von | Mai 8, 2023

Die Aufzeichnungen von Johannes Würth

Johannes Würth war von 1909 bis 1920 evangelischer Pfarrer in Harxheim. In dieser Zeit hat er sich auch als fleißiger Gemeindechronist betätigt und die wichtigen Ereignisse im Ort in der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde aufgezeichnet.

Aufzeichnungen des Pfarrers Würth (Auszüge)

Jahr Christi 1909

Neubesetzung der Pfarrstelle

Das abgelaufene Jahr 1909 ist für die evangelische Gemeinde Harxheim in mancherlei Hinsicht ein bemerkenswertes gewesen. Zunächst fand die provisorische Verwaltung des Pfarramts durch Herrn Pfarrer Weiß aus Selzen durch die definitive Besetzung derselben ein Ende. Die Stelle ist auf seine Bewerbung hin dem Schreiber dieses bereits am 9. Januar übertragen worden. Da aber die Witwe des verstorbenen Pfarrers Römheld noch bis Ende März im Pfarrhause wohnen durfte, hernach auch die meisten Räume desselben renoviert werden mußten, und ich selbst noch zur Wiederherstellung meiner Gesundheit bis Juni beurlaubt war, so fand meine Diensteinführung erst am 20. Juni durch Herrn Superintendenten Euler statt. Der Unterzeichnete hatte, ehe er hierherkam und in das mit Kranzgewinden und einem Willkommensgruß geschmückte Pfarrhaus einzog, böse Krankheitsjahre und bitterschwere Erlebnisse hinter sich. In Wachenheim (Rheinhessen) am 30. Jan. 1865 geboren, ward er am 28. März 1891 in der ev. Kirche zu Appenheim zum Pfarrverwalter ordiniert von Herrn Superintendenten Köhler und erhielt diese arbeitsreiche und anstrengende Stelle, zu welcher als Filialen damals noch bis zum Jahr 1907 Nieder-Hilbersheim, Gau-Algesheim und Laurenziberg gehörten, am 24. Juli 1894 definitiv. 18 Jahre hat er dort den Dienst versehen, die letzten durch monatelang dauernde Krankheiten oft behindert und am Ende in seiner durch dieselben bedingten Abwesenheit durch Herrn Vikar Schellmann vertreten. Während dieser letzten vier Jahre seiner Krankheit war er infolge der Ereignisse bei dem in der ganzen Provinz und darüber hinaus bekanntgewordenen Umbau der Kirche in Appenheim als Vorsitzender des Kirchenvorstandes nicht nur in Konflikt mit dem Kreisbauamt Bingen (Mainz) sondern auch mit dem zur letzten Entscheidung angerufenen hessischen Staatsministerium geraten. Wenn es ihm auch nach umfänglichen Schwierigkeiten gelang, den völligen Wiederabbruch des von der Behörde bis zur Höhe des Hahnes bereits ausgeführten mit schlechtem Material und construktiv fehlerhaft gebautem infolgedessen mit Senkungen, Rissen und Sprüngen versehenden neuen Turmes und den Wiederaufbau durch einen anderen von dem Kirchenvorstand gewählten Privatbaumeister durchzusetzen und sowohl Herrn Kreisbauinspektor Lucius zu Mainz, den Leiter des ersten Baues, als die Staatskasse und die Provinzialkasse sowie den Bauunternehmer zur Zahlung von jeweils 1000 Mark Entschädigungssumme an die Kirchengemeinde Appenheim zu bringen, so war er doch, als die neuen Glocken, die im November 1907 endlich von ihm ihre Weihe empfangen hatten, das Jahr 1908 und damit das 4. Baujahr einläuteten, völlig am Ende seiner Kraft. Nach langdauernden Kuraufenthalten in der Ferne fühlte ich mich dann doch wieder soweit gekräftigt, daß ich mich um die hiesige inzwischen frei gewordene Stelle bewerben konnte, welche ich dann durch das Wohlwollen hoher Kirchenbehörde auch mit der weiteren Zusage erhielt, daß die zeitweilig früher von dem hießigen Stelleninhaber mitversehene pfarramtliche Arbeit in der Diasporagemeinde Bodenheim wie in den letzten Jahren so auch in Zukunft dem Inhaber der Pfarrstelle Mommenheim auferlegt bleiben solle. So konnte ich denn am 20. Juni bei der Einführung über das Evangelium des Tages: Lucas cap 14,16-24 meine Antrittspredigt halten und bis heute ohne fremde Beihilfe meinen Dienst versehen.

1909
Schulhauseinweihung

Bereits am 23. August kam für die Gemeinde eine neue bedeutsame Stunde. Die Einweihung des von der Gemeinde mit einem Kostenaufwand von 2400 Mark neuerbauten Schulhauses am Ortsende an der Straße, die nach Hechtsheim führt. Da der Schreiber dieses dabei die Festrede übernommen hatte, sind die Gründe leicht zu erraten, weshalb der ausführende Architekt, Herr Kreisbauinspektor Lucius aus Mainz, der nebenan bereits genannt war, zu dieser Feier nicht erschien, und infolgedessen die Kreisbehörde, wie man unserem Bürgermeister in Mainz bei einer diesbezüglichen Unterredung bedeutete, von der Feier überhaupt keine Notiz nahm.* Infolgedessen fiel zu allgemeiner Befriedigung das üblige Festmahl auf Kosten der Gemeindekasse diesmal weg, und die Feier selbst verlief im engeren Kreise des Gemeinderates, des Schulvorstandes, der Lehrer und der festlich gestimmten Schuljugend, die mit „Bubenschenkeln“ beschenkt und sonntäglich gekleidet zusammen mit vielen Festteilnehmern nach Choralgesang und Festrede in das geschmückte Haus einzog, nicht minder würdig und eindrucksvoll. Mögen sich in diesen ohne jeden Unfall in einem Zeitraum von zwei Jahren fertiggestellten Unterrichtsräumen viele Geschlechter die für das Leben nötige irdische und himmlische Weisheit holen und das wahrhaft gute Einvernehmen zwischen den hießigen bürgerlichen und kirchlichen Gemeindeorganen, Lehrern und Geistlichen, wie es bis jetzt hier besteht, für alle Zeit gewahrt bleiben. Noch im Herbst wurden die beiden alten Schulsäle in den alten Schulhäusern zu Wohnräumen umgeändert und so den beiden fleißigen Lehrern mehr Platz geschaffen.

* Der Pfarrer hatte sich mit dem Kreisbaudirektor während seiner vorhergehenden Zeit in Appenheim im Rahmen der Renovierung der dortigen Kirche überworfen.

1909
Elektrisches Licht projektiert

Am 23. Sept. wurde hier für die Besitzer der in der hießigen Gemarkung liegenden Felder, die von der in Ausführung begriffenen zu den neu entstehenden großen Befestigungsanlagen auf der Ebersheimer Höhe führenden Militär-Eisenbahn durchschnitten werden, auf dem Rathause Termin abgehalten.

Zu der Vereinigung rheinhessischer Gemeinden für Beschaffung elektrischen Lichtes durch Anlage einer Zentrale hat auch die hießige Gemeinde ihren Beitritt erklärt, sodaß auch dem seither fühlbaren Mangel einer öffentlichen Straßenbeleuchtung bald abgeholfen sein wird.

1909
Spar- und Darlehenskasse

Nachdem die für die beiden Gemeinden bestehende Spar- und Darlehenskasse, die ihren Sitz in Mommenheim hat, aus ihrem Reingewinn im Jahre 1908 die hiesige große Gemeindewaage bezahlt hat, überwies sie im jetzt abgelaufenen Jahre der Civilgemeindekasse die schöne Summe von 450 Mark.

1909
Witterungs- und Erntecharakter des Jahres

Über den landwirtschaftlichen Ertrag des Jahres ist zu bemerken, daß bei außergewöhnlich trockenem und kaltem Frühjahr doch die Früchte sehr gut im Korn und reichliches Maß aber sehr wenig Stroh lieferten, daß die Kartoffel sehr gut aber der Weinherbst sowohl nach Qualität als hier in der Gemarkung leider auch nach Quantität sehr schlecht ausfiel, aber zu guten Preisen rasch Käufer fand.

 

Johannes Würth, Pfarrer

 

Jahr Christi 1910

Wetter und Ernte des Jahres 1910

Die Witterung des Jahres 1910 war vorwiegend ungünstig für den Weinstock; anfangs ein milder Winter-Ausgang und ein sehr schönes Frühjahr, große Trockenheit bis Mitte Juni, von da ab bis in den Herbst durchweg kühles nasses Wetter. Infolgedessen naßgeerntete Frucht, faule Kartoffeln und sehr launische Weinernte, andernorts fast gar kein Ertrag des Weinstockes. Da aber der Preis für die „Eiche“ Most bis auf 36 Mark stieg, war der Ertrag der hießigen Besitzer nicht gerade schlecht. Das Spätjahr brachte nach 5°   Frost am 25. Nov. eine etwa ½ Fuß hohe Schneedecke, die aber bald wieder wegging. Vom 10. bis 15. Dez. war das Wetter so warm und still sonnig, daß die Bienen und die Mücken spielten.

1910
Kaiser Wilhelm II. in Harxheim

Am 11. April fuhr in Begleitung von 8 Automobilen s. Majestät, Kaiser Wilhelm II., von der Besichtigung der in Umkreise unserer Höhen in Entstehung begriffenen Befestigungsanlagen* hier durch Harxheim am Pfarrhause vorbei.

* Red. Anm.: Gemeint ist die Selzstellung, ein im Südwesten von Mainz von 1907 bis 1915 erbauter Gürtel von Befestigungsanlagen zur Verteidigung von Mainz bei einem befürchteten Angriff von Westen. Nach verlorenem 1. Weltkrieg wurden die Anlagen geschleift.

1910
Namensänderung der Eisenbahnstation “Harxheim”

Am 1. Mai wurde der seitherige Namen unserer Station „Harxheim“ um eine Verwechslung mit der gleichnamigen Station bei Worms-Monsheim zu vermeiden, in „Harxheim-Lörzweiler“ umgeändert, während die andere „Harxheim-Zell“ heißt.

1910
Gemeinderatswahlen

Am 12. Okt. wurden in den hießigen Gemeinderat Jakob Happel und Peter Deiß wiedergewählt. Anstelle des im Vorjahr zum Bürgermeister ernannten Johann Adam Böhm und des eine Wiederwahl ablehnenden Joh. Philipp Ackermann und des wegen Alters zurückgetretenen (kath.) Philipp Deiß wurden die Herrn Gg. Happel IV, Kirchenrechner Jakob Böll und Jakob Heerdt (kath.) neu gewählt. Die Wahl verlief sehr still, und es haben von 126 Stimmberechtigten nur 48 abgestimmt.

1910
Tätigkeit des evang. Frauenvereins
(1 ½ Ctnerschwer aus dem Jahre 1874 mit dem Ton „f“)

Der evangelische Frauenverein Harxheim, der schon seit etwa 14 Jahren für eine dritte Glocke seine Beiträge sammelt, hatte bereits den Pfarrer Römheld im Jahre 1906 um die zur Erreichung dieses Ziels nötigen Vorarbeiten gebeten. Während der Vakanz der Pfarrstelle gingen die Sammlungen ruhig weiter und in einer auf Bitten mehrerer älteren Vereinsmitglieder am 20. Febr. 1910 berufenen Versammlung erhielt der Schreiber dieses den gleichen Auftrag. Er berief, um die nötigen Unterlagen zu weiteren Beschlussfassungen für den Verein zu gewinnen, am 13. Nov. 1910 eine neue Versammlung in die Kirche und legte derselben die kurz vorher ohne Verbindlichkeit von Glockengießer F. W. Rincker aus Sinn auf Grund einer gelegenheitlichen Einsichtnahme der Kirche vom 26. Okt. gemachten Vorschläge vor.

1910
Stiftungen und Geschenke zur Verbesserung des evang. Kirchengeläuts

Der zweitbeste derselben, der darauf hinaus ging, die kleine seitherige Glocke zu entfernen und zu der größeren aus dem Jahre 1885 stammenden noch zwei weitere Glocken neu anzuschaffen, sodaß künftig das Geläute ein dreistimmiges auf die Töne cis (alt) – ais – fis lautende sein würde, gefiel der Versammlung am besten und man beschloß einstimmig, die an der Kostensumme noch fehlenden, insbesondere für Armatur und Gestaltung eines eisernen Glockenstuhles, notwendigen Geldmittel durch eine Haussammlung in der Gemeinde zu beschaffen. Der Verein ließ also durch 8 seiner Mitglieder diese Sammlung veranstalten, welche 573 Mark einbrachte. Hinzu kommen noch von auswärtigen Freunden gegebene 581 Mark, ferner 100 Mark als Geschenk der Stadt Mainz und 200 Mark von den Erben des zweiten Amtsvorgängers Herr Pfarrer i.P. Hermann Weigold, der, in Wiesbaden verstorben, am 3ten Juli durch mich neben dem letzten Amtsvorgänger, Pfarrer Römheld, hier beerdigt wurde. Durch diese, allerdings an die Pflicht 25 Jahre lang das Grab in Stand zu halten gebunden; Zuwendung stehen zur Verbesserung des Geläutes, die bereits bei Erbauung der Kirche 1873 von dem damal. Pfarrer Degen und dem Kirchenvorstand vergeblich erstrebt worden war, insgesamt nahe um 3000 Mark zur Verfügung. Auf die Bekanntgabe dieses Resultates in einer weiteren am 4. Dez. einberufenen Versammlung des Vereins beschloß derselbe drum auch einmütig an den Kirchenvorstand das Ersuchungen zu richten zu der vorhandenen größeren cis-Glocke die ca. 3 ¾ Ctr. wiegt zwei weitere mit den Tönen ais=6 ¼ Ctr. und fis=12 ½ Ctr. zu bestellen, den Termin für deren Eintreffen auf etwa Anfang Mai nächsten Jahres zu bestimmen und die von dem Verein beschlossenen Inschriften auf den Glocken anbringen zu lassen.

1910
Glockenvertragsabschluss

Der Kirchenvorstand kam diesem Ersuchen dann auch genau nach und beschloss in der am 21. Dez. im Pfarrhause abgehaltenen Sitzung mit allen Stimmen den Abschluß eines diesbezüglichen Vertrags mit der Firma Fr. W. Rincker aus Sinn, der zugleich bestimmt, daß die Glocken am 10ten Mai n. J. zur Erinnerung an den vor 40 Jahren erfolgten Frieden zu Frankfurt zum erstenmal zusammenläuten sollen. Soli deo gloria!

Bei der am 1. Dez. stattgehabten Volkszählung ergab sich eine ortsanwesende Bevölkerung in Harxheim von 522 Seelen, gegen 458 im Jahre 1905, also eine Zunahme von 64 Personen. Darunter sind 374 Evangelische, 126 Katholiken, 22 Israeliten.

Mit stillem Frieden auf allen Straßen nahm das alte Jahr seinen Abschied.

Johannes Würth, Pfarrer

Jahr Christi 1911

Witterung
Große Hitze

Das mit einem gelinden Frostwetter beginnende Jahr 1911 blieb trocken und klar mit ein wenig Schnee bei bis höchstens 8 Grad Kälte bis 18. Januar, von da ab ward es naß und wärmer. Erst Mitte April, als bereits die Vegetation sehr weit fortgeschritten, brachten mehrere Tage bis zu 5 Grad Kälte unter der aber merkwürdigerweise das Frühobst, ausgenommen die Mandeln, weniger litt, als man befürchtete, selbst die so früh blühenden türkischen Kirschen brachten noch einen besseren Ertrag als in den verflossenen Jahren. Juni brachte schlechtes Wetter, sein Ende besonders, sodaß die Traubenblüte unter normal verlief und am 2. Juli ging die Temperatur bis zum Gefrierpunkt herab. Am nächsten Morgen begann es schön warm zu werden, die Wärme hielt an, steigerte sich zu einer der größten Hitzeperioden seit Menschengedenken, vom 23-28 Juli stieg das Termometer täglich bis auf 35-37° Celsius im Schatten. Die Rheinwasserwärme betrug wochenlang 18-21 Grad, da viele Tage die niedrigste Nachttemperatur über 20 Grad Celsius blieb. Die Hitze währte bei größter Trockenheit den ganzen August hindurch, ja noch am 5. Sept. war es nachmittags 32 Grad warm. Und wenn auch von da ab durch öftere Regenfälle die Hitze gebrochen war, so brachte doch der Oktober zum Schlusse der Weinlese noch so schöne warme Tage, daß die Bienen um die Mostbütten im Berge summten und am 20.sten noch der Boden trocken und der Sommerstaub wieder auf den Straßen flog.

1911
Ernte und Herbst

Die große Hitze des Jahres hat in hießiger Feldmark i. Allgemeinen der Fruchtbarkeit wenig geschadet.. Am dankbarsten lohnte aber, das in unserer Gegend das Lob der Jahre in erster Linie bestimmende Gewächs die heiße Arbeit: der Weinstock. Noch im Frühjahr von Frost und besonders Mottenfraß (Sauerwurm und Grauwurm) bedroht, weshalb ohne sichtlichen Erfolg viele Tausende von Fanggläsern und –Töpfchen in den Weinbergen aufgehängt worden waren, und zu Beginn der Blüte fast schon wieder verloren gegeben, beendete er nach dem Einsetzen der dauernd heißen Witterung rasch das Blühen, entwickelte – wobei alle Schädlinge verschwanden – ein erstaunliches Wachstum in Laub und Früchten, das anfangs September nicht nur die Portugiesertrauben reif, sondern auch alle anderen Sorten reif waren. Leider machten die Ende September eintretenden wenigen feuchten Tage ein verfrühtes Einherbsten notwendig, sonst wäre die Qualität noch eine bedeutend bessere geworden.

1911
Guter Wein

Bereits am 6. Okt. begann der allgemeine Traubenherbst mit durchgängig immer gut mittelstarker Behrung und einem Mostgewicht von 90 Grad Oechsle und mehr, das aber bei der folgenden schönen Witterung und dem erstaunlich üppigen und bis Ende Oktober vollkommen noch am Stock befindlichen Laube in zahlreichen Fällen bis auf 112° hinauf ging und so einen Wein erzeugte, wie er wohl seit Jahrzehnten nicht mehr gewachsen ist.

