde Ebersheim mit Harxheim, die bereits vor 1830 gebildet worden war. Der 2. Weltkrieg, der in Harxheim mit dem Einmarsch von US-amerikanischen Einheiten am 20.März 1945 endete, kostete das Leben von 47 Harxheimer Männern. Nach dem Krieg wurde der Ort erneut Teil der französischen Besatzungszone.

Seit ihrer Gründung 1973 gehört Harxheim zur Verbandsgemeinde Bodenheim im Landkreis Mainz- Bingen und hat heute knapp 2.400 Einwohner (Statistisches Landesamt).

Quellenangaben:

Brilmayer, Karl Johann. Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart: Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.

Dumont, Franz. Der Raum Nieder-Olm in der Franzosenzeit (1792-1814/16). o.A., S. 149 bis 187.

Faiß, Klaus. Harxheim: anno 767? Überlegungen zum Erstbelegjahr der rheinhessischen Gemeinde. Harxheim 2014.

Frey, Michael und Remling, Franz Xaver (Hrsg.). Urkundenbuch des Klosters Otterberg in der Rheinpfalz. Kirchheim 1845.

Harxheim. Festbuch 2017

Heintz, August. Einige Blätter aus der Geschichte der Grafschaft Falkenstein am Donnersberge. Speyer 1878.

Kemkes, Martin. Vom Rhein an den Limes und wieder zurück. In: Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau. Esslingen am Neckar 2005.

Lehmann, Johann Georg. Urkundliche Geschichte der Herren und Grafen von Falkenstein am Donnersberge in der Pfalz. o.O. 1871.

Mahlerwein, Gunter. Rheinhessen 1816-2016: Die Landschaft – Die Menschen. Mainz 2015.

Nachrichtliche Verzeichnis der Kulturdenkmäler Kreis Mainz-Bingen (24. Oktober 2022). https://www.edoweb-rlp.de/resource/edoweb:2767385/data.

Rettinger, Elmar. Der Kreis Mainz-Bingen in der Geschichte (5. März 2022). https://regionalgeschichte.net/fileadmin/Superportal/Bibliothek/RettMainzBingen2005.pdf.

Spang, Franz Josef: Harxheims Weg durch die Jahrhunderte. o.A.

Trapp, Berthold. Die israelitische Gemeinde Ebersheim mit Harxheim und ihre Synagoge (1830-1938): Aufstieg und Untergang einer rheinhessischen Landgemeinde. Norderstedt 2014.

Walter, Ralf. 150 (+ 2 Jahre) St. Laurentius, Harxheim (28. Oktober 2022). https://bistummainz.de/pfarrei/loerzweiler/ueber-uns/die-pfarrei/st.-laurentius-harxheim/.

Statistisches Landesamt „Harxheim“ (5. März 2022). (https://www.infothek.statistik.rlp.de/MeineHeimat/content.aspx?id=103&l=3&g=0733902026&tp=6.  

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