von | Mai 8, 2023

Johannes Würth – Pfarrer und Chronist

Johannes Würth war von 1909 bis 1920 evangelischer Pfarrer in Harxheim. In dieser Zeit hat er sich auch als fleißiger Gemeindechronist betätigt und die wichtigen Ereignisse im Ort in der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde aufgezeichnet.

Johannes Würth wurde 1865 in Wachenheim im Zellertal geboren und war von 1909 bis 1920 – also auch während des Ersten Weltkriegs von 1914 – 1918 – Pfarrer in der evangelischen Gemeinde in Harxheim. Zuvor hatte er von 1891 bis 1909 in der evangelischen Gemeinde in Appenheim gewirkt, zunächst bis 1894 als Pfarrverwalter und danach als Pfarrer. Nach Verlassen der Pfarrerstelle in Harxheim trat Johannes Würth in den Ruhestand und zog zurück in seine Heimatgemeinde Wachenheim. Dort starb er 1947.

Pfarrer Würth in jungen Jahren (das Bild dürfte während seiner Zeit in Appenheim entstanden sein)

Bild: Karin Schlaipfer, Appenheim

Johannes Würth war mit Emilie, geb. Heiss (1879 – 1957) verheiratet, die Ehe blieb kinderlos. Während seiner Zeit in Harxheim wohnte das Ehepaar im evangelischen Pfarrhaus. Dies war damals der noch heute bestehende Hof in der Bahnhofstraße 3. Schräg gegenüber in der Gaustraße 11 war der Wohnsitz des Bäckers und damaligen Bürgermeisters Johann Adam Böhm I. Die Bahnhofstraße war damals noch weitgehend unbebaut. Das heutige Straßenstück Im Wickgarten (Teilstück der Rheinhessenstraße zwischen Abbiegung Mainzer Straße und Abbiegung Bahnhofstraße) bestand noch nicht, der Verkehr lief von Mainz kommend durch die Mainzer Straße und die Gaustraße nach Süden wieder dorfauswärts.

Johannes Würth schrieb offensichtlich gerne und betätigte sich als Chronist. Anlässlich der Erweiterung der evangelischen Kirche in Appenheim gab er 1908 eine umfangreiche Schrift mit dem Titel Geschichte der Gemeinde und Pfarrei Appenheim Umgebung heraus. Seine Zeit im Ruhestand in seiner Heimatgemeinde Wachenheim nutzte er, um ein Buch mit dem Titel Heimatbuch für Wachenheim an der Pfrimm unter Berücksichtigung seiner Umgebung zu verfassen. Die Gemeinde Wachenheim ernannte ihn dafür 1931 zu ihrem Ehrenbürger.

Auch während seiner Zeit in Harxheim war Pfarrer Würth ein eifriger Chronist. Er verfasste jedoch kein Buch, sondern hielt die Geschehnisse in Harxheim in der Gemeindechronik der evangelischen Gemeinde fest. Diese Gemeindechronik ruht im Archiv der evangelischen Gemeinde. Alle evangelischen Pfarrer seit 1858 schrieben in diesem Buch die für die Kirchengemeinde bedeutsamen Geschehnisse während ihrer Amtsjahre nieder. Kein Pfarrer hat jedoch annähernd so viel geschrieben wir Pfarrer Würth. Seine Aufzeichnungen erstrecken sich über 128 Seiten und stellen tatsächlich mehr eine Ortschronik als eine Chronik der evangelischen Kirchengemeinde dar.

Von 1909 bis 1913 schreibt Pfarrer Würth insbesondere über das Wetter und das Gedeihen der Feldfrüchte. Er erwähnt auch die Neubauten, hält Ergebnisse von Wahlen und statistischen Erhebungen fest und berichtet über besondere Ereignisse. Hierzu zählen z. B. die Einweihung der neuen Schule in der Mainzer Straße 1909, die Feiern anlässlich der besonders guten Weinlese 1911 oder die Verlegung von elektrischem Licht 1912.

Nach Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914 nehmen die Aufzeichnungen deutlich zu und der Leser erfährt, wie sich der Krieg im Ort ausgewirkt hat. Zunächst stehen Kriegsvorbereitungen, insbesondere die Fertigstellung der nördlich von Harxheim verlaufenden Mainzer Verteidigungsanlage Selzstellung und die damit verbundenen Einquartierungen in Harxheim im Vordergrund. Bereits 1914 berichtet Pfarrer Würth von den ersten gefallenen Soldaten aus Harxheim. Auch in den folgenden Jahren kommen immer wieder Todesnachrichten von den Fronten. Im weiteren Kriegsverlauf treffen russische Kriegsgefangene in Harxheim ein und werden für mehrere Jahre als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft eingesetzt. Das Verhältnis zu ihnen scheint recht ambivalent gewesen zu sein. Später nehmen Berichte über den Mangel an Nahrungsmitteln und allen Dingen des täglichen Bedarfs zunehmend Raum ein. Schließlich ist Harxheim nach verlorenem Krieg von französischen Soldaten besetzt. Trotz der spürbar herrschenden Enttäuschung über den verlorenen Krieg vermittelt die Lektüre von Pfarrer Würths Chronik auch, wie mit der Besatzung französische Lebensart in Harxheim Einzug hält.

Johannes Würth in späteren Jahren

Bild: Johannes Würth (1930): Heimatbuch für Wachenheim an der Pfrimm unter Berücksichtigung seiner Umgebung. Mit neuem Vorwort verlegt von Arbeitsgruppe Wachenheim Heimatbuch. Wachenheim. 2013

Die Aufzeichnungen von Pfarrer Würth sind ein sehr authentisches und damit wertvolles Zeugnis über Harxheim zu damaliger Zeit. Der Heimat- und Verkehrsverein Harxheim e.V. dankt der evangelischen Gemeinde für die Möglichkeit, die Aufzeichnungen des Pfarrer Würth in Auszügen auf seiner Internet-Seite zu veröffentlichen. Leser, die sich für die ungekürzte Fassung der Aufzeichnungen interessieren, können sich an das Pfarrbüro der evangelischen Gemeinde in Harxheim wenden.

Quellenangaben:

Chronik der evangelischen Gemeinde Harxheim. Archiv der evangelischen Gemeinde Harxheim.

Würth, Johannes (1930): Heimatbuch für Wachenheim an der Pfrimm unter Berücksichtigung seiner Umgebung. Reprint durch Arbeitsgruppe Wachenheim Heimatbuch. Wachenheim. 2013.

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