Da auch der Preis ein guter war, die Eiche (= 64 Liter Trauben) kostete 30-35 Mark, was im Verhältnis zum Preise des vorigen Jahrgangs freilich wenig ist, herrschte eine freudige und zufriedene Stimmung im ganzen Orte. Vielfach wurde der Leseabschluß durch Umzüge gefeiert, allerlei kostümierte Vorreiter auf bekränztem Pferde, weißgekleidete Mädchen mit Trauben in den Haaren auf dem mit Fähnchen verzierten „Ladfaß“, und fröhliche Leserscharen mit „Bütten“ auf dem Rücken und Ziehharmonikas in den Händen, singend hintendran, gab es da zu sehen. Den schönsten Umzug veranstaltete die Stadt Mainz für ihre Arbeiter. Da sie in den früheren Schick’chen Weinbergen eine gute Ernte hatte, ließ sie für alle ihre Leute die Kostüme aus Mainz kommen. Herolde und Wappenträger, Trommler und Pfeifer, Geiger und Trompeter, Winzerinnen unter hohen Traubenbögen, Arbeiter u. Schützen, Mädchen mit Kredenzschalen, geschmückte Pferde mit sämtlichen Herbstgeräten und zum Schluß hoch zu Wagen auf seinem Tron Gott Bacchus, den goldenen Pokal schwingend, bestrahlt von der Sonne des Jahres 1911. Den farbenprächtigen Zug, welchen sich die Ratsfamilien der Stadt Mainz und Oberbürgermeister Göttelmann ansahen, schloß ein Freiessen von 50 Gedecken u. ein Tanz bei Gastwirt Wenderoth.

1911
Glockenweihe

An sonstigen Erlebnissen des Jahres 1911 mögen auch folgende ihren Vermerk finden:
Die Einholung unserer neuen Kirchenglocken am 7. Mai und deren erstes Probeläuten am 10ten brachte der Gemeinde einen überaus gelungenen festlichen Tag.

Schon ein ¼ Jahr lang übte ein provisorisch hierzu zusammen getretener Gesangschor mit Herrn Lehrer Köhler 60 Mitglieder stark mehrere passende Lieder ein und brachte sie bei der Nachfeier in tadelloser Weise zu Gehör. Pünktlich trafen die Glocken am Bahnhof ein, in entgegenkommender Weise half Jung und Alt bei den Vorbereitungen, den den Aufzug der Glocken bewerkstelligenden jungen Männern ebenso wie den Zuschauern boten verschiedene Besitzer mit Kannen und Stützen in der einen und dem Kelchglas in der anderen Hand umhergehend einen vorzüglichen Wein ihrer Keller, und Punkt 8 Uhr vormittags am 10ten Mai begann auf ein Zeichen des anwesenden Gießermeisters, dessen reelle Geschäftsführung sich wieder bei Lieferung und Abrechnung glänzend bewährte, das eine volle Stunde währende die Zuhörer im höchste Grade befriedigende Zusammenläuten der beiden großen neuen mit der kleinen alten aber umgehängten und neu montierten Glocke.
Einladung zur Glockenweihe am 7.5.1911

Zur Anschaffung von Fähnchen für die gesamte Schuljugend sowie zur Deckung der Festunkosten, wozu die photographische Aufnahme der Glockenwagengruppe, deren Lichtdruck-Vervielfältigungen und Abgaben an jedes Haus im Orte, die Herstellung von farbenprächtigen sinnig mit Bildern geschmückten, eine von dem Unterzeichneten gelieferte kurze Geschichte der Kirche und die Beschreibung der neuen Glocken sowie den Text der gemeinsamen Festgesänge der Nachfeier enthaltenden Programme, u. die Musik gehören, waren mehr als 150 Mark von allen Gemeindegliedern dem Frauenverein zur Verfügung gestellt worden, sodaß alle Anschaffungen, auch von Fahnentuch und Seidenbändern, Noten und Feuerwerk, Glöckchen und Girlanden davon bestritten werden konnten, ohne daß der Frauenverein, wie sich bei der Abrechnung ergab, etwas, wie er vorher beschlossen hatte, hätte hinzulegen müssen.

Das herrliche Wetter hatte am Festtage eine große Menge von Fremden in unseren sonst so stillen Ort gebracht, sodaß der Zuckerwaren-Budenbesitzer Wenk vollständig ausverkaufte und am Abend aus Freude über sein gutes Geschäft an diesem Kirchenfest 2 Mark für die Festunkosten dem Frauenverein besonders spendierte.

1911
Entfernung des Bachgrabens und seiner die Mainzer Landstraße überwölbende steinernen Brücke mitten im Orte.

Zusammenhängend mit diesem Festbericht sei noch erwähnt, daß am Vorabend der Glockenweihe fast die ganze männliche Bevölkerung des Ortes mit Harke, Schippe und Spaten daran arbeitete, den aus dem Bachgraben, der von der Gemeindeanger ab die Bahnhofstraße entlang führte, ausgeworfenen die Straße sehr verunzierenden und den Verkehr hindernden Erdwall zu entfernen und den Graben, in welchen die etwa ¾ Meter Durchmesser besitzenden Betonrohre bereits verlegt waren, wieder zuzuwerfen. Längst vorher schon sollte nach dem Versprechen der Beamten des Kreisbauamts diese Arbeit vollendet sein, aber wie so oft war auch diese öffentliche Arbeit endlos verschleppt worden, bis endlich unseren Leuten die Geduld riß, und sie dieses den Festzug durch die Straßen und die Feier an der Friedenslinde unmöglich machende Hindernis noch in letzter Stunde ohne Vorwissen der Behörde eigenmächtig beseitigten.

Lageplan über die Feststellung der Baufluchtlinien in der Bahnhofstraße zu Harxheim, 1896; Katasteramt Alzey
Bildquelle: Irmgard Kaiser-Vreke

Red. Anm.: Auf der hier eingefügten Karte von 1896 sind der noch offene Graben (hellblau) sowie die Brücke in der Gaustraße und der Steg zum Anwesen Lotz zu erkennen. Die Ausführungen des Pfarrer Würth beziehen sich auf die Verrohrung dieses Grabens und die Beseitigung der Übergänge.

Als die bezahlten Arbeiter am Abend davon gingen, griffen unsere Leute ein, und unter eifrigem Debattieren der einen, anfeuerndem Wein-Einschenken und Zutrinken der anderen war bis Mitternacht dieses prächtigen Mai-Abends die Arbeit getan.

1911
Neubauten

Eine rege Bautätigkeit herrschte das Jahr hindurch. So baute Kirchenrechner Böll und Peter Heidenreich in der Bahnhofstraße je eine Scheune, Gärtner H. Lenz am Bahnhof ein Wohnhaus mit großem Gewächshaus und Georg Happel IV an Stelle des alten Hauses ein stattliches Wohnhaus mit Nebenbau im Orte.

1911
Leichenfund

Am 8. Sept. fand man an einem Strohhaufen nahe bei der Straße nach dem Bahnhof die Leiche eines Bettlers, der an Alkoholvergiftung – wie die kreisärztliche Untersuchung feststellte – gestorben, die große Branntweinflasche noch im Arm hielt, die er sich von Tags vorher erbetteltem Gelde gekauft und aus der er sich den Tod angetrunken hatte. Da weder Namen noch Herkunft des Bedauernswerten festzustellen waren wurde die Leiche nach Gießen in die Anatomie gebracht.

1911
Landtagswahl

Bei der am 17. Nov. stattgebenden ersten direkten Wahl zum hessischen Landtag erhielt hier der Kandidat des Bauernbundes: Wolf 65, der Nationalliberalen: Schätzel 51, der Sozialdemokrat Schildbach 3 Stimmen,
Bei der Stichwahl nachher erhielt der Sieger im Kreise, hier Wolf 81, Schätzel 69 Stimmen.

1911
Luftschiffe hier

Am 11. August flogen zum erstenmal 2 Motorluftschiffe: der „Parseval“ aus Metz kommend später „Schwaben“, ein Zeppelinschiff aus Baden-Baden kommend über unsere Gemarkung zur Kaiser-Parade auf dem „großen Sande“ bei Mainz.

1911
Geschäftliche Notiz zum Jahre 1906

Herr Weingutbesitzer Joseph Schick von hier wollte im Jahre 1906 der hießigen Gemeinde seine beiden Häuser und Güter hier und in Nackenheim testamentarisch unter der Bedingung vermachen, daß ihm bis zu seinem Tode eine Jahresrente von 7000 Mark ausgezahlt würde. Da aber auf dem auf etwa 70.000 Mark taxierten Besitze noch 45.700 Mark Hypothekenschulden ruhten, ging der Gemeinderat auf das Ansinnen nicht ein, worauf Herr Schick durch Testament vom 23. Juli 1906 die Stadt Mainz damit bedachte und zum Vorteil für diese bereits am 20. August desselben Jahres in Nackenheim verstarb. Die Stadt Mainz trat das Erbe an, führte eine große Anzahl Gemälde, Altertümer, Kunstgegenstände und Kuriositäten dem städtischen Museum zu, läßt bis heute die 23 Morgen Weinberge in hießiger Gemarkung in eigener Regie bewirtschaften und hat z.B. in diesem Herbste über 14 Stück Wein hier geerntet und in ihrem hießigem Gutshause eingelagert.

1911
Erdbeben

Nach sommerlich schönen Tagen fand in ganz Süddeutschland am Abend des 16. Nov. um 10 1/4 Uhr ein hier sehr stark verspürbares Erdbeben statt. Hängelampen gerieten durch mehrere starke Stöße, während eines Zeitraums von 7 Sekunden aufeinanderfolgend, ins Schwanken, Bilder und Spiegel klapperten an den Wänden, Schränke knarrten.

Nach außerordentlich schönen und milden Weihnachtsfeiertagen nahm mit einem sommerlichen Sylvestertag das alte Jahr seinen Abschied. Auf den Straßen war infolge dessen in der Neujahrsnacht viel Leben.

 

Würth, Pfarrer

Jahr Christi 1912

Witterung, Hagelschlag, Ernte und Herbst

Erst gegen Ausgang des milden Winters traten einzelne Frostperioden ein; so vom 12-22 Januar mit wenig Schnee und von Mitte März bis Mitte April mit einer Kälte von 3-6 Grad C. Letztere, am 10ten April, zerstörte viele Blütenansätze an den Obstbäumen, sodaß es hier von allen Sorten nicht viel und Frühobst fast gar nichts gab. Was an den Bäumen noch hing wurde dann später, ebenso wie in den davon betroffenen Fluren des Striches Zornheim-Lörzweiler die Feldfrüchte und Weintrauben, durch einen Hagelschlag sehr geschädigt. Im Pfarrhofe noch lag das Eis eine Hand hoch nachher und einzelne Besitzer erhielten für die am meisten betroffenen Felder bis 75% Schadenversicherung. Dabei schlug während dieses am 23. Juni niedergehenden Wetters der Blitz 2 mal im Orte ein, ein kalter Schlag in die Wirtsstube bei Gastwirt Wenderod und ein zündender Schlag in die leere Scheune von Lambinet, der aber auch kein größeres Schadenfeuer verursachte. Kurz vor der  Ernte setzte wieder wie im Vorjahr große Hitze ein, sodaß der Weinstock sich begünstigt durch das Vorjahr außerordentlich günstig entwickelte und bei reichlicher Behrung noch einen besseren Herbst versprach als 1911. Leider hielt dieses Wetter nur 3 Wochen an und schlug im August zum unaufhörlichen Regen um, sodaß die Früchte halbfeucht in die Scheunen kamen und der Weinstock zu verderben drohte. Dabei wurde es so kühl, daß man schon im August die Öfen auch in der Schule heizte, im September die erste Nachtreife die Bohnen schwärzten und am 3. Oktober ein starker Frost von 3 Grad C. Rüben, flachliegende Kartoffel u.a.m. fast vernichtete. Infolgedessen suchte man dieselben Hals über Kopf unter Dach und Fach zu bringen und begann den Weinherbst erst am 21. Oktober, da an den welken Trauben nicht mehr viel verderben konnte. Nichtsdestoweniger fiel die Weinernte doch bedeutend besser aus als 1910 und 9 und Kartoffel gab es außergewöhnlich viel, sodaß das Malter kaum 4 Mark kostete.

Am 17. April konnte man bei klarsten Himmel eine selten schöne totale Sonnenfinsternis beobachten, es ward dabei völlige Dämmerung in den Häusern.

1912
Elektrische Ortsanlage

Auch begann man im Februar mit der Aufstellung der Masten für die elektrische Ortsbeleuchtung, an die sich fast alle Häuser anschlossen, und die am 15. Oktober zum ersten Mal die Straßen erleuchtete. Die Einführung in das Pfarrhaus wurde auf Wunsch des Schreibers dieser Analen auf eine spätere Zeit verschoben, wo dann das von der Gemeinde auf ihre Kosten angeschlossene evangelische Schulhaus (derzeit nur Lehrerwohnung) für die Anlage im Pfarrhaus zum Muster dienen kann. Entgegen dem Wunsch des Schreibers ließ sich jedoch der Kirchenvorstand herbei, für die Aufstellung des Hauptmastes an der Ecke des Pfarrgartens und auf der Dachschrägung der Waschküche seine Genehmigung zu erteilen, was künftig zu allerlei Belästigung der Pfarrhausbewohner führen wird, ebenso wie beim ersten Aufrichten des Mastes dem Schreiber dieses im Garten allerlei Schaden zugefügt worden ist.

1912
Bürgermeister- und Beigrordnetenwahl

Durch den Tod unseres bürgerlich wie kirchlich so wohl verdienten Bürgermeisters und ev. Dekanatsauschuß-Mitglieds Philipp Heinrich Frieß, der am 31. Juli verstarb, ward eine Neuwahl des Bürgermeisters und infolge dieser hernach auch eine Neuwahl der Beigeordneten nötig. Zum Bürgermeister wurde am 5. Sept. einstimmig mit 92 Stimmen Herr Bäckermeister und seitheriger Beigeordneter Adam Böhm gewählt und zum Beigeordneten am 4. Dezember Herr Georg Happel IV. Die Gemeinde erhofft von ihnen das Beste.

1912
Einquartierung

Zweimal- am 7. u. 8ten und am 16ten auf 17ten September hatte  unser Ort Einquartierung je eines Bataillons Infanterie und einer Schwadron Kavallerie. Im Pfarrhaus war einquartiert das erstemal Oberleutnant Winther aus Offenbach und nach ihm Leutnant Weber aus Mainz.

Am 8. März flog das Zeppelinschiff „Viktoria Luise“ ganz nahe über dem Pfarrhaus vorbei und am 15ten Mai die beiden ersten hier gesehenen Flieger, welche von Saarbrücken kommend Mainz zueilten, und von denen der erste die zirka 130 Kilom. lange Strecke in 48 Minuten durchflog.

1912
Confessionelle Belästigung

Am 6. Juni, dem katholischen Fronleichnamstag, erhielten wegen   Feldarbeit etwa 70 hießige evangelische Bürger Protokolle, welche jedoch auf Fürsprache des mitbetroffenen Bürgermeisters wieder erlassen wurden.

1912
Reichstagswahl

Am 13. Januar gelegentlich der Reichstagswahl erhielt im hießigen Dorfe der Kandidat der Nationalliberalen Keller 79, der Kandidat der Ultramontanen* Molthan 13, und der siegende Kandidat der Sozialdemokraten Dr. David 12 Stimmen.

* Anm. Red.: Ultramontanismus: Politische Haltung des Katholizismus, einhergehend mit Antimodernismus (Quelle: Wikipedia)

1912
Neubauten

An Neubauten sind in diesem Jahre errichtet ein Wohnhaus in der Bahnhofstraße von Fried. Kröhle, ein ebensolches daneben von Georg Hammen, Schreinermeister, je eine Scheune von Philipp Ackermann und Peter Ackermann.

1912
Viehzählung

Nach der Viehzählung vom 2. Dez. d. J. ergab es hier 35 Pferde, 2 Esel, 195 Stück Rindvieh, 1 Schaf, 216 Schweine, 175 Ziegen, 1551 Stück Federvieh und 52 Bienenstöcke.

Diesesmal ging die Neujahrsnacht nicht so still vorüber, wie man dies früher trotz allem Schießen gewöhnt war, sondern eine Bande von 14-18 jähr. Burschen belästigte viele Bewohner durch Abbrennen von Feuerwerkskörpern hinter den Läden der Häuser, die sie z. T. gewaltsam öffneten, z.T. unter betäubendem Gepolter zu öffnen suchten, sodaß allgemein Entrüstung im Dorfe herrschte über solche Ungehörigkeit, der sogar ein jüd. Ladenfenster zum Opfer fiel. Das außergewöhnlich still-warme und trockene Wetter begünstigte solches nächtliche Herumtreiben.

 

Johannes Würth, Pfarrer

Jahr Christi 1913

Witterung
Ernte

Vom 8-12 Jan. hatten wir starken Frost ohne Schnee. Am 12ten wurde es gelinde und es fiel nahezu 1 Fuß hoch Schnee, der jedoch bis Ende des Monats wieder verschwunden war. Am 31. Jan. leitete ein Gewitter mit Blitz und Donner eine sehr milde Periode ein, die am 22. Febr. wieder mit Blitz und Donnerschlägen schloß. Bereits am 12. April blühten Zwetschen, Birnen, Mirabellen, Reinekloden, aber an diesem Tage flog der Sommer wieder davon und sandte uns dafür Eis und ½ Fuß hoch Schnee, sodaß das meiste Frühobst verdarb. Wieder folgte ein kühler regnerischer Sommer, sodaß  am 28. Juli erst der Kornschnitt begann. Zum Glück trat da 8 Tage lang sehr gutes Wetter ein, sodaß bei emsigstem Fleiß der Bewohner alles Korn trocken einkam. Aber mit der übrigen Frucht ging es wieder schlecht. Es regnete täglich, die Weinberge wurden 6-8 mal gespritzt und geschwefelt, aber es gab doch nur wenig und geringen Wein, der die Eiche zu 24 Mark Abnehmer fand. Wenig Obst, sehr viel Kartoffel, das Malter im Preise 3,80 Mark. Ein nasser aber sehr milder Herbst folgte, erst am 19/20 Nov. ein schwerer Nachtfrost, am 19/20 Dezember ein etwas stärkerer und am 28. Dezember starker Schneefall bei gelindem Wetter. Auch die Christnacht war durch leisen Schneefall weiß gewesen, dem jener 3° Cels. starker Frost vorausging.

1912
Gemeinderatswahl

Bei der am 1. Oktober stattgehabten Gemeinderatswahl wurde J.P. Stauf u. Jak. Böll wieder und Phil. Heinr. Ackermann u. Joh. Philipp Rösch II neugewählt.

Am Samstag, 7. Juni feierten sämtl. hießigen Vereine das 25. jähr. Regierungs-Jubiläum des Kaisers im Darmstadt’schen Saale und nahmen am folgenden Morgen ebenso vollzählich an der Kirchenparade in der ev. Kirche teil, bei welcher der Schreiber dieses über Ev. Matt. 22, 20+21 die Festpredigt hielt.

1912
100j, Gedächtnisfeier der Völkerschlacht bei Leipzig

Auch der 100 jähr. Gedächtnistag der Völkerschlacht bei Leipzig wurde festlich begangen. Am 18. Okt. mittags 12 Uhr eine Stunde lang Zusammenläuten aller Glocken der beiden Kirchen, am Abend Fackelzug der Vereine nach der Steige, auf deren Höhe ein mächtiges Freudenfeuer unter abermalichem Zusammenläuten unserer evang. Glocken, Gesängen und Ansprachen abgebrannt wurde. In gleicher Weise sah man es auch in Gau-Bischofsheim und Lörzweiler feiern. Von der Höhe aus gesehen erschien in weiterer Runde vielfach der Himmel rot von den Feuern entfernterer Orte und Städte.

1912
Neubauten

Auch in diesem Jahre ist wieder gebaut worden. Weinhändler Lotz baute einen großen Keller und Kelterhaus. Die zur Abfuhr dabei gelangenden Erdmassen wurden zum Teil dazu benützt, die vom Schulhaus herab die Straße zur Eisenbahn verbindende neue Ortsstraße aufzufüllen und zu planieren.*

* Anm. Red.: Die heutige Birkenstraße

Auf dem Wege zur Eisenbahn bauten die Gebrüder Philipp und Johann Pusch ein Doppelwohnhaus neu für sich.

1912
“Bobbe un Hase”

Im Übrigen ist auch dieses Jahr in stillem Frieden von allen Bewohnern durchlebt worden und wenn auch wegen Krankheit der Kleinkinderschulschwester von einer Kinder-Weihnachts-Bescherung in der Kirche abgesehen werden mußte, so erhielten die Kleinen ihre Gaben doch in der Stille auf dem Rathaus und haben sich wie wir Großen alle die „Bobben u. Hasen“, die unseren Bäckern diesmal besonders gut gerieten, wohlschmecken lassen. Es ist dies nämlich ein seit uralter Zeit hier am Vortag vor dem Christfest hier im Dorfe von den Bäckern zum Verkauf kommendes selbst hergestelltes Gebäck. Das eine Stück in Puppen- das andere in Hasengestalt, das beides um seiner Originalität willen hier seine Erwähnung hat finden sollen. Durch rechtzeitiges Abheben der deponierten Summe ging unserer Darlehenskasse M-H. bei dem Ruin der Hess. Landw. Genossenschaftsbk außer den durch Reserven gedeckten Aktien in Höhe von 1500 Mk kein Pfg verloren. Die Neujahrsnacht schloß mit ½ Fuß Schnee 10° C. Kälte und Ruhe in allen Gassen.

 

Würth, Pfarrer

Jahr Christi 1914

Witterung

Über die Witterung dieses Jahres ist folgendes zu sagen. Von 8. -14. Jan. hatten wir hier starken Frost ohne Schnee, bis zu 16 Grad Celsius, dauernd bis 8. Febr., wobei das Feld ½ Meter tief gefroren. Im März täglich Regen, viel Nebel und frostig-kühle Luft, sodaß 1. April alle Bäume noch kahl, keine Gärten bestellt und keine Weinreben beschnitten waren. Der April brachte sehr schönes Wetter, am 22sten 24 Grad C. Wärme im Schatten, sodaß das Frühobst verblüht hatte und eine ganz außerordentliche Menge Aprikosen, Mirabellen, Frühzwetschen, Birnen u.s.w. uns zu teil wurde, deren Verwertung später leider arg behindert wurde durch die Zeitereignisse. Der Juni war aber der Weinblüte nicht besonders günstig, der Juli brachte viel Regen und trotz eifrigster Gegenarbeit mit Schwefeln und Spritzen mit Kupferkalkbrühe und zum ersten Mal auch mit Nikotinseifenlösung allerlei Rebkrankheiten und Schädlinge. Doch ist noch ein besserer Ertrag wie im Rheingau hier geerntet worden.

1914
Erste Kunde des kommenden Krieges, Mobilmachung

Vom 4-7 Juli fühlte sich der Schreiber dieser Zeilen einmal nach langer Zeit wieder verhältnismäßig wohl und kräftig genug, daß er es wagen konnte an der Hundertjahrfeier der Gründung des kgl. bayr. Inf.-Leibregiments in München, bei welchem er einst als einj. Freiwilliger gedient hatte, teilzunehmen. Dort hörte er zum größten Erstaunen von den unhaltbaren Zuständen in den neuen österreichischen Provinzen Bosnien und Herzegowina. Anarchie herrscht geradezu, aller Handel und aller Verkehr stockt, und man wartet schon seit Frühjahr ständig auf den Ausbruch des Krieges, aber der alte Franz Joseph suche dem Krieg aus dem Wege zu gehen. Jetzt auch noch die Mordtat an dem östr. Thronfolger und seiner Frau, die zur Beruhigung der Provinzen dorthinreisten. Jetzt kann Östreich nicht mehr länger zusehen oder man nimmt es in Petersbug nicht mehr ernst. Krieg in Sicht – das furchtbare Wort brachte der Schreiber nach Haus und sprach es gleich am folgenden Sonntag vor der nichtsahnenden Gemeinde in der Predigt auch aus. Aber wer mochte das glauben? Wer glaubte im friedlichen Dorfe, das mit Weinbergen ständig seine Sorgen hatte, und dessen Ernte goldreif auf den Feldern stand (die Roggenfelder waren z.T. schon geschnitten) an Krieg, als schon Anfang der letzten Juliwoche Östreich gegen Serbien im Felde stand u. der Militärfesselballon, der rings auf den Höhen, wie öfters in früheren Jahren seinen Übungen oblag, diese Aufstiege unterbrach und in aller Stille in seine ferne Garnison heimkehrte, wer las von unseren Leuten die Zeitungsnotizen von dem Ernst der Lage? Aber die am 30. Juli erfolgende telegraphische Zurückberufung des Urlaubers Georg Darmstadt zum Inf. Reg. 118 in Worms gab doch vielen zu denken. Jetzt stieg schon die Unruhe. Doch äußerte sich nirgends Angst, sondern ein gemischtes Gefühl der Zuversicht bei allen, ja gerade bei denen, die in erster Linie berufen waren im Ernstfall ins Feld zu ziehen. Doch seien in Kürze über das Leben hier im Orte während des Krieges folgende Notizen der Erinnerung festgehalten: Nachts vom 31. Juli auf 1. Aug. 2 Uhr hört man in rasender Fahrt ein Automobil an der Bürgermeisterei anfahren und nach wenig Minuten weitersausen. Es hatte Pakete mit großen Plakaten gebracht, die morgens drauf schon an allen Ecken „Kriegsbereitschaft“ verkündigten.

1. Aug: Herr Gärtner Lenz verabschiedet sich im Pfarrhaus, er hat sich sofort in Mainz zu stellen. Die Leute sammeln sich zu Gruppen auf den Straßen und warten von Stunde zu Stunde, was da werden soll, manchem wird das bange Warten unerträglich; es ist allen, als läge ein Ungeheuer in der Luft, Leute erinnern sich an meine Predigt vor 3 Wochen gehalten. Zu mehreren malen kommen neue Anschläge mit Bekanntmachungen, auch durch die Ortsschelle um 2 Uhr: Die Leute sollen mit allen Kräften auch Sonntag daran arbeiten, die Ernte unter Dach und Fach zu bringen: „damit es Deutschland bei etwa ernstlich ausbrechendem Kriege nicht an Brod fehle!“ Zwei Stunden danach tönt nochmals die Ortsschelle: „Mobilmachung angeordnet“. Sofort sind am Bahnhof neue Fahrpläne angeschlagen. Der Personenverkehr hört auf.

1914
Abschied der hießigen Krieger

Sonntag, 2. Aug.: So ist wohl noch an keinem Werktag hier an der Ernte gearbeitet worden wie heute. Nacht und Tag und wieder die Nacht hindurch alle Wagen im Galopp, kaum Zeit zum Essen. Die Kirche sollte ausfallen auf die Bekanntmachung vom Vortage, auf Wunsch wurde sie doch gehalten und zwar in ergreifender Weise; alle kamen im Arbeitsanzug, die zur Fahne Einrückenden traten an den Altar, gaben nach einer Ansprache über Offenbarung Joh. 2/10b mir zum Abschied die Hand und nahmen unter viel Tränen der Angehörigen unseren Segenswunsch zum Auszug mit.

Noch am selben ersten Mobilmachungstag kommt Ersatz-Reservisten-Kompagnie 55 singend von Mainz zu Fuß und nimmt Ortsquartier unter Hauptmann Zapp. Eisenbahn, Ortsausgänge, Wasserleitungsreservoir werden bewacht. Wer auf Mainz will sich zu verproviantieren muss laufen. Es tun es viele.

Man fürchtet feindliche Flieger und ihre Bomben, Brunnenvergiftung durch Cholerabazillen, Spione; alle Augenblicke kommen diesbezügliche Warnungen telegraphisch von den Behörden in Mainz. Nachts suchen die Scheinwerfer der Festung den Himmel nach feindlichen Luftfahrzeugen ab. Es schwirren durch die Lüfte allerlei unheimliche Gerüchte, es kommt ein (Lügen-)Telegramm: „Attentat auf den deutschen Kronprinzen, leichtverwundet, die 2 Mörder sind totgeschlagen worden u.s.w.. Frau Schapiro aus Mainz, die Polizeiassistentin als Spionin der Russen entlarvt und heimlich erschossen“, wovon ebenfalls, wie an vielem anderem, kein Wort wahr ist.

1914
Verfolgung angeblicher Spione

Montag, 3. Aug.: Abends im Dorfe eine richtige Spionenverfolgung. Seit Mittag sitzen an der Pfarrgartenecke auf einem Bänkchen, worunter das Weinkrügelchen nicht fehlt, zwei „Bürgergardisten“, die Pfeife im Munde und das blind geladene Jagdgewehr zwischen den Beinen und halten jeden an, der keinen Ausweis vorzeigen kann. Da dreimal telegr. angesagt worden ist, es seien französische Automobile  unterwegs, die Gold nach Russland bringen sollten, und das Gerücht sich verbreitet, in Nierstein hätten sie eins davon verfolgt, wird also hier eins, von Lörzweiler kommend, angerufen, es hält nicht, der Posten schießt blind am unteren Ortsausgang, im Nu ist Rückweg und Vorweg versperrt mit Prügeln, Hauen und Pickeln mit Gabeln und Gewehren sperren sie die Straße, hundert Hände fassen Auto und Insassen – ein Heidenspektakel. Alles zieht mit Hauptmann Zapp, das Auto in der Mitte, auf der Straße nach Mainz bis zur Feldwache auf der Höhe, dort nimmt ein Soldat neben dem Fahrgast Platz und fort geht es nach Mainz. Es soll aber kein Spion gewesen sein. Eine Dienstmagd ward bei diesen Vorgängen ohnmächtig.

1914
Augusttage

4. Aug.: Ersatzreservekompagnien in Civilkleidung marschieren, die Nummernbinde am linken Ärmel unter Gesang durch von Mainz kommend nach Mommenheim. Die Unsrigen legen Telephonkabel und werfen Gräben auf der Höhe aus.

5. Aug.: Kolonne von 60 Wagen und 200 Pferden aus der Alzeyer Gegend kommend durch nach Mainz. Letztere alle brandgestempelt „XVIII“ (Armeekorps)

6. Aug.: In Wenderods Saal werden die hiesigen Mannschaften vereidigt. Die beiden Schulsäle sind nach Hinwegräumung der Bänke zu Schreibstuben verwandelt worden. Auch flattert am Schultor die Fahne des „Roten Kreuzes“.

1914
Erste Siegeskunde

7. Aug.: Es rückt noch eine Ersatzreservekompagnie Nr. 90 aus Westfalen hier ein. Zu den 4 Mann (U-Off. Dr. Münz und 3 G..(?) aus Mainz) erhält davon das Pfarrhaus jetzt noch weitere 3 Mann. Auch kommt ein Pferdedepot von 40 Pferden nebst Mannschaft hierher, davon 4 Stück und 1 Mann in das Pfarrhaus. In Mommenheim liegen bereits 2000 Mann. Telegramm: „Lüttich erobert“. Deshalb Glockengeläute.

1914
Fortifikationsarbeiten auf unseren Höhen

9. Aug.: Arbeitssonntag: Circa 36000 Mann liegen und arbeiten jetzt in den Dörfern des Festungsbereichs Mainz am Ausbau der Festungswerke. Die Unsrigen beginnen im Ober-Olmer Wald zu holzen, Pfähle und Reiserbündel „Faschinen“ zu machen, am Bahnhof ein Rangiergeleise und ein Ausladegeleise zu bauen.

Zahllose Zement- und Kiesfuhren gehen durch den Ort auf die Höhen. In Mommenheim laden sie Berge von Bauholz zum Bau von Unterständen u.s.w. aus, hier mehr Rheinkies, Wackersteine, Zement und Tonröhren. Die wenigsten Weinberge und Felder sind noch ganz unbeschädigt, viele z. T. durch die Feldbahnen und Erdarbeiten mitgenommen. Ersatzreservisten halfen auf höheren Befehl hin, die Früchte mähen und heimfahren. Einer der Unsrigen macht uns das Küchenholz klein (Siehe Ste 158.)

10. Aug.: Schreiber dieses zu Fuß nach Mainz gehend hat dort Gelegenheit beim Auszug von Infanterie und Artillerie die jetzt soviel bewunderte Ausrüstung, die tadellose Güte und prächtige Haltung von allem zu bewundern. Niemand weiß wohin die Truppen gehen, nirgends soll Freund und Feind etwas erfahren. Auf unseren Strecken sollen gar keine Militärzüge gelaufen sein. Unheimliche Ruhe beim Fehlen aller Nachrichten von der Grenze, aber erträglich durch Arbeit in Feld und Haus und die Störung, welche die Einquartierung im Tagelauf gewöhnlicher Zeiten verursacht hat.

21. Aug.: Wie ein Lauffeuer durcheilt das Dorf die Kunde, daß Kronprinz Rupprecht von Bayern die Franzosen zwischen Metz und den Vogesen entscheidend geschlagen habe. Große Freude, Glockengeläute, Ansprache bei den Apellen der Truppen, Extraspenden der Quartierwirte abends an ihre Gäste. Fahnen erscheinen einzeln.

24. Aug: Wiederum Glockengeläute wegen des Sieges des deutschen Kronprinzen bei Longwy. Reichere Beflaggung. Am 29.sten, 31.sten und 1. Sept. läuten alle Glocken wieder zusammen gemeldeter Siege wegen z. B. Schlacht bei Tannenberg.

4. Sept: Am Nachmittag verläßt mit Belgien als Ziel eine Bespannungsabteilung mit 48 Wagen mit Blumen geschmückt hier die Quartiere. Zirka 36000 Mann liegen in der Umgebung von Mainz.

1914
Frauen arbeiten für die Truppen

5. Sept: Durch die Ortsschelle wird zu Freigaben für Strickwolle aufgefordert und die Frauen und Jungfrauen aufgefordert mit Stricken von Strümpfen und Pulswärmern für die Truppen im Felde zu beginnen. Die Kleinkinderschulschwester mit den Schulmädchen und eine Anzahl Erwachsener beginnen damit; die meisten haben mit ihrer durch das Fehlen so vieler Männer, die eingezogen sind, durch die durch viel Regen erschwerte Ernte u. Weinbergsarbeit, ganz besonders aber durch ihre starke Einquartierung (bei Lotz sind 43 Mann) so viel zu tun, daß sie sich von morgens ½ 5 bis gewöhnlich abends 10, ja 11, oft gar 12 Uhr fast aufreiben. Doch gehen täglich mindestens 3 Züge auf der Bahn nach Mainz u. zurück.

6. Sept. Sonntag:Der Pfarrgarten liegt voll Brod, Fleisch u. Bauernwurst, die den Soldaten zu derb u. hart, und unser Haushund läuft täglich zur Feldküche, und frißt sich dort an den Fleischresten satt.

7. Sept.: Da sich viele Ersatzreservisten als Kriegsfreiwillige zur Front gemeldet haben darunter Herr Wann aus dem Pfarrhaus ist das Studierzimmer wieder frei und der Pfr. braucht seine Predigten nicht mehr am Waschtisch des Schlafzimmers auszuarbeiten. Auch ist ein Schulsaal frei und es wird 8 Tage lang Unterricht gehalten, seit 25. Juli der erste. Auch ist das Koch- und Eß-Zelt unterhalb der Schule auf dem Acker wieder abgebrochen. Die von der FestungsKommandatur festgesetzten Höchstpreise für Lebensmittel ermöglichen den Ankauf der Lebensmittel zu erträglichen Preisen (1 Ctr. Kartoffel 3,50 Mk). Einquartierungsgelder werden alle 14 Tage etwa abschläglich ausbezahlt. Für jeden gemeinen Mann gibt es 1,20 M, für einen Offizier dasselbe. Letztere haben aber noch 1,30 M. ihren Quartierswirten persönlich zu zahlen. Mehrere Batterien Feldkanoniere kommen blumengeschmückt vom Bahnhof Mommenheim hier durch und werden jenseits der Steige rechts und links der Straßensenkung am großen Nußbaum, wo die Straße nach Ebersheim einmündet in gedeckter Stellung aufgestellt. Den ganzen Höhenrand ziehen sich verstärkte Befestigungswerke nun hin, deren Besichtigung untersagt ist. Das Wasserreservoir ist oben abgetragen, wird tiefer gelegt, mit Eisenbeton überwölbt und sogleich dabei, ebenso wie an der Mainzer und Ebersheimer Straße noch weitere, bombensichere Munitionsmagazine haustief angelegt. Das schöne Portal des Wasserreservoirs mit seiner Inschrift ist entfernt.

10. Sept: Die Ersatzres. Komp. Nr 90 verläßt den Ort und nimmt Quartier in Laubenheim. Sie stand unter dem Befehl von Feldwebelltn: Steuernagel und Oberleutnant Ewald. Dafür kommt das Rekrutendepot des Fest. Art. Reg. Nr 18 von Laubenheim hierher. Da die Bürgerquartiere nicht reichen, wird wieder auch der zweite Schulsaal ausgeräumt und der Unterricht fällt wieder aus.

13. Sept: Auch heute, wie öfters zieht das in Lörzweiler einquartierte Ers. Res. Comp. Nr. 66 mit Musik zur Arbeit nach Zornheim hier durch. Die Kapelle hat der in dieser Komp. eingezogene Herr M..(?) Lindl von der Frankfurter Oper aus Reservisten zusammengestoppelt und sie mit den Instrumenten der Lörzweiler Kirchenmusik ausgestattet.

16. Sept: Die Lörzweiler „Militärkapelle“ gibt in „Wenderoths Saal zur Krone“ ein Konzert am Abend zum Besten des „Roten Kreutzes“. Ertrag 100 M.

18. Sept: Unser U-Off. Dr. Münz, im Civilberuf Handelslehrer, zimmert in seinen dienstfreien Stunden im Hofe des Pfarrhauses Krippen, damit die 5 „Invalidenpferde“ in unserer Scheune ihren Hafer nicht mehr von der Erde aufzufressen brauchen. Für die von hier durch das Militär angekauften Pferde sind gute Preise bereits ausgezahlt worden. Manche Besitzer erhielten den früheren Einkaufspreis, obwohl sie die Pferde schon 5-6 Jahre gefahren haben, so bis 1250 M per Stück.

1914
Militärische Anteilnahme an der Beerdigung eines Veteranen aus 1870-71
Einquartierungsbestand Ende September / Entfernung der “Friedenslinde” aus 1871 

20. Sept: Der 74 jähr. Kirchen- u. Polizeidiener J. P. Wahnsiedler, ein alter Veteran, der 1866 und 1870 bei Gravelotte und Schloß Chambord mitgefochten hat, wird im Beisein aller hier einquartierten Truppen, die durch Hauptmann Baumbach einen Kranz niederlegen lassen, mit der „Lörzweiler Militärkapelle“ beerdigt. Nachher gibt die letztere in Darmstadts Tanzsaal ein Conzert zum Besten der kriegsgeschädigten Bewohner Ostpreußens, wobei 70,- Mark eingehen. Gegenwärtig liegen folgende Truppenteile hier in Quartier:

Rekrutendepot des Fuß. Art. Reg. 18 unter Hptm. Baumbach; Telegraphen-Bau Komp. 6 unter Oberlt. Berkenkamp als Ortskommandant; Festgskomp. 55 unter Vize-Feldwebel Dr. Matthes; Festgskomp. 118 unter Offizier-Stellvertreter Hanss; Bespannungsabt. 4 unter Ltn. d. Res. Spiegel, Nr. 9 unter Off. Stellvertr. Michelmann, Nr. 10 unter Offiziers-Stellvertr. Schauseil. Am Abend spielen unsere Gäste Schach und Mühle, so hat man sich an die die Zeitungen füllenden Schreckensberichte des Krieges bereits gewöhnt, der, wenn er einen siegreichen Frieden bringen sollte, wohl auch der Gemeinde Harxheim wieder eine neue Friedenslinde bescheren wird, nachdem man die zur Erinnerung an den Friedensschluß zu Frankfurt a.M. 1871 gegenüber der Pfarrgartenecke gepflanzte Linde merkwürdigerweise gerade in dem heurigen Frühjahr entfernt hat. Angeblich weil er ein Verkehrshindernis sei, hat man den stattlichen Baum, dessen Duft zur Blütezeit weithin erfreute, am 19. Febr. öffentlich an den Meistbietenden versteigert und war sein Holz zum Preise von 6,30 M dem Feldschützen Mück zugefallen. Das einst unter ihm stehende Kriegerdenkmal, dessen Weihe Seite 31 dieser Ortschronik erzählt ist, war längst vorher schon aus gleichem Grunde entfernt und vor der ev. Kirche hoch auf dem Treppenaufgang des Friedhofs neu aufgestellt worden, wo es heute noch zu sehen ist.

1914
Komet

25. Sept: Viele suchen an dem gegenwärtig dunklen klaren Nachthimmel nach dem Kometen, der wenn auch nur schwach leuchtend doch mit bloßem Auge zu erkennen ist und in den Zeitungen der „Kriegskomet“ genannt wird, weil nach alter Volksmeinung bei jedem Krieg auch ein Komet erscheinen muß. Jetzt haben auch die Ersatzreservisten ihre Zivilkleidung mit Militärkleidung vertauscht. Allerdings sind es erst weiße Drillischanzüge und Militärmützen, auch haben sie noch keine Waffen, aber sie fangen an fleißig zu exerzieren in dem Maße, als die Erdarbeiten an den Befestigungen aufhören. Auch kann schon etwa 4 Wochen die Milch, welche wegen mangelnder Eisenbahntransporte von den fleißigen Händlern auf die Höhe bis an das Wasserreservoir gebracht und dort von Mainzer Fuhren in Empfang genommen wurden, wieder wie vor dem Kriege mit der Bahn versandt werden.

30. Sept: Die Kriegs-„Verlustlisten“ des deutschen Heeres, worauf das evgl. Pfarramt bei der Post abonniert ist, werden fleißig durchgelesen, und fällt es allgemein auf, welch außergewöhnlich hohe Zahl von Offizieren auf den Schlachtfeldern des Krieges ihr Leben lassen.

5. Okt: Die letzten in der Pfarrscheune und im Kuhstall stehenden Pferde sind jetzt entfernt, da anderwärts im Dorfe etwas mehr Raum für dieselben geworden ist. Nur als Fourage*-Magazin benützen die hießigen Bespannungsabteilungen unsere Scheune noch, was uns wenigstens ermöglicht, endlich wieder nachts das Hoftor fest zu verschließen, nachdem es Tag und Nacht 2 Monate lang ganz offen gestanden hat.

* Anm. Red.: Pferdefutter

1914
Kriegsgeläute

10. Okt: Heute nach langem Warten wieder Glockengeläute und Beflaggung vieler Häuser wegen des Falls der starken belgischen Festung Antwerpen. Jedesmal bei solchen freudigen Anlässen läutet auch die katholische Kirche mit, durch deren Gemeinde überhaupt eine andere Stimmung geht als etwa im Kriegsjahr 1870/71 oder gar 1866. Die Feindschaft der regierenden Kreise in Frankreich gegen die römische Kirche und unsere Waffenbrüderschaft mit dem gut katholischen Östereich kommt dieser guten Stimmung im katholischen Lager auch in Deutschland sehr zustatten, ist wohl gar die tiefste Ursache derselben.

11. Okt: Bei Tagesgrauen macht das Festungsgouvernement durch die Ortsschelle bekannt, dass allen Tauben bis auf Weiteres in den Schlägen eingesperrt zu halten sind, da durch Brieftauben starke Spionage getrieben werde. Auf der Höhe der alten Steige links gegen Ebersheim zu etwa 200 meter abseits hat man unmittelbar am Rande des Abhangs beim Ausheben von Schützengräben in einer Tiefe von etwa 1 ½ Meter das ausgestreckte Skelett eines starken Mannes ohne Beigaben gefunden.

1914
Spende des hieß. Soldatenvereins an die hieß. Krieger im Felde

15. Okt: Da die hießigen Bürger trotz großer Vorräte in Hoffnung auf noch durch den Krieg stark sich steigernder Preise gar keine Kartoffel mehr verkaufen, hat Schreiber dieses persönlich in der Alzeyer Gegend sich den nötigen Vorrat für den Winter gekauft und für das Malter jetzt 7,00 Mark bezahlt. Der Soldatenverein hat an die Angehörigen seiner im Felde stehenden Mitglieder je 10 M, insgesamt 80 Mk. aus s. Vermögen gezahlt.

17. Okt: Heute kam eine am 5. Okt. abgesandte durch das schweitzer „Rothe Kreuz“ über Genf übermittelte Postkarte des Maurers Martin Wahnsiedler hier an, der im Landw. Inf. Reg. 118, 7. Komp. dienend, bei einem französischen Angriff, dem die deutschen Truppen, weil in Minderzahl nicht gewachsen, gefangen jetzt im „Depot des prissoniers de guerre in Espira de l’Agly“ (Pyrennées orientales) sich befindet, worin er seiner Frau mitteilt, dass er bei guter Gesundheit seine Ordnung und gute Verpflegung habe und ein sommerlich herrliches Wetter dortselbst ständig herrsche.

Auch Richard Hammen beim Inf. Reg. (Reserve) 117, 9. Komp., ist bei Fresnoi-Parvillers vom 8/9 Oktober gefallen, durch den Sanitätssoldaten Krebs, Adam von hier und seinem eigenen Bruder tot aufgefunden worden; letzterer nahm Uhr und die übrigen Wertgegenstände des Gefallenen an sich.

In der „Kammer“ über dem Backhaus von Bürgermeister Böhm lagern seit 14 Tagen 18000 scharfe Infanterie-Patronen. Auch die Geschützmunitions-Räume der Festungswerke sind, soweit sie fertig sind, bereits seit längerer Zeit gefüllt. Batterien der 9 cm Kanonen krönen Richtung auf den hießigen Ort, den Höhenrand. Letztere, nur zu Übungszwecken dienend, sind Ende Oktober wieder entfernt worden.

21. Okt: Auf dem gegenüber der Schule unterhalb der Mainzer Landstraße gelegenen Kleeacker zimmern sie wieder an einer kleinen aber heizbaren Feldküche.

25. Okt: Weil unsere 3 uns noch gebliebenen Quartiergäste im Pfarrhaus beurlaubt sind, sind wir seit einem Vierteljahr zum ersten mal wieder allein Herr im Haus. Für einen Tag welches Aufatmen, welche Ruhe, welche Wohltat!

29. Okt: Ganz überraschend macht sich Mangel an Petroleum allerorts bemerkbar und trotz eines glücklicherweise vorhandenen größeren Vorrats fangen wir – im Pfarrhaus ohne elektr. Licht – an sehr damit zu sparen, da England die Zufuhr dieses Artikels sperrt. Wir haben in der Küche die alte Zinnlampe für Rüböl wieder in Thätigkeit versetzt.

1. Nov: Die für die einquartierten Truppen besonders bestimmte den Ortskommandaturen nach auswärts besonders mitgeteilte Erbauungsstunde in der Kirche war von keinem Soldaten besucht. Es fehlt noch immer vielen an dem nötigen Ernst. Wenn schwere Gerichte Gottes kämen, dann wären sie dreifach von unserem in den letzten Jahren wie toll sich gebärdenden Volke verdient.

1914
Vorsichtsmaßregeln gegen feindliche Spione

Da allerlei Spionage-Anzeichen wieder vorhanden sein sollen, werden an der Pfarrgartenecke wieder alle Automobile untersucht, die hierbei aufgestellten militärischen Doppelposten haben scharf geladen und das Seitengewehr aufgepflanzt. Große schwarz-weiß gestrichene Stellschranken sperren die Straßenkreuzung nach allen vier Seiten. Noch trotz des Verbots frei herumfliegende Tauben sind alle abgeschossen worden.

1914
Ausfall des Schulunterrichts beendigt

9. Nov: Heute wurde zum erstenmal wieder ordentlicher Schul-Unterricht gehalten. Die oben erwähnten Schranken sind jetzt auf die Höhe gegen Mainz Straßenkreuzung Gau-Bischofsheim-Ebersheim verlegt.

12. Nov: Ein fremder unbekannter Photograph ist hier verhaftet worden. Das Photographieren ist im Festungsbezirk längst streng verboten.

1914
Weihnachtspäckchen für die ev. Gemeindeglieder im Felde durch den ev. Frauenverein u. die Kirche

18. Nov: Auf Kosten der Kirchenkasse noch 5 Paar Unterhosen für zusammen 14 Mark zur Versendung an bedürftige Harxheimer Krieger auch Katholiken im Felde in Mainz gekauft. Ebenso noch 3 Pfd feldgrauer Wolle für gleiche Kasse zum Stricken von 30 Paar langer Pulswärmer („Stauchen“) zum hinaussenden. Die Confimierten haben sie in 8 Tagen gestrickt und zunächst im Pfarrhaus abgeliefert, von wo sie mit anderen Liebesgaben und Weihnachtsschriften hinaus ins Kriegsfeld sollen (Siehe Seite 113). Hierzu hat der evgl. Frauenverein aus seinem Vermögen wieder 30 Mark besonders gestiftet.

21. Nov: Es sind 11 Mann meist Elsäßer gegen Abend in den Ort neu eingerückt und der einen Fuhrparkkolonne zur Einschulung zugeteilt worden. Wegen ungerechter Einteilung der Quartiere gelang es erst gegen 10 Uhr die letzten unterzubringen. Überhaupt ist in dieser Hinsicht viel zu klagen über mancherlei Härte. Gestern starb, mit in Folge von Aufregung, Unordnung und rücksichtsloser Behandlung die seit einigen Tagen schon klagende 70. jähr. Witwe Happel, Karoline, die einstige Stifterin der mittleren Glocke und des gemalten Chorfensters unserer Kirche, die allein in ihrem Hause wohnte. Nicht genug, daß seit Wochen die Schreibstube der Festgs. Komp. 55 im Wohnzimmer darin untergebracht und mehrere Mann Einquartierung, man kam auch noch ohne zu fragen und begann die leerstehenden und mit allerlei Haus u. Wirtschafts und Herbstgeräten gefüllten Ställe zu räumen und sie mit Pferden voll zu stellen. Da die Wartung, Pflege, das Bringen und Abholen derselben insbesondere zur Nachtzeit eine große Unruhe verursachen, das Hoftor die ganze Nacht offen bleiben muß, erklärte sie, sie sei alt und schwer leidend und könne diese Last im Hause nicht mehr ertragen. Da erhielt sie von dem Rittmeister die Antwort: „Es sei Krieg und wenn sie das nicht mehr ertragen könne, so solle sie sich aus ihrem Hause ausquartieren.“ Das hat sie dann auch – in anderem Sinn getan. Sie legte sich zu Bett und war nach 8 Tagen tot.

1914
Weihnachtssendung der Civilgemeinde

22. Nov: Erstlich sammelte die Bürgermeisterei für Christgeschenke an alle Harxheimer in Felde rund 400 Mark (davon erhält jeder in einem Holzkästchen geschenkt: 1 gestricktes Hemd, ein halbes Pfd Schokolade, 12 Zigarren und Lebkuchen. Zweitens sammelten die Schulkinder mit Büchsen zur Christbeschauung für die Verwundeten in den Mainzer Lazaretten 75 Mark; drittens ertrug die vorgenommene Wochensammlung des evgl. Frauenvereins in allen Häusern des Ortes zu Gunsten des Roten Kreuzes in Mainz 17,05 Mark, welche daselbst in dem Hause Mitternacht Nr. 4 abgeliefert wurde.

26. Nov: Heute abend zwischen 6 und 7 Uhr läuteten wie in den Nachbardörfern so auch hier die Glocken wieder zusammen wegen des glänzenden Sieges Hindenburgs über die Russen in Polen, wobei er 65000 Russen gefangen nahm.

1914
Allerhand Quartiergäste

1. Dez: Heute Morgen sind die IV, IX und X Bespannungs-Abteilungen, welche allein noch hier lagen nach Erbenheim abgerückt. Mit ihnen zog auch der Herr Offiziersstellvertreter wieder ab, der bei seinem Hierherkommen vor 8 Tagen im Pfarrhause, vom Bürgermeister geschickt, Quartier suchte, aber dann, weil ihm nichts genehm war, jeden Tag das Quartier wechselte. Seine ersten Fragen waren: Bekomme ich den Haustürschlüssel, ich möchte, da ich gern nach Mainz gehe, öfter spät des nachts herein. – Wird mir separat serviert bei Tisch? – Ich kann nicht mit den Leuten essen! Ist im Hause Badegelegenheit (im Pfarrhaus dem letzten Stiefkind aller öffentlichen Häuser!) Zum Glück war ihm unser Zimmer auch zu klein, deshalb ging er hier gleich weg zur Familie Lambinet, wo er als Weinhändler von Hause aus auch hin gehört hätte, aber sie hielten ihn nur eine Nacht, dann gings in ein neues Quartier. Öffentlich schimpfte er über das  „elende Nest“ wo er schon 3 Tage nach einer „anständigen Kneipe“ suche, ohne eine solche zu finden. Solche Offizierstellvertreter hat unser Heer auch. – Heute meldet die Verlustliste Nr. 236 Seite 3114 den Adam Brehm (siehe Seite 110) aus den Kämpfen bei Le Quesnoy und Damry (31 Okt – 2 Nov) als „vermißt“. Er trug die Erkennungsmarke Nr. 101. Über sein Schicksal war nichts mehr zu erfahren.

Verlustliste Nr. 238 Seite 3155 den in der 3. Comp. des Inf. Reg. 117 als Reservist eingestellten Philipp Kessel als am 10. Sept. schwer verwundet, linker Arm und linke Brustseite

Dagegen kann die Ehefrau des Wehrmanns Martin Wendel, die ihren Mann im Gelände der Feste Kaiser Wilhelm II bei Mutzig im Elsaß aufgesucht hatte nach 3 tägiger Abwesenheit heute wieder beruhigt, daß er noch gesund, hierher zurück und meldete das gleiche auch der Frau Lenz, deren Mann am gleichen Platze steht.

6. Dez: Heute sind von Seiten des evangel. Pfarramts an alle im Felde stehenden Kriegsteilnehmer, soweit sie zur evangelischen Kirche zählen Weihnachtsgrüße mit erbaulichem Lesestoff (zwei größere u. 2 kleinere Schriften) abgesandt worden. Beigepackt waren für jeden Empfänger Briefpapier und Hüllen und Postkarten, Bleifeder, Schokolade, Pfefferminz, Nadelbüchschen mit Inhalt, Zwirn, ein paar Pulswärmer, 2 Kerzchen und Zigarren mit schwarz-weiß-rotem Band verschnürt und einem Tannenzweig nebst Brief von dem Schreiber dieser Zeilen. Die Versandkosten für jedes dieser „Pfundpackete“ betrugen 20 Pfennig. Die Wochensammlung für das Rote Kreuz ertrug heute 12 Mark.

7. Dez: Heute sind die letzten Quartiergäste des Pfarrhauses: Kaufmann Heller und Korkschneider Hirtes aus Mainz, seit dem ersten Tage der Mobilmachung als Ersatzreservisten hier tätig nach Mainz zum Feld. Art. Reg. 3 abgerückt. Jetzt geht es an das große Ordnungmachen im Hause. Noch liegen im Dorfe zerstreut noch immer etwa 70 Mann.

13. Dez: Durch den stillen dunklen Abend hallte um 8 Uhr unser Glockengeläute und verbreitete die Kunde, daß in Polen wieder 11000 Russen gefangen und ein Vorstoß der Franzosen im Westen bei Flirey nördl. Nancy unter großen Verlusten und einer Einbuße von 600 Gefangenen zurück geschlagen worden sei.

1914
Religionsprüfung in der Schule

18. Dez: Heute morgen um 10 Uhr läuteten unsere Glocken wieder den Sieg Hindenburgs über die Russen durchs Land, bei welchem die westpreuß. und hess. Regimenter die Entscheidung herbeiführten, und die Schulkinder bekamen schulfrei und zogen ein fröhliches Soldatenlied singend durch alle Gassen des Ortes. Am Nachmittag 1 Uhr hielt Herr Dekan Weiß von Selzen hier in der Schule eine Religionsprüfung ab und nachher gab es viel Leben in den Häusern, denn es rückte in alle Häuser wieder neue Einquartierung ein in Gesamtstärke von 250 Mann: 3te Festungskomp. unter Hauptmann Kersting.

23. Dez: Heute zogen 3 kriegsstarke Infantrie-Kompagnien, bei dem trockenem Frostwetter wohl auf einem Übungsmarsch begriffen unter brausendem Gesang von Mainz kommend gen Mommenheim hin durch unseren Ort. An der Pfarrgarten-Ecke stehen zur Sicherung wieder einmal hohe weiß gestrichene Schranken und ein Posten mit aufgepflanztem Seitengewehr.

25. Dez: Im Gottesdienst wurden heute als am 1. Christtag der Gemeinde eine Anzahl von evangel. Harxheimern aus dem Felde an das Pfarramt gesendeter Weihnachtswünsche und Grüße bekannt gegeben und an die Schuljugend Schriften: „Das eiserne Jahr 1914“ zur Erinnerung verteilt. Beim Ausgang wurden am ersten Christtag 11,95 M., am zweiten 7,71 M. für den von den evangel. Gemeinden des Großherzogtums gestifteten Lazarettzug geopfert. Ein Christbaum war diesmal nicht in der Kirche, da eine Bescherung für die Kleinkinderschule nicht stattfand. Bei mildem Wetter ging diesmal das alte Jahr 1914 in einer Stille zu Ende, wie das sonst niemals der Fall zu sein pflegt. Kaum daß man auch nur einen Laut auf der Straße hörte als um Mitternacht die Kirchenglocken das neue Jahr einläuteten, dem allseits der Wunsch und die Hoffnung eines siegreichen Friedens entgegengebracht wird.

 

Würth, Pfarrer

 

Jahr Christi 1915

Am milden und trockenen Nachmittag des Neujahrstages spielte die provisorische Kapelle unserer „Armierungs“-Festungskompagnie von 12 – 1 Uhr auf dem Platze vor dem Pfarrhaus eine Reihe prächtiger Musikstücke und Märsche, beginnend mit „Ich bete an die Kraft der Liebe“ und lockte die halbe Gemeinde herbei durch das schöne exakte Spiel. Herr Weinhändler Lotz stiftete ihr dafür sofort 3 Flaschen Wein.

7. Jan: Die in unserer Festungskomp. 3 zahlreich vertretenen katholischen Ersatzreservisten aus Ober-Elsaß, Gegend Sennheim-Mühlhausen machen aus ihrer Vorliebe für Frankreich kein Hehl und niemand traut ihnen. Seit gestern werden hier keine Wecken mehr gebacken um an Weißmehl zu sparen (8. Jan.)

18. Jan: Heute ward bei klarem Frost entsprechendem Wetter seit Kriegsbeginn zum erstenmal ein über das Rheintal nach Mainz zu fliegendes Zeppelin-Luftschiff beobachtet.

1915
Reichswollsammlung

22. Jan: In der jetzt zugunsten unseres gegen die Russen kämpfenden Heeres abgehaltenen sogenannten „Reichs-Woll-Woche“ haben heute die größeren Schulkinder die in allen Häusern des Ortes bereit gehaltenen Pakete alter Wollsachen mit Wägelchen abgeholt und auf die Bürgermeisterei gefahren. Was ist da nicht alles abgegeben worden: Flanell- und Wattröcke, Kapuzen und Teppiche, Wollwämse und Pferdedecken u.s.w. Mir hat die Sammlung meinen noch wohlerhaltenen Militärmantel von meiner Einjährigendienstzeit in München hinausgeführt. Möge seine auch seither noch bald 30 Jahre lang ausgeübte Dienstzeit im russischen Winter ihren würdigen Abschluß finden.

24. Jan: Um den Ort zu entlasten ist auf ein Gesuch der Bürgermeisterei eine Umquartierung der Truppen vorgenommen, und sind nur noch 80 Mann hier geblieben, die übrigen nach Lörzweiler verlegt worden. Alle beschäftigen sich schon die ganze Zeit mit Stacheldrahtziehen an den Schützengräben am Bergrand. Die Schulkinder sammelten heute einen kleinen Betrag zur Vermehrung der Sanitätshunde, welche auf den Schlachtfeldern die Verwundeten suchen helfen sollen. Am Samstag 30. Jan. haben die hieß. Bäcker keine Kuchen gebacken, da sie den Leuten kein Mehl verkaufen durften.

2. Febr: Ein Flieger, seit Kriegsbeginn der erste überflog Richtung südwest nach nordost (Mainz) die hießige Gemarkung. Heute wurden die Ausweiszettel über die vorhandenen Vorräte an Brodgetreide und Mehl zur Ausfüllung an alle Haushaltungen verteilt. Allgemein befriedigt das strenge Vorgehen der Regierung, das endlich der maßlosen Verschwendung von Korn, Mehl und Hafer, die trotz aller Warnungen noch bis jetzt damit getrieben worden ist, Einhalt bietet und zum Sparen zwingt. Nur eine einzige Stimme des Unverstands hörte der Schreiber dieser Zeilen im Dorfe, die sich dahin aussprach, man „wolle dem Bauer das Maul auf die Krippe binden“. Die Schulkinder sammeln die abgeschossenen Jagdpatronen, die sie im Felde fanden, und liefern sie zur Verwertung für Kriegsbedürfnisse an Lehrer Köhler ab.

1915
Statistik über die hier vorhandenen Fruchtvorräte

8. Februar: Ein Flugzeug, das über unsere Gemarkung hin und nach dem Rhein zu zurückflog, ließ aus ganz außerordentlicher Höhe noch zu Übungszwecken über dem Thale wiederholt am hellen Tage heute Leuchtkugeln fallen, die in halber Höhe zu Funken zerplatzten. Bei der heute vorgenommenen Zusammenstellung der in der hießigen Gemeinde noch vorhandenen Getreide- und Mehlvorräte stellte sich heraus, daß in dem kleinen Orte noch zu Gebote stehen 1028 Ctr. Roggenkorn u. Weizen, 423 Ctr. Hafer und insgesamt noch 153 Ctner. Mehl, also ein Beweis, daß wir vom Mangel noch sehr weit entfernt sind.

16. Febr: Am heutigen Fastnacht Dienstag ist in Mainz und hier von dem in sonstigen Jahren übligen Faschingstreiben keine Spur zu hören oder zu sehen. Es gab nicht einmal wie sonst schulfrei und die beliebten „Kreppel“ durften in keinem Hause gebacken werden.

1915
Fertigstellung des neuen Portals unseres Wasserreservoires auf dem Berge

17. Feb: Nach dem heutige bekannt geworden, daß bei dem Sieg Hindenburg‘s mehr als 60.000 Russen gefangen und Ostpreußen gänzlich vom Feinde befreit, begannen auch hier die Glocken zu läuten, die Fahnen zu wehen und die Kinder heute bekamen schulfrei. Ein neues einfacheres EisenbetonPortal mit 2 schwerfälligen Säulen ist am Wasser-Reservoir jetzt fertig und freigelegt. Da der Rathaussaal noch immer wie seit Beginn des Krieges von dem Militär hier ebenso wie die untere Rathausstube in Anspruch genommen ist, haben wir am 10. Febr. die zum Ausroden bestimmten 3 Pfarrweinberge „ober dem Gau-B. Berg“ im Schulhaussaal in Pacht versteigert anstatt wie sonst auf dem Rathaus. Auch findet bis heute noch keine Kleinkinderschule statt und die Schwester hat infolgedessen gute Zeiten.

21. Feb: In dem heute Sonntag stattfindenden 1. Passionsgottesdienst dieses schweren Jahres wirkte der hier in Quartier liegende vorzügliche Chello-Spieler Trautvetter aus Frankfurt am Main mit, und hielt Schreiber anläßlich der neuen Brod- und Mehlvorschriften, die bis zur Ernte unser Volk von der Aushungerung durch seine Feine bewahren sollen, die Predigt über die Passionsfrage des Herrn an seine Jünger: Evang. Luc. cap. 22 v. 35b + 36a: „Habt ihr auch je Mangel gehabt?“ Sie sprachen: „Nie keinen“. Da sprach er zu ihnen, aber „nun wer einen Beutel hat, der nehme ihn“.

22. Febr: Noch einmal fingen alle Glocken hier und im ganzen Reiche an zusammenzuläuten, und viele Häuser flaggten, denn weitere 40.000 Russen sind von Hindenburg gefangen. Die noch nicht schulpflichtigen Kinder ziehen fähnchenschwingend und singend in Reih und Glied geordnet durchs Dorf. Das Zusammenläuten der Mainzer Kirchen war hier gut zu hören, was sehr selten ist.
Seit drei Tagen arbeiten unsere Soldaten daran, die durch die Felder auf die Berge führenden Feldbahngeleise zu entfernen und an den Festungsmaterialstätten (Barakenlager Ebersheim und Kesselthal) aufzustapeln. Nur das Normalspurgeleise für die Eisenbahn am hießigen Bahnhof nach Lörzweiler-Niersteiner Höhe, das auch in Eile bei Beginn des Krieges vom Militär (Ersatzreservisten) genannt „Schipp-und Pickelkompagnien“ gebaut worden ist, bleibt für die Dauer.

1915
Witterung

4. März: Die Schulkinder haben 5 Mark zusammengelegt und an das Centraldepot für Liebesgaben, Berlin W. 50 gesandt als Beisteuer zur Bekämpfung der entsetzlichen Läuseplage unser Truppen im Osten, die sie von den Russen sich geholt haben. Der Kriegsgefangene Martin Wahnsiedler von hier befindet sich Settat, Westmarokko, wohin er von Espira de l´Agly (S. 105) über Narbonne Trampeloupe (Bordeaux) Casablanca Reihat auf einen vom 22. Dez. bis 3. Jan. dauernden Transport gebracht worden ist. Mit großem Eifer nützten die Bewohner das milde gute Wetter der letzten Februarwochen um in den Weinbergen und auf den Feldern vorzuarbeiten, da jedenfalls beim Fehlen so vieler Kräfte die Bestellung der Felder große Sorgen bereiten wird und dieses Jahr doch mit doppelter Sorgfalt vorgenommen werden soll. Leider läßt sich die erste Märzwoche nicht so gut an: Wind, Regen und Nässe hindern an der Arbeit. Soeben fängt es stark an zu schneien und es folgen 8° Frost.

7. März: Am heutigen Sonntag findet durch die Ortsschelle bekannt gemacht – im Schulhause eine Bürgerversammlung statt, in welcher über die neue Reichs-Kriegs-Anleihe gesprochen werden soll.

10. März: Nachdem gestern abend noch eine Anzahl unserer hießigen Quartiergäste abgerückt sind, kamen heute unter Gesang wieder neue 100 Mann ungediente Landsturmmänner (Westphalen) zu Fuß von Mainz, welche mit den noch hier Verbliebenen vereinigt die neu gebildete 2. Armierungskompagnie der Festung Mainz bilden sollen.

11. März: Beim Bekanntwerden der Nachricht, daß die achttägigen wütenden Durchbruchsversuche in der Champagne, welche die Franzosen etwa 45000 Mann Verluste kosteten, glänzend abgeschlagen seien, läuteten heute wieder alle Glocken zusammen („Winterschlacht in der Champ.“)
Bei der neulichen Generalversammlung der Spar- und Darlehenskasse Mommenheim-Harxheim wurde beschlossen, der Gemeinde Harxheim wieder 350 Mark aus dem Reingewinn des abgelaufenen Geschäftsjahres zu gewähren, außerdem jedem im Felde stehenden Krieger ein Liebespacketchen (ein Fläschchen Magenbitter und Wurst) zu senden. Auch der Konsumverein Harxheim hat jetzt jedem Feldzugsteilnehmer ein Packet gesandt, enthaltend: 1 „Spitzweck“, ½ Pfd. Wurst, 1 Tafel Schokolade und 6 Zigarren. Die gleiche Sendung nochmals Mitte April.

15. März: Heute wurde ein geborener Elsäßer, namens Metz als der Spionage verdächtig unter Bewachung aus seinem hießigen Quartier abgeholt und nach Mainz gebracht. Er hatte gelegentlich die Kühnheit auf der Straße die Marseillaise zu singen und auf die Deutschen zu schimpfen, empfing auch hier wiederholt den Besuch seiner Frau. Leider ist freilich noch kein Beweis sondern spricht eher für das Gegenteil.
Bei der heute vorgenommenen Erhebung der Kartoffelvorräte im Orte wurden 2313 Ctner als hießer Vorrat der Haushaltungen festgestellt, ferner sind in den hießigen Ställen, wie die Zählung gleichzeitig ergab, vorhanden 102 Schweine unter ½ Jahr, 27 Stück über ½ Jahr und 5 Stück über 1 Jahr alt, also insgesamt: 134 Stück.

18. März: Zu der heute stattgehabten Beerdigung seiner Mutter, Frau Kirchenrechner Böll, erschien mit stark verbundenem Kopfe auch deren Sohn August B., der durch Granatsplitter am 3. März im Sturm auf franz. Stellungen bei Vauquois ziemlich schwer verwundet seitdem im Feldlazarett Fraulautern bei Saarlouis liegt. Das war ein trauriges Wiedersehen. Nach Verlustliste Nr. 297 zum 2tenmal leichtverwundet. In russ. Gef. S.S. 180. Wieder frei.

1915
Kirchl. Ostergruß an die ev. Gemeindemitglieder im Felde

20. März: Heute sind die für die Landgemeinden des Kreises Mainz geltenden „Brotkarten“  für 14 Tage lautend ausgegeben worden, darauf erhalten gegen übligen Preis, soweit sie nicht aus eigenen Vorräten rationell backen können, alle Erwachsenen pro Tag je 285 5/7 Gramm Brot ( für 14 Tage = 4000 Gramm) oder die entsprechende Zahl „Spitzwecke“ oder das entsprechende Quantum Mehl. Alle evgl. Kriegsteilnehmer hießiger Gemeinde erhielten heute (25. März) aus kirchl. Mitteln durch mich einen Ostergruß ins Feld gesandt in Gestalt eines schönen Heftes. Heute flog ein Doppeldecker über das Dorf.

31. März: Am verflossenen Sonntag (28. März) nach dem Gottesdienst die erste Kriegstrauung – leider nicht in Ehren – mit Umgehung alle im Frieden notwendigen „kirchenrechtl. Erfordernisse“ gehalten.

6. April: Hierher, als Gabe an die Kinder der Frau Happel und Frau Kimmes, deren Väter im Kriege wohl beide umgekommen, sind Schuhchen, Hemdchen, Jäckchen und Schürzchen von dem Weihnachtschiff der amerikanischen Christenkinder für die Waisenkinder aller kriegsführenden Staaten gekommen. Ebenso kamen an die Ehefrauen Happel, Kimmes und eine dritte 145 Mark aus der 1200 Mark-Stiftg für die Kriegsbeschädigten von Herrn v. Waldhausen in Budenheim b. Mainz zur Verteilung.

1915
Sperrlinge abgeschossen

18. April: Heute wurde wie im Frieden die Konfirmation unserer 5 evangel. Kinder gefeiert. Von den wenigen noch hier befindlichen Soldaten waren, da die meisten kath. Elsäßer sind, keine dabei anwesend, die Gemeinde also seit Ausbruch des Krieges zum erstenmal in der Kirche wieder allein unter sich selbst.
Auf behördl. Aufforderung hin werden jetzt eifrig seit vielen Jahren zum erstenmal wieder die Sperrlinge abgeschossen, damit sie die Nahrung für Mensch und Vieh im Sommer und Herbst nicht schmälern. Die Aussaat und Bestellung geht bei der seit 8 Tagen herrschenden, klaren, warmen und trockenen Witterung rasch und gut von statten, da von Bespannungsmannschaften, die in Nachbardörfern noch einquartiert sind, mit deren Pferden unserer Bevölkerung geholfen wird. Bei der am 15. April erneut vorgenommenen Schweinezählung wurden im Orte ermittelt: 115 Schweine unter ½ Jahr alt, 14 Stück von ½ – 1 Jahr, 4 Stück über 1 Jahr alt.

25. April: Für das „Rote Kreuz“ wurden heute wieder 8,65 Mark gesammelt und in Mainz Mitternacht Nr. 4 abgeliefert. Herrliche Witterung brachte alles Frühobst rasch zum Blühen und alle Feldarbeit geht rasch von statten. Für 5. Mai haben wieder 10 Mann aus hießiger Gemeinde nun ihre Gestellungsorder erhalten und rücken ein. Am 3. Mai brachten von Mainz heimkehrende Bewohner die Nachricht von der Durchstoßung der starken russischen Front in Westgalizien mit und wiewohl die abenteuerlichsten Gerüchte von den Erfolgen einander durchkreuzten und die amtlichen Endresultate noch fehlten, ließ sich doch an der besond. Größe und Tragweite dieser deutsch.-östr. Waffentat nicht mehr zweifeln als die um 8 Uhr heimkehrenden Eisenbähner sie bestätigten.

Die am 9. Mai vorgenommene Aufnahme der Getreidevorräte ergab, da vor kurzem viele Güterwagen voll Getreide von hier mit der Bahn abgegangen sind, nun in hießigen Häusern nur noch einen bis zur Ernte allerdings völlig genügenden Vorrat von 2 Ctr. Weizen, 162 Centner Roggen, 60 Ctr. Gerste, 102 Ctr. Hafer, 23 Ctr. Weizenmehl, 99 Ctr. Roggenmehl.

22. – 23. Mai: Kriegspfingsten voller Erwartung des Italien. Vertragsbruchs und des Kriegsbeginns gegen dieses arme von erkauften Schreiern in den Krieg gehetzten Volk. Ernste ruhige Entschlossenheit unter unseren Leuten, die schlimmstenfalls eine Kriegsverlängerung fürchten.

25. Mai: Glockenläuten verkündet die Gefangennahme von 23000 Russen nördlich von Przemysl am San-Fluß in Galizien. Nach kühlen Tagen erfroren vom …

30. – 31. Mai in den Niederungen nach dem Bahnhof zu vielfach Bohnen und wurden auch Kartoffelstücke schwarz, doch ist der Schaden unbedeutend.

1915
Völliger Ausfall der Kirchweihe

3. Juni: Heute nachmittag 4 Uhr verkündete Glockenläuten unserer  beiden Kirchen die Wiedereroberung von Przemysl in Galizien. Ebenso wie Pfingsten wurde …

6. Juni  … auch Kirchweihe ohne Kuchen und ohne weltliche Lustbarkeit gefeiert, und es wurde sogar am 2ten und 3ten Tag Schulunterricht gehalten. In diesen heißen Tagen voll strahlender Himmelbläue begannen im ganzen Berg die Trauben zu blühen und der allgemein ersehnte Regen will sich nicht einstellen.

12. Juni: Wurde durch die Ortsschelle um Gaben für Liebespackete an alle Harxheimer Krieger im Felde gebeten und kamen am Folgetag hierfür 233 Mk zu Händen der Bürgermeisterei. Dem Betrag entsprechende Eß- und Trink- u. Rauchwaren erhielten alle.
Jetzt werden an monatlichen Kriegsunterstützungen an die Familien hießiger Feldzugsteilnehmer bereits 800 Mk ausgezahlt. Ein 1jähriger junger Mensch von hier ist wegen angeblichem Sittlichkeitsvergehen in der Gemarkung von den Feldgendarmen verhaftet und abgeführt worden. Er sitzt jetzt in Untersuchungshaft und kann darüber nachdenken, wie böse Geschwätze gute Sitten verderben. Büßt 1 Monat Gefängnis.

23. Juni: Läuteten morgens 10 Uhr alle Glocken wegen der Wiedereinnahme von Lemberg durch die verbündeten deutsch-östr. Truppen. Die 257.ste Verlustliste des deutschen Heeres meldet jetzt als leider Tatsache, daß Georg Darmstadt von hier am 24. Mai bei Jaroslau am San-Fluß in Galizien durch feindl. Gewehrschuß gefallen sei.

1915
Haussammlung für die Kaiser-Wilhelm-Spende

27. Juni sammelten die Frl. E. Blase, Anna Brehm, Emilie Böhm und Susanna Roßbach zum Besten der „Kaiser-Wilhelm-Spende“ deutscher Frauen und Mädchen hier in allen Häusern 101,40 Mk, welche an Frau Präsident Laury, Mainz abgesandt worden sind.

28. Juni: Mehrere Flieger zogen in den letzten Tagen übend ihre Spiralen über unserem Dorfe in ganz erstaunlicher Hochfahrt wie Vögel erscheinend.

3. Juli: Heute zogen die Musterungspflichtigen des Jahrgangs 1896 mit Gesang von Vaterlandsliedern durch alle Straßen des Ortes und dann erst zum Bahnhof. Dagegen sind die früher schon ¼ Jahr voraus stattfindenden Umzüge der Musterungspflichtigen mit den gleichaltrigen Mädchen und darauffolgendem Trunk und Backen von hunderten von gespendeten Eiern in diesem Jahre unterblieben.
Auf die spätabend eintreffende telefonische Meldung, daß in Zornheim, Essenheim und Schwabsburg zu Landarbeiten verwandte gefangene Russen flüchtig gegangen seien wurde um 11 Uhr spät die hießige Mannschaft alarmiert und patrouillierte die ganze Nacht hindurch die Ortsstraßen und Wege der Umgebung bis morgens 4 Uhr ab, jedoch erfolglos. Erstere in Mainz, letztere in der Pfalz später wieder eingefangen.

5. Juli: Mit diesem Wochenbeginn haben einzelne Besitzer bereits mit dem Schnitt des reifen Korns begonnen, zu dessen Einbringung sie die Hilfe von russischen Kriegsgefangenen erwarten. Da diese im Darmstadt´schen Tanzsaal untergebracht werden sollen, ist der Schmied Happel damit beschäftigt an dessen Fenstern starke Eisengitter anzubringen um einen etwaigen Fluchtversuch unmöglich zu machen. Ein nächtliches Gewitter hat vom 6/7 d. Mts. endlich einen ersehnten aber noch nicht genügenden Regen gebracht. Alle Bürger, die russ. Kriegsgefangene erhalten, haben sich schriftlich verpflichten müssen, denselben 3 Hauptmahlzeiten und 2 Zwischenmahlzeiten zu geben. Es verbreitet sich die Nachricht, daß Martin Heidenreich (Res. Inf. Reg. 118 / 10. Comp.) am 23. Juni schwer verwundet worden ist.

9. Juli: Stattete Jakob Wahnsiedler, wie die meisten Krieger, die einige Tage in Urlaub aus der Front nach Hause kommen, dem Pfarrhaus seinen Besuch ab und erzählte uns, daß sein 3 1/2 jähriges Töchterchen, seine Eva, ihn, den Vater noch immer nicht wiedererkenne und ihm scheu ausweiche, obwohl er schon 8 Tage zu Hause sei.

17. Juli begannen auf telegr. Nachricht, daß Hindenburg‘s Armeen, 30.000 Russen wieder fangend auf allen Seiten den Vormarsch angetreten haben, gegen 6 Uhr abends wieder alle unsere Glocken zusammenzuläuten.
Daß unseren Reserven der Humor nicht ausgeht, beweist das Aussehen der Autowache an der Mainzer Straße, dort wo die Landstraße nach Ebersheim abbiegt.  Sie trägt die Aufschriften: „Schloß Schnakenburg“ – „Pension pro Mann 60 Pfg.“ – „Nachtglocke, bitte zu drücken“ – „zur Küche“ alles schön in Ölfarbe angemalt, und an dem Fenster befindet sich ein schönes Gittergeländer mit 6 lebenden blühenden Geranientöpfen, davor steht der langbärtige Posten mit dem Gewehr im Arm, die Kameraden pflegen ihre Pfeife rauchend der Ruhe und kritisieren die Passanten.

26. Juli: Der letzte Teil der hießigen Einquartierung ist heute morgen nach Sörgenloch abgerückt und somit der Ort zum erstenmal seit Kriegsbeginn ganz frei von Belegschaft. Auch aus dem Pfarrhaus ging der letzte fort.

1915
Russische Kriegsgefangene hier in Arbeit

27. Juli: Heute sind endlich 20 Mann russischer Kriegsgefangenen unter Aufsicht zweier deutscher Landsturmmänner, letztere mit aufgepflanztem Seitengewehr, angekommen. Ihren Arbeitgebern waren vorher vom Bürgermeister die nötigen Weisungen gegeben. In gänzlich abgerissenem Zustand kamen sie vom Bahnhof her ins Dorf marschiert. Alle in Russischem Feldgrau, teils mit Infanteriemützen, teils mit Schaffellkappen, einer mit schwarzem goldbordiertem Samtkäppchen, die meisten mit kurzen Stiefeln, einer aber auch mit langen Rohrschäften, worin die Hosen stecken, alle mit einem großen grobfadigen grauen Landsack und Kleiderbündel, aber dabei frisch und wohlgenährt, so zogen sie umgeben von der still sich verhaltenden aber zusammenlaufenden Schuljugend in ihren Unterkunftsraum, um nach Ablegung ihrer Sachen sofort zur Arbeit an ihre Kostgeber verteilt zu werden. Feldschütze Mück trägt ihretwegen auf seinen Gängen auch geladenes Jagdgewehr und weiße Armbinde mit Aufdruck: „Hilfswachmann“. Die meisten sind fleißig, verstehen bloß das Wort „Kartoffel“ und „kaput“. Zwei davon röm. kath. Polen besuchen hier die kath. Kirche, die griech. kath. Russen singen Freitag und Sonntagabends ihre Litaneien, während einer von ihnen respondiert. Einer aus Kurland kann schreiben. Sie lernen rasch gut Deutsch und anfangs Oktober schon sagt einer immer wieder: „Schweine unter dem Tisch, kikriki auf dem Tisch, Rußland nix gut“. Ein roter breiter Ölfarbenstrich mitten auf dem Rücken des Rockes und seitlich an den Hosen zeigt an, daß sie Kriegsgefangene sind.

1. August: Um 3 Uhr war Versammlung der Haupt-Haushaltungsvorstände auf dem Rathaus, wobei die Leute vom Bürgermeister über die Verwendung der von Kriegs wegen beschlagnahmten neuen Ernte-Vorräte belehrt wurden.

1915
Stimmung der russ. Kriegsgefangenen

5. August: Heute nachmittag 4 Uhr begannen auf telegr. Nachricht von Warschau´s Fall wie in allen Orten ringsum so auch hier alle Glocken zu läuten und viele Fahnen zu wehen. Leider lassen sich viele Bewohner nicht dazu belehren, durch Flaggen ihre Freude über die Erfolge der deutschen Waffen zu bezeugen. Im Jahre 1870/71 soll es hier anders gewesen sein. Auf die russischen hieß. Kriegsgefangenen machte die Nachricht einen niederschlagenden Eindruck. Einer äußerte: „Warschau kaput – alles kaput“ – ein anderer: „W. kaput – Friede schnell“, auch: „W. kaput – Krieg kaput“. Die Wachmänner essen sich mit „Wandeltisch“ durch.

1915
Unwetter im Sommer

10. Aug: Heute ½ 4 Uhr ging ein wolkenbruchartiger von Zornheim her kommender Regen in Dorf und Gemarkung nieder, der innerhalb weniger Minuten alle Straßen in ihrer ganzen Breite fußhoch überflutete und handhoch Schlamm absetzte. Daß er keinerlei Schaden mit sich brachte und bei der großen Trockenheit auch für Kartoffel und Rüben rechtkam ist besonders erfreulich. Seit 1872 soll solch ein Unwetter hier nicht erlebt worden sein.
Der schwer verwundete Christian Rösch, der im Lazarett in Heidelberg lag, ist ziemlich wieder hergestellt von seinem Lungenschuß, kann jedoch nicht mehr in der Front verwandt werden und wird entlassen. Das hieß. Gemeindeglied Johannes Deiß (1. Park. Kompagnie des Pionierreg. 25 des 23. Reservearmeekorps ist als leichtverwundet gemeldet.

18. Aug: Um 12 Uhr mittag festliches Glockengeläute wegen Eroberung der russ. Festung Kowno und noch um 5 Uhr Bekanntmachung durch die Ortsschelle, daß auf Befehl des Kaisers die Festung Mainz um 5 Uhr 60 Salutschüsse durch ihre Geschütze abzugeben habe, was, um Verwechslung mit Flieger-Signalen zu vermeiden, bekanntgegeben wurde (bei feindl. Fliegerangriffen werden als Warnungszeichen auch Kanonenschüße abgegeben.)

26. Aug: Nachm. 5 Uhr Gedenkgeläute wegen Erstürmung der russ. Festung Brest-Litowsk.

1915
Kirchl. Gedächtnisfeier für hieß. Gefallene

29. Aug: Am heutigen Sonntag wurden im Anschluß an den Gottesdienst für die bis jetzt als „gefallen“ gemeldeten evang. Gemeindeglieder Christian Happel, Richard Hammen und Gg. Darmstadt je ein von ihren Altersgenossen gestifteter Gedächtniskranz vor zahlreich versammelter Gemeinde (auch Katholiken waren anwesend) in feierlicher Weise an der Innenwand der Kirche aufgehängt. Nach der Predigt des Tages über Röm. 12/11 + 12 sangen die Schulkinder zweistimmig: „Unter Lilien“, der Geistliche hielt vom Altar aus eine weitere Ansprache über I Marc. Cap. 9/10, verlas sodann die 3 Lebensläufe, worauf unter Zusammenläuten der Glocken jeder Kranz für sich, einer nach dem anderen, durch die gewählte Altersgenossin zum Aufhängen überreicht wurde. Dann trug noch Frl. Emilie Trapp ein Gedicht über die Schlacht bei Maissin-Anloy vor. Die Schulkinder sangen zweistimmig 489, der Geistliche sprach ein entsprechendes Schlußgebet und die Gemeinde sang 498/1 wie bei allen Leichengottesdiensten. Damit war die eindrucksvolle Feier zu Ende.
Es kommt die Nachricht hierher, daß Friedrich Roßbach (Res. Inf. R. Nr. 127, 9te Comp.) verwundet in Warmbrunn liegt. Schwerer „Dum-Dum“-Schenkelschuß.

1915
Guter Weinherbst

23. – 26. Sept: Lese der Portugieser-Trauben; teilweise enormer Ertrag, gut reif, Preis per Pfund 20 Pfg (1 Stück 600 Mark = 1200 Liter gekeltert). Herrliches Sommerwetter seit Anfang des Monats bis jetzt. Herr J. G. Stößel erntete hier von 109 Klafter Wingert 32 Centner und Weinhändler Lotz von einem weiteren Weinberg in Hahnheim 1 1/8 Morgen = 600 Klafter groß 116 Centner Portugiesertrauben. Die Qualität des Weißherbstes übertrifft die von 1911.

1. Okt: Bei der heute vorgenommenen Viehzählung fanden sich hier im Orte 200 Stück Rindvieh, 154 Ziegen, 196 Schweine, 1301 Stück Federvieh. Bei einem für die Qual. sehr geringen Preis von 500 Mk per Stück erfolgte der …

1915
Kupferkessel abgeliefert

11. Okt. Beginn des allgemein. Weißherbstes auf das Zeichen das morgens 7 Uhr die mittelschwere Glocke unserer Kirche dafür gibt. Mittags Zusammenläuten aller Glocken wegen der Erstürmung der Festung Belgrad durch deutsche und östr. Truppen. Heute ist nochmals von der Bürgermeisterei ein „Kupfertag“ angesetzt, d. h. im Schulhaus wägt Schmied Happel als bestellter Sachverständiger die von der Bevölkerung freiwillig überbrachten Metalle Kupfer, Messing, Nickel ab und Bürgermeister Böhm händigt sofort den Überbringern ihre Bescheinigungen aus. Es sind schon viele Kupferkessel, Küchengeräte, Messingkrahnen u. s. w. abgeliefert worden. Die Stadt Mainz hat das viele Küchengeräte aus ihrem Schick´schen Hause nach Mainz zur Ablieferung fahren lassen. Die 354. Verlustliste des Heeres meldet vom Landw. Inf. Regt. 116 in der 8. Compagnie „Pusch, Wilh. von hier als schwer verwundet“. Anfang Dez. hier in Urlaub und somit wieder hergestellt.
(11. Okt. Glockengeläute wegen Einnahme von Belgrad durch Armee Makensen.) Jetzt gegen Ende Oktober ist bei prächtig sommerlichem Wetter auch die Kartoffel- und Rübenernte, die beide überreich ausfiel, zu Ende gegangen. Nun geht es an das Schweineschlachten, das für manche insofern erschwert ist, als sie die sie den eigenen Kupferkessel abgeliefert haben, einen neuen eisernen Emaillekessel aber so schnell nicht geliefert erhalten haben, entweder des Nachbars oder des Metzgers festen oder des Dorfschmieds transportablen Kessel leihweise benützen müssen. An die Bewohner sind am 1. Nov. rund 500 Mark für abgeliefertes Metall und 6242 Mark für von dem Militär voriges Jahr verursachte Flurschäden in der Gemarkung von der Gemeinde-Einnehmerin ausgezahlt worden.

1915
Weihnachtsspende
Jeder erhielt ein Packet enthaltend: 1 Paar Strümpfe, 1 Tafel Schokolade, 10 Zigarren, nebst Zigaretten so ½ Pfd Leberwurst und ½ Pfd Fleischwurst geräuchert.

7. Nov: Heute sammelten größere Mädchen von allen Bewohnern für Weihnachtssendungen an unsere hieß. Krieger in der Front rund 300 Mark und die Frauen stricken zu diesem Zwecke Strümpfe. Das Obst, das heute den Erntedankfestaltar in seltener Güte und auserlesener Schönheit in reicher Fülle geziert hat, wird von den Konfirmanden, die es gesammelt haben, an die Verwundeten in den Lazaretten zu Mainz verteilt werden.
Die 368. Verlustliste meldet Christian Rösch von hier (Inf. Reg. Nr. 117/3. Comp. als „vermißt“, doch liegt derselbe im Lazarett zu Mainz. Bei der am 10. Nov. vorgenommenen Zählung der jetzigen Kartoffelvorräte im Dorfe wurden 5400 Centner festgestellt. Bei einzelnen Besitzern mußten die Zähler um der Wahrheit vermutlich näher zu kommen, deren Angaben verbessern, in einem Falle z. B. die „60 Centner“ zu „250 Centner“ umändern. Überschätzt wird trotzdem noch kein Besitzer sein. Etwas genauer werden die bei der am 16. Nov. vorgenommenen Aufnahmen der Getreidevorräte (ausschließlich Gerste) gemachten Angaben sein. Die hießigen Besitzer sollen danach lagern haben 1373 Ctner. Roggen, 26 Ctr. Weizen, 409 Centner Hafer, 52 Centner Roggenmehl, 7 Ctner Mischmehl. Am 13. Nov. hat unser früherer Postbote Gremm von hier in Frankreich das „Eiserne Kreuz“ erhalten; es ist ihm nebst 5 anderen Kameraden in einer Mühle vom Kronprinzen des deutschen Reiches selbst eigenhändig überreicht worden.

19. Nov: Heute wird durch die Ortsschelle bekanntgemacht, daß alle Männer vom 17. – 55.sten Lebensjahr sich an den Feuerwehr-Übungen beteiligen sollen, da alle Männer aus den besten Jahren im Kriege sind. Unser Pfarrhaus-Nachbar: Landsturmmann Christ. Schneider, der auf dem serbischen Kriegsschauplatz bei einem Sturm durch das Waldgestrüpp sich stark die Augen-Hornhaut verletzt hat, liegt seit Anfang November im Kriegslazarett des I. bayr. Res. Corps: im Gymnasium zu Weißkirchen in Ungarn, hat, mit 12 anderen, Östreichern und Deutschen im Saal, gutes Bett, gute Kost und geht ihm besser.

1915
Herbstspende von Frauen und Mädchen in den Lazaretten zu Mainz

23. Nov: Heute brachten 50 erwachsene hießige Mädchen und Jungfrauen 26 Körbe voll allerlei Eßwaren und Leckerbissen in die beiden Rotekreuz-Kriegslazarette: in der Liedertafel und im Gutenberg-Kasino zu Mainz die 60 Flaschen hießigen Weins schenkten sie an die Empfänger selber aus, mit schwarz-weiß-roten Schildchen verzierte hausgemachte Wurst, Blumen, Eier, Schinken, Zuckergebackenes, Kuchen, Torten, Äpfel, Birnen, Trauben, Nüsse, Zigarren und Zigaretten teilten sie aus, einen Lendenbraten von 10 Pfund, gefüllte Hühner, Tauben, Hasen, eingemachte Früchte, Johannisbeersaft, Gemüse lieferten sie in den Küchen ab. In einem Krankensaale des Gutenberg-Kasinos trug Frl. Anna Friedrich, in einem anderen daselbst Frl. Erna Blase ein passendes Begrüßungsgedicht vor – in der Liedertafel beehrte Frl. Emilie Trapp die Verwundeten ebenfalls mit einem Gedichte. Sowohl der Chefarzt des Casino-Lazaretts Dr. Friedrich als der Vorstand des „Roten Kreuzes“ sandten der Gemeinde Harxheim Dankschreiben zu.

2. Dez: In der Schule zeigte heute der Schüler Kurt Blase „russisches Brod“, etwa 10 ctm große runde hartgebackene Kringel aus Weizenmehl, die ein russischer aus Moskau stammender hier bei Philipp Ackermann arbeitender Kriegsgefangener, Iwan Rutschkin, nebst Thee und Zucker von seiner Frau aus seiner Heimat geschickt erhalten hat.

1915
Große Kriegsverdienste 1916 u. Folgezeit.

Erdöl fehlt für die Beleuchtung.

6. Dez: Durch die Ortsschelle wurde heute bekannt gemacht, daß es bei Brandfällen im Dorfe mit unseren beiden kleinen Glocken, bei solchen in den Nachbargemeinden mit der kleinsten, bei Flieger-Angriffen mit der großen Glocke das Zeichen geben werde. Hier sei bemerkt, daß seit Anschaffung der neuen Glocken immer wieder von Seiten des evangel. Pfarramts auf eine entsprechende Vergütung für das ständige Benützen und die öfteren Beschädigungen von seiten der bürgerlichen Gemeinde gedrängt wurde, bei der völligen Verständnislosigkeit des Gemeinderats mit dieser Forderung jedoch nicht durchzudringen war, obwohl früher die bürgerliche Gemeinde die Unterhaltungskosten ganz trug und dies in dem kathol. Gau-Bischofsheim noch heute sogar bezüglich aller kirchlichen Bedürfnisse der Fall ist.
Seit Samstag 4. Dez. ist die Autowache an der Einmündung an der Ebersheimer-Straße in die Mainzer Landstraße entfernt, das Wachhaus in die Barakenlager im „Kesseltal“ gebracht. Die Artill.-Posten aber an den Batterie-Unterständen rechts und links der Straße dort stehen jedoch noch.
Infolge großen Heeresbedarfs haben auch die hießigen Schneider seit Kriegsbeginn einen glänzenden Verdienst. So liefert eine Familie, deren sämtliche Glieder mitarbeiten, alle 2 Tage 20 Paar Militärhosen in Mainz, für deren Zusammennähung je 2,40 Mk bezahlt werden, also wöchentlich 140 bis 150 Mark Verdienst. Eine andere, die noch nicht einmal gelernte Schneider in ihrer Mitte zählt, verdient noch mehr ebenfalls durch Hosen-Nähen. Durch die Fürsorge Großh. Kreisamts Mainz sind der Gemeinde nach einer im September erfolgten Umfrage jetzt 52 Liter Erdöl zur Ausgabe an diejenigen Bürger, die es benötigen, angeliefert worden, welche, am 10. Dez. durch den Polizeidiener-Stellvertreter Heidenreich in Laubenheim abgeholt, in dessen Wohnung zum Preis von 33 Pfg das Liter ausgemessen wurden. Nächste Woche soll noch ein größeres Quantum mit Wagenfuhre von Mainz kommen. (Die Krämer geben seither ihre kleineren Vorräte immer nur an ihre Kunden ab zu dem von der Regierung angesetzten Höchstpreis von 32 Pfg das Liter. Es erhält aber keiner einen ganzen Liter, sondern oft nur ½ Schoppen. Trotz dieser kleinen Zufuhr kamen die meisten Bewohner am Folgetag wie so oft schon früher infolge Unterbrechung der elektrischen Stromleitung in die peinlichste Verlegenheit. Weder auf den Straßen noch in den Häusern brannten die elektrischen Lampen. Also sitzen die einen dunkel, die anderen brennen Kerzen, soweit solche zu haben sind. Der starke Sturm hat wieder der Überlandzentrale Schaden gebracht. Eine weitere Erdöl-Sendung von 140 Liter traf hier mit dem Tankwagen am 21. Dezember ein und wurde nach vorher aufgestellter Liste von der Bürgermeisterei verteilt. Durch eine bei den Evangelischen des Ortes hier am 19. Dez. vorgenommene Sammlung der Konfirmanden war es möglich eine ganze Reihe von Bittgesuchen zu erfüllen und an den „Invalidendank“ Berlin 5 Mark, den „Kaiserindank“ für aus Feindesland vertriebene Landsleute 2 Mark, dem „Hindenburgfond“ für deutsche Flüchtlinge 2 Mark, der „Kriegs-Invalidenhilfe für verlorene Gliedmaßen“, Berlin 3 Mark, der „Ostpreußenhilfe München“ 10 Mk, dem „Reichsdeutschen Hilfs-Ausschuß für die südlichen Alpenländer“ 10 Mk, dem „Verein für Deutschtum im Ausland für die kämpfenden Söhne unseres Volkes“ 3 Mk, dem „Marinedank“ 2 Mk und dem Elisabethenstift in Darmstadt zur Weihnachtsfeier für die Kriegsverwundeten im Stift 10 Mk zu übersenden. Es wird durch die Ortsschelle heute:

1915
Versagen der elektr. Beleuchtung Winter 1915/16

24. Dez: bekanntgemacht, daß das Kuchenbacken vor Weihnachten und Neujahr erlaubt ist, ferner daß es der Jugend bei Strafe der Eltern bis zu 100 Mark streng verboten sei die kriegsgefangenen Russen anzulachen, zu verspotten oder zu schimpfen wie dies vorgekommen sei. Also trotz oft wiederholter Ermahnungen in der Schule. Alle unsere Krieger erhielten Weihnachtspacketchen auch von der Spar- u. Darlehenskasse, enthaltend Likör und Zigarren und Wurst.

29. Dez: Heute geht Gendarm mit dem Polizeidiener unangekündigt von Haus zu Haus und untersucht in Gegenwart auch zweier Gemeinderäte alle Keller und Speicher die Vorräte von Kartoffeln und Frucht, ob sie mit den früher gemachten Angaben der Besitzer übereinstimmen.

1915
Weihnachtsspenden der Schulkinder an die Lazarette in Mainz

30. Dez: Heute besuchten die hießigen Schulkinder die Mainzer Kriegslazarettgäste, die in der „Liedertafel“ gepflegt werden, jedes mit geschmückten gefüllten Körbchen aus dem es dann selbst allerlei Leckerbissen an die Verwundeten austeilte. Dort wurden sie zusammen photographiert und befinden sich die Bilder in Händen vieler Kinder.
Es werden jetzt hier monatlich über 1100 Mark an Kriegsunterstützungen an die Familien der Feldzugsteilnehmer bezahlt, und ist diese Summe monatlich noch im Steigen. Die hier untergebrachten kriegsgefangenen Russen haben in fast allen Häusern, wo sie arbeiten, ein kleines Christgeschenk erhalten. Zwei von ihnen gehen in die römisch-kath. Messe, die anderen lassen sich mit hinziehen, gehen aber dort nicht zur Beichte. Im ev. Gottesdienst ist noch keiner gewesen, obwohl dem Schreiber dieser Zeilen ein „Ausweis zur berechtigten Ausübung der Seelsorge an den Kriegsgef. des Arbeitskommandos Gemeinde H.“ in Haus und Kirche von der Kommandatur des Kriegsgefangenenlagers Worms ausgestellt ist. Es sind also keine Evangelischen bis jetzt darunter. Bei mildem Wetter ist in tiefster Stille auf den Straßen das alte Jahr zu Ende gegangen und hat viel Sorgen und Wünsche für das neue zurückgelassen. Möge es den endgültigen Sieg und Frieden bringen.

 

Würth, Pfarrer

Jahr Christi 1916

Der erste Gottesdienst am Neujahrsmorgen, für den wir das Lied „Das Jahr geht still zu Ende“ hatten gleich vielen anderen Gemeinden drucken lassen, war so zahlreich besucht, wie niemals nach Aussage des Kirchenvorsteher.

Seit 8. Jan. wird bei H. Bürgermeister Böhm die Teigmasse zum Brodbacken elektrisch verarbeitet, ebenso wie in der Kellerei von Lotz die Weintraubenmühle seit 1913 elektrisch betrieben wird. Immer geht das Gerede, daß auch Harxheim eine „Scheinwerfer-Abteilung“ beherberge, d.h. solcher, die sich mit Geldscheinen ihre weitere Beurlaubung zu erkaufen suchten, woran freilich Schreiber dieses nicht so recht glauben kann. Die Kunde von dem am

12. Jan. erfolgten Explosions-Unglück durch Munition der deutschen Truppen in den Kasematten der französischen Festung Lille ruft bei den hießigen älteren Bewohnern lebhaft die Erinnerung an die Explosion des gefüllten Pulverturmes der Festung Mainz im Jahre 1857 am 18. Nov., die hierselbst die Erde erzittern machte, ohne daß sich die Bewohner über die Ursache klar waren, bis uns aus der Stadt zurückkehrende Bewohner sie aufklärten.

1916
Wind u. Sturm

13. Jan: Unsere Hühner haben uns heute das erste Ei in diesem Jahre gelegt; es ist dies ein längst erwünschtes Ereignis, da frische Eier eben hier das Stück mit 33 Pfg bezahlt worden sind, wo sie vor dem Krieg zu dieser Jahreszeit zu 10 – 12 Pfg zu haben waren. Bei der jetzt vorgenommenen Revision der Getreide-Aufnahme wurden 339 Centner Roggen mehr aufgefunden als die Besitzer am 16. Nov. angegeben hatten. Allerdings war damals auch noch nicht alles gedroschen. Der starke Sturm in der Nacht vom 14/15. Jan. hat an unserer Kirche einen großen Teil des Dachkandel heruntergerissen und an vielen alten Apfelbäumen Schaden angerichtet.

6. Febr.: ein Zeppelin-Luftschiff fuhr heute in der Morgenfrühe mit blendendem Lichtstrahl über unseren Kirchturm die Ortstraße entlang ganz niedrig. Unser Kirchenrechner Jak. Böll ist als Aufnehmer der hießigen Getreide- und Kartoffelvorräte vereidigt worden und Heinrich Ackermann ist obrigkeitlich dazu bestellt worden, das abzuliefernde Getreide zu verwiegen und die Säcke zu blombieren (das zum Mahlen von den „Selbstversorgern“ in die Mühlen gebracht wird). Die Besitzer starker Nußbäume müssen diese anmelden.

25. Febr: Abends 6 Uhr allerorts auch hier Glockengeläute wegen des Siegestelegramms von Verdun her. Ebenso am folgenden

26. Febr: morgens ½ 12 Uhr wegen Erstürmung des Panzerfort Douaumont bei Verdun. Viele Häuser flaggen.

1916
Schützengräben auf unseren Höhen wieder eingeebnet

27. Febr: Heute Sonntag werden die russ. Kriegsgefangenen vom Wachhabenden im Trupp spazieren geführt. Russische Lieder singend marschieren sie in den Dorfstraßen umher, bis das Kommando: „stoi“ („Halt“) erschallt. Mit dem Singen wollen sie den Eindruck verwischen, den die deutschen Erfolge bei Verdun auf sie machen. Von dorther hört man schon manche Tage die schweren Geschütze dumpf dröhnend rollen, besonders deutlich von unserem Berge aus. Man faßt es auch als günstiges Zeichen auf, daß die Feldbesitzer durch die Ortsschelle aufgefordert wurden, die durch ihre Berggrundstücke führenden vor 1 ½ Jahren ausgehobenen Schützengräben wieder einzuebnen und das von Ersatzreservisten die nichtbetonierten Unterstände, auch die gedeckten Batteriestände an der Landstraße-Abzweigung nach Ebersheim entfernt werden. Die am 20. Febr. letzthin abgehaltene Generalvers. der Momm.-Harxh. Spar- und Darl. Kasse verwilligte aus dem Reingewinn des abgelaufenen Jahres der Gemeinde Harxheim 450 Mark, welche aber zu Liebesgabe-Sendungen an die im Felde stehenden Harxheimer verwandt werden sollen.

9. März: Allgemeine Ablieferung der Kupferkessel im neuen Schulhaus, wo sie abgewogen und zunächst aufbewahrt werden.

12. März: Vortrag von Lehrer Koch aus Mommenheim über die 4. Kriegsanleihe des Reiches im oberen Schulsaal war sehr gut besucht und eine Büchsen-Sammlung der Konfirmanden zum Besten der deutschen Soldaten-Heime in Belgien u. Frankreich ertrug 13,27 Mark.

17. / 18. März: Heute morgen flog – ohne daß wir es merkten ein Zeppelin um 4 Uhr in ganz geringer Höhe über das Pfarrhaus.

27. März: Heute durcheilte die Trauerkunde den Ort, daß Fritz Wahnsiedler von hier am 25. Febr. durch Brustschuß nördlich der Festung Verdun schwer verwundet worden und am gleichen Tage seiner Verletzung erlegen sei. Seine Nachlaßsachen nebst Mitteilung von Ltn. Zepelin, seinem Kompagnieführer, gingen dem Vater hier zu, ebenso ein Beileidsschreiben seines treuen Freundes und Kameraden Hornist Joh. Knab von Gau-Bischofsheim, der noch mitteilt, sie seien an dem Tag u. seit 3 Wochen her so im Granatfeuer gewesen, daß jetzt 15 Mann von der Kompagnie noch übrig seien, die nicht tot oder verwundet seien. Zum ehrenden Gedächtnis an ihn wurde am 16. April ein Kranz in unserer Kirche aufgehängt. Tot gemeldet in Verlustliste Nr. 503 Text: I. Math. V. 9/21

1916
Geschützdonner vor Verdun hier zu hören

2. April, ebenso 3 u 4 ter April hörte man das „Wumb“-„wumb“ der Belagerungsgeschütze vor Verdun so stark, daß viele Fenster klirrten.

6. April: Auf dem Berg und hier im Ort ist viel Holz von Faschinen u.s.w. aus den entfernten Schützengräben und Unterständen billig versteigert worden, das die Militärverwaltung der Gemeinde überlassen hat. Eisenbahnsoldat Ludw. Friedrich hat aus Üsküb in Serbien ein paar sehr originelle dort gekaufte serbische Kinderschuhe aus gutem farbigem Leder an seine Angehörigen hier geschickt Strümpfe und seidene Tücher u.s.w. sind aus Serbien auch schon hierher gekommen, Obengenannter hat auch eine ½ Fuß große lebende Schildkröte geschickt.

15. April: Bei der heutigen Zählung der lebendigen Vieh- und geschlachteten Fleisch- und Wurstvorräte wurden im hießigen Orte festgestellt: 499 Pfund Lackfleisch, 4753 Pfd Rauchfleisch, 5 Pfd Büchsenfleisch, 2058 Pfund Wurst. Die zugleich vorgenommene Viehzählung ergab 21 Pferde, 14 Kälber unter 3 Monate alt, 41 Stk Jungvieh unter 2 Jahre aber über 3 Monate alt, 20 Ochsen über 2 Jahre, ebenso 108 Kühe, 0 Schafe, 15 Ferkel unter 8 Wochen alt, 93 Schweine 8 W. bis ½ Jahr alt, 20 Schweine bis 1 Jahr alt, 1 über 1 Jahr alt und 4 Zuchtschweine (zum Vergleich mit vorigem Jahre síehe Seite 126). Herr Kirchenrechner Böll verkaufte dieser Tage ein junges Kälblein im Gewicht von 106 Pfund zum „Lebendgewichtpfundpreis“ von 1,35 Mark, erlöste sonach den unerhörten Preis von 143,10 Mark für dieses Schlachttier. Ein Pfund kostete in Wiesbaden 5,50 Mark.

22. April: Zu Ostern war bei den hießigen Metzgern kein Fleisch zu erhalten. Aber bei der Kartoffel-Vorrats-Aufnahme am 26. April waren im Orte noch vorhanden 1773 ½ Centner nach Angabe der Besitzer.

30. April: Zusammenläuten aller Glocken wegen der Gefangennahme von 13300 Engländern durch die von deutschen Offizieren geführten Türken in Mesopotamien bei Kut-al-Amara sowie von 5600 Russen am Narorzsen durch die von Hindenburg geführten deutschen Streitkräfte.

1916
Blitzschlag in die hieß. kathol. Kirche

Bei dem Gewitter am 2. Mai schlug abends, wie sich zeigte, der Blitz in die katholische Kirche ein und zersplitterte verschiedene Fensterscheiben, ohne sonst viel Schaden anzurichten. Die Kirche ist – seit der Blitz in früheren Jahren hier einmal eingeschlagen hatte – mit Blitzableitern versehen. Trotzdem! Wahrscheinlich waren dieselben nicht in Ordnung. Der evang. Kirche fehlen dieselben leider noch ganz.

Die vor vierzehn Tagen eingelaufene Nachricht hat sich bestätigt, daß Georg Friedrich von hier am Abend des 24. April in den Kämpfen bei Verdun gefallen sei und nordöstlich der Höhe „der Tote Mann“ jetzt begraben liege. In der 5. Comp. des Preuß. Res. Inv. Rgts. 203 lag er zuerst vor Warschau, hat dann den Feldzug in Serbien mitgemacht, ist nach dessen Beendigung nach Frankreich gegangen, am 27. Juni 1915 zum Gefreiten befördert worden und dann durch einen Granatschuß geblieben. Von dem „Nachlaß“, der seinen Angehörigen (Vater und Geschwister) zukam, soll, wie diese versichern, nichts sein eigen gewesen sein. Laut Mitteilung des Regimentsvizefeldwebels Riedel ist die Grabstätte durch Kreuz mit Inschrift bezeichnet. Totgemeldet in Verlustliste 543. Hat ein Tagebuch hinterlassen.

21. Mai: Der Bürger Johs. Schweitzer von hier hat ausnahmsweise die Erlaubnis erhalten sein Schwein zu schlachten, mußte aber die Hälfte davon pfundweise gegen Bezahlung an diejenigen Bürger abgeben, die im letzten Jahre nicht geschlachtet und deshalb seit Wochen kein Fleisch ins Haus bekommen konnten, da die Metzger keins haben.

6. Juni: Der jetzt in Urlaub hierher heimgekommene beim San. Battl. in Wilhelmshaven dienende Gottlieb Diether erzählt von dem ungeheuren Jubel, der in Kiel-Wilhemshaven ausgebrochen sei und den er dort miterlebte als die dort stationierten Streitkräfte der deutschen Kriegsflotte nach dem großen Seesieg bei Jütland (Skagerrak) am 1. Juni heimkamen. Am 1. Pfingsttag waren gleichzeitig 24 hießige Urlauber aus den Front- und Etappengebieten hier anwesend. Des Nachbar Schneiders Ziege muß ein einem Stück Ofenrohr ähnliches Halsband tragen, weil sie gelernt hat in dieser mageren Zeit sich auf die einfachste Weise zu ernähren. „sie trinkt sich am eigenen Euter satt“, sagen die Leute.

1916
2ter Ausfall der hieß. Kirchweih

25. Juni: Kirchweihefest ohne die üblichen Festfreuden und für viele ohne Fleisch im Topf; das der Gemeinde zur Verfügung stehende Schweinchen war in einer halben Stunde verteilt und viele kamen zu kurz, besonders da die Katholiken viel Besuch von auswärts hatten und zum ersten mal in größerer Weise ihren Umzug durch die Ortsstraßen gehalten haben.
Ein arbeitsscheuer Russe bei Adam Reichert, den man in den Schweinestall sperrte, erklärte lachend: „Hierdrin schön, nix arbeiten, draußen nix gut arbeiten“. Ein anderer bei Altbürgermeister Frieß-Trapp konnte seine Trinkgelüste immer wieder nicht bezähmen, bis er – der sonst sehr fleißige Dimitri Nekrazo aus Serbien – schließlich die Kellertür erbrach und an einem Zapffäßchen mit einem heimlich mitgeführten Gummi-Schläuchelchen sich derart volltrank, daß er nicht mehr stehen konnte. Am Kopf hatte er eine Narbe, die ihm im Aufstand 1905 ein Kosak beigebracht hatte, als er in Moskau bei den Bombenwerfern sich bethätigte. Kam jetzt nach Worms zurück. Er wurde infolgedessen nach dem Gefangenenlager in Worms zurückgebracht und durch einen anderen ersetzt. Ein hießiger „Wachmann“, der Sachse Schäferlein hat einen Landstreicher hier verhaftet und abgeführt der nur wenig gebrochene deutsche Worte verstand und ein verkleideter belgischer Kriegsgefangener gewesen sein soll.

16. Juli: In allen Höfen laufen in Schaaren die kleinen Hühnchen herum, da infolge der Fleisch- und Eierknappheit und Teuerung die Leute alle brütefähigen Hühner auch brüten lassen, manche haben 9 – 10 „Glucken“ gesetzt.

20. Juli: Heute haben die hieß. Schulkinder unter Führung ihres Lehrer in Mainz die „Kriegssäule“ benageln helfen. „Deutschland hoch in Ehren“ und „Deutschland, Deutschland über alles“ sangen sie dabei. Heute ist das erste Roggenkorn geschnitten worden. Im Tal haben schwere Regen viel davon zum Liegen gebracht, aber schwer wiegt es doch. Es sind der hieß. Bürgermeisterei 2 Centner ungeschälter Hirse zur Fütterung der kleinen Hühner zur Verfügung gestellt worden, die in 10 Minuten bereits beim Ortseinnehmer verteilt und vergriffen waren.

14. Aug: Heute kamen mit Eilwagen Offiziere aus dem Gefangenenlager Worms hier durch nach Gau-Bischofsheim, weil die dortigen Russen die Arbeit verweigerten und sich unbotmäßig benahmen. Geheimzettel, die sie aus ihrer Heimat in Brodpacketen erhalten haben sollen und die ihnen russischen Siege meldeten, sollen sie dazu verleitet haben. Nur durch körperliche Züchtigungen schwerster Art nach russ. Gesetz konnten sie wieder zurecht gebracht werden.

22. Aug: Wieder stehen sie an einem Tor zusammen und weinen: Jakob Wahnsiedler soll durch Gewehrgranate getroffen sofort gestorben sein. Die Kinder von ihm sitzen in der Schule und wissen noch von nichts. Er war Inhaber der Tapferkeitsmedaille und Gefreiter der Landwehr in der 2. Comp. des Inf. Rgts. 365. Vom 16. Aug. 1914 im Feld u. zwar immer in Frankreich focht er schon am 20. Aug. in der großen Schlacht in Lothringen (S. S. 100 oben) hernach in zahlreichen Gefechten der dortigen Gegend mit. Sein Tod wird in der Verlustliste Nr. 631 gemeldet. Er hinterläßt eine Witwe und 3 Kinder. Im Priesterwald bei Pont à Mousson fiel der am 20. Aug. 1916. Auf dem Militärfriedhof in Villers hat ihn sein Camerad Joh. Schneider von hier begraben helfen und sein Camerad Gg. Hammen hat das Kreuz darauf gefertigt.

1916
Ortssitte und Brauch

3. Sept: Heute wird hier die älteste der drei ledigen Fräulein Lambinet beerdigt, die der hieß. kath. Gemeinde schon viele Tausende an Stiftungsgeldern für alle möglichen kirchl. Zwecke zugewandt haben, wie sie der evangel. Kirche Harxheim seit ihrem vielhundertjährigen Bestande nicht zuteil geworden sind. Wiewohl 82 Jahre alt wurde sie doch nach alter hießiger Sitte wie alle Ledigen in weißem Sarg, weißem Kleid, geschmückt mit bräutlichem Kranz begraben.

10. Sept: Heute fand für die wieder im Kriege gefallenen Gg. Friedrich, Karl Rösch (S. S. 148) und Jak. Wahnsiedler (S. vorige Seite) in der Kirche eine größere Gedächtnisfeier statt, ähnlich wie am 29. Aug. 1915, wobei diesmal von der Gemeinde ein besonderes Gedächtnislied von Zetteln: „ Treuer Gott, zu Dir allein“ gesungen wurde.

Auch ihnen haben ihre Altersgenossen herrliche Kränze gestiftet. Die Gemeinde war vollzählig versammelt.

Die Schulkinder sangen diesmal dabei: „Morgenrot, Morgenrot! Leuchtest mir und Frl. Emilie Trapp trug das Gerok´sche Gedicht: „Es geht durchs Kreuz zur Krone“ vor. Das Zettellied wirkte erschütternd, als es die Gemeinde sang weinten viele.

Foto von der Todesnachricht von Karl Rösch, der am 16.05.1916 bei Bethincourt/Verdun fiel
Bild: Peter Rösch, Harxheim

1916
Kriegsanleihezeichnung

6. Okt: Die beiden Russen bei Frau Gg. Happel sind seit gestern ins Gemeindespritzenhaus gesperrt, weil sie die Arbeit in böswilliger Weise verweigert haben. Lager-Offiziere aus dem Gefangenenlager in Worms haben ihnen dann „handgreiflich“ ihre Pflichten klargemacht. Bei der V. Kriegsanleihe wurden in Harxheim und Mommenheim bei unserer Spar- und Darlehenskasse 200.000 Mk gezeichnet. Die Schulkinder von Harxheim allein zeichneten ……… Mark diesmal. Hals über Kopf suchen jetzt am 20. Okt. die Leute Rüben und Kartoffel einzubringen, da es bis zum …

1916
Weihnachtsspende für die Truppen

23. Okt. … mehrere Nächte schon stark gereift hat. Der Rotherbst fällt hier schlecht aus, aber jedes Viertel kostet 8 – 10 Mark (= 8 Liter Trauben). Zur Weihnachtsweinspende für die Truppen des XVIII. Armeekorps wurden hier im Ort 300 Flaschen und ein Fäßchen von 30 Liter besten 15er gespendet.

31. Okt: Allgemeiner Weißherbst. Die Aiche Trauben (gemahlen) wird mit dem hier wohl noch nie erzielten Preise von 72 Mark bezahlt. Dabei gibt es etwa 1/3 Herbst. Qualität schlecht und kaum Zucker zum Verbessern.

6. Nov: Nachdem infolge der Kriegsverhältnisse die Mitarbeit der großen Schulkinder in Feld und Berg immer nötiger geworden war, wurden volle 4 Wochen die diesj. Herbstferien angesetzt, und hat heute erst der Unterricht wieder begonnen.

12. Nov: Bei dem heutigen Erntedankfest standen zu Füßen des Altars unserer Kirche unter anderen Schmuckstücke 2 Runkelrüben im Gewicht von 27 und 35 Pfd. Obst und Gemüse vom Altar bringen die Konfirmanden in die Kriegslazarette in Mainz (S. S. 154).

19. Nov: In große Aufregung geriet heute morgen der Ort, als es hieß aus dem mit einem Vorhängeschloß verwahrten Stalle von Hilar. Deiß sei ein über 2 Centner schweres Schwein gestohlen worden. Glücklicherweise ward es aber 3 Stunden nachher in den „Achtmorgen“ lebend wieder aufgefunden. Auf welche Weise es den Weg zur Freiheit fand, ist unaufgeklärt.

21. Nov: Mit den Konfirmanden gingen heute 41 größere Mädchen unter Führung des Bürgermeisters Böhm und der Kleinkinderschulschwester mit etwa 29 Körben voll Wein, Obst, Wildbret, Kuchen, Torten, Geflügel, Zigarren u. s. w. in die Kriegslazarette des Gutenberg-Casinos und des St. Joseph-Stifts in Mainz und verteilten selbst ihre Gaben an die Verwundeten, wobei die Frl. E. Blase und Martha Sommer Gedichte dort vortrugen. Da der Eisenbahnverkehr auf unserer Strecke sehr beschränkt worden ist, und infolge des Krieges weniger Züge verkehren, konnten alle Teilnehmer der Fahrt erst 8 Uhr abends heimkommen. 2 Tage nachher erhielt der Bürgermeister für die Gemeinde ein von etwa 30 Empfängern unterzeichnetes Dankschreiben.

1916
Weihnachtspackete für die Feldkrieger

26. Nov: Heute sammelten hießige Mädchen für Weihnachtsgeschenke der Gemeinde und die hießigen Krieger 400 Mk; (jeder erhält Tabak, Pfeife dazu, Zigaretten, Schokolade, Briefpapier und Bleistift.) Auch die Spar- u. Darlehenskasse beschenkt jeden hießigen Feldzugsteilnehmer wieder mit den übligen Gaben, wofür diese wie früher Herrn Rechner Koch von Mommenheim ihren Dank sagten.

28. Nov: Nach langer Zeit überflogen wieder 2 Zeppelin-Luftschiffe unseren Ort.

1. Dez: Bei  der heute vorgenommenen Zählung ergaben sich im hießigen Dorfe 18 Pferde, 219 Stück Rindvieh, keine Schafe, 218 Schweine, 151 Ziegen, 89 Gänse, 13 Enten, 1186 Hühner (zum Vergleich siehe S. 147) (Siehe auch Seite 92). Die heute ortsanwesende Einwohnerzahl betrug: 343 Evangelische, 106 Katholiken, 13 Israeliten, zusammen 462 Einwohner. Außerdem sind eben hier 18 Kriegsgefangene als „Arbeits-Kommando“ an die Bürger verteilt.

7. Dez: Heute morgen 8 Uhr Glockengeläute wegen des Einzugs der deutschen Truppen in Bukarest, der Hauptstadt des Königreichs Rumänien.

1916
Wachsende Unehrlichkeit

11. Dez: Seit heute dürfen die Besitzer gar keine Milch mehr an Privatleute verkaufen, sondern nur an Milchaufkäufer Heidenreich von hier, der seinerseits wieder nur die mit Bezugskarte versehenen Personen (für Kinder u. Kranke) je 1 Liter täglich abgeben darf; alle übrige Milch hat er in die Stadt Mainz an die Centralstelle zu liefern. Da Schreiber dieses auf ein ärztl. Zeugnis hin wohl vom Aufkäufer Milch erhalten könnte aber nichts mehr aus reinlichem Stall und Vertrauen erweckender Hand und hier im kleinen Dorf jegliche Kontrolle fehlt, verzichtet er lieber: So erhält das Pfarrhaus jetzt dauernd keinen Tropfen Milch und kein Lot Butter, da die Besitzer des Viehs nur für „eigenen Bedarf“ buttern dürfen. Die Stadtleute bekommen wenigstens Magermilch, wir auch diese nicht. Wir sehen überall, wie die Milch auf unehrliche Weise neben uns geht, Butter zu hohen Preisen heimlich verkauft wird, die ärmsten Landleute zu Weihnachten reichlich für „Guts“ verbacken müssen selbst gänzlich jedoch darauf verzichten und ehrlich bleiben. Landpfarrerloos! Durch die zahllosen Neuverfügungen über fast alle Lebensmittel und Bedarfsartikel: Brod, Fleisch, Kartoffel, Geflügel, Eier, Obst, Seife, Mehl, Milch, Käse, Anzugstoffe, Fett- und Fleischvorräte, Seife, Kupfer u. s. w. wird eine Unehrlichkeit großgezogen, die erschreckend groß ist. Und wenn das hier schon so ist, wie mag es erst in schon vor dem Krieg wegen ihrer Mittellosigkeit verrufenen Gemeinden sein. Damit gräbt sich unser Staat selbst sein Grab.

1916
Geschäftl. Notizen

15. Dez: Gänse sind hier das Stück zu 35 Mark verkauft worden.

1916
Gelinder Winter

20. Dez: Von reichen Leuten aus der Stadt wurden Eier zu kaufen gesucht und für 1 Stück: 52 Pfennig geboten. Die Kohlen werden in vielen Häusern so rar, daß man überall die Leute Holz sägen und kleinmachen sieht. Andere suchen sich mit Koks zu helfen, der aber in den gewöhnlichen Öfen in Brand zu setzen und glühend zu halten Mühe macht. Zum Glück haben wir außerordentlich gelindes Wetter freilich mit Tage- und Nächtelangen Regengüssen und sehr häufigen Stürmen. Es wird wieder sehr viel mit dem Flegel und der Hand gedroschen, da die Dreschmaschinenbesitzer sich hier diesen Herbst für 1 Stunde Dreschzeit 22 Mark haben bezahlen lassen. Dabei müssen ihnen noch die nötigen Kohlen frei gestellt und die Leute verköstigt werden.

25. Dez: Das heil. Weihnachtsfest verlief in hergebrachter Weise, ja es durfte von den Bäckern je 1 (auch 2) Ofen-Kuchen öffentlich gebacken werden.

31. Dez: Die Zeitungen bringen die Verfügung, daß wegen Kohlenersparnis die Ferien in sämtlichen Schulen bis 16. Januar verlängert werden. Still ging das Jahr zu Ende. Auch auf den Straßen und in den Wirtshäusern herrschte Ruhe. Feierlich läuten eben die Sylvesterglocken das neue Jahr ein. Möge es ein Jahr des ersehnten Friedens und des Segens werden für Volk und Gemeinde.

 

Johannes Würth, Pfarrer

Jahr Christi 1917

Das neue Jahr brachte nach viel Sturm und Regentagen kältere Witterung. Jetzt heute am Montag, den 15. Jan. nützen die Kinder den wegen „Kohlenferien“ schulfreien Tag zum Schlittenfahren auf den mit ¼ Fuß hohem Schnee bedeckten Straßen aus. Die Kälte nahm bis heute, den …

25. Jan. beständig zu. Nunmehr sind auch die Zinnpfeifen unserer Kirchenorgel als Kriegsmaterial beschlagnahmt und angemeldet.

27. Jan: Kaiser´s Geburtstag trat hier äußerlich diesmal nicht in die Erscheinung. Am Abend besuchte uns der Urlauber Gefreiter Aug. Böll. Zu der „Hess. Tapferkeitsmedaille“, die er schon früher erhalten, ist ihm jetzt auch das „Eiserne Kreuz“ II. Cl. zuteil geworden.

15. Febr.: Mehrere hießige Frauen und Mädchen der ärmeren Stände gehen in die Munitionsfabriken in Mainz, wo in Tag- und Nachtschichten gearbeitet wird.

1917
Gepäckdurchsuchung am hieß. Bahnhof

22. Febr: Heute untersuchte ein Gensdarm am hießigen Bahnhof das Gepäck sämtlicher Fahrgäste. Einem Herrn Maier von Bodenheim, der sich hier bei Verwandten eine Anzahl Eier besorgt hatte, nahm er dieselben weg. Trotzdem gibt es noch durchrutschende Schlaumeier genug. Sie legen sie einfach z. B. bei drohender Entdeckung in den Korb des „öffentl. Eieraufkäufers“, neben den sie sich absichtlich gesetzt haben, und nehmen sie hernach wieder heraus. Oder sie stecken Eier, Fleisch und Butter in Weichkäse, in welchem Falle es aber geschehen kann, daß der Gensdarm, wie er gestern hier am Bahnhof tat, sich einen Kochlöffel leiht und suchend drinnen herumrührt. So erzählt man sich hier auch, daß bei der letzten Getreide-Aufnahme (15. Febr.) in Ebersheim und Lörzweiler ganz erstaunliche Mengen versteckt und verheimlicht worden seien, während hier im Dorfe die Nachprüfung nicht viel zu Tage gefördert habe, demnach die Angaben ziemlich der Wahrheit entsprechend gemacht waren.

1917
Ausfall des Schulunterrichts wegen Kohlenmangel

3. März: Von heute ab fällt mangelnder Kohlen wegen der Schulunterricht wieder auf unbestimmte Zeit aus. (Die Schule begann erst wieder am 27. April.)

1917
Große Kälte

9. März: Die Leute tragen Leder von altem Pferdegeschirr zu den Flickschustern und lassen sich ihre Schuhe damit flicken, da neues Leder so rar und nicht mehr zu haben ist. Die am 1. März angestellte Erhebung ergab 137 Morgen Kartoffelanbaufläche im Jahr 1916, 54 ortsanwesende Kartoffelerzeuger u. Angehörige, 3005 Centner Vorräte an Kartoffeln. Ferner im Dorfe 18 Pferde, 201 Stk. Rindvieh, – Schafe, 176 Schweine (15 darunter unter 8 Wochen, 102 unter ½ Jahr, 52 unter 1 Jahr, 7 über ein Jahr alt.) Große Kälte.

11. März: Ein militärischer Freiballon mit einem Führer und 2 Offizieren von Mannheim kommend landete heute etwas hinter der Kirche auf dem Felde, wurde wegen fehlender Photographien seiner Bemannung vom Bürgermeister festgehalten, bis vom Guvernement Mainz telegraphische Erlaubnis zur Weiterfahrt gegeben war. Die herbeieilende Bewohnerschaft Harxheims regalierte die Offiziere mit Wein, Brot und Butter u. s. w. während die Jugend in dem Korbe bis zur Höhe von etwa 200 m Fahrversuche anstellte. Der Ballon war dabei am langen Seile an einem Apfelbaum angebunden.

16. März: Heute morgen ½ 9 Uhr hörte man lebhaft mit Kanonen schießen und wie sich später herausstellte, waren es die Fliegerabwehr-Geschütze in Frankfurt bei Überfall feindlicher Flieger, die Bomben auf die friedliche Stadt warfen. Von Mainz wurden sie vertrieben.

18. März: Heute abend hält in Wenderod´s Saal  Ober. Reg. Rat Welcker aus Mainz einen Vortrag mit Lichtbildern über „Deutschlands wirtschaftliche Kraft“ zur Empfehlung der VI. Reichskriegs-Anleihe. „Groß u. Klein, Alt und Jung, Männer u. Frauen“ sind öff. eingeladen.

20. März: Da nun unser Schmied Happel auch zu den Pionieren eingezogen ist, ist niemand im Dorfe, der die Wasserleitungsschäden ausbessern kann. Wurde aber bald wieder als „unabkömmlich“ reklamiert.

24. März: Da es bereits wieder die ganze Woche Frostwetter ist und infolgedessen das nasse Hintergartenfeld des Pfarrhauses leicht zu graben, macht es uns ein bei Frau Witwe Gg. Happel untergebrachter Russe heute herum. Draußen im Felde pflügt ein hierher zu diesem Zweck einquartierter Soldat mit 2 bei Witwe Reichert untergebrachten Militärpferden den Leuten die Felder herum, die im Herbste damit nicht fertig wurden, weil sie kein Fuhrwerk haben.

25. März: Da nur 80 Liter Milch aus der Gemeinde zur Ablieferung nach Mainz kamen, wurde der Gemeinde angedroht, es werde ein Gensdarm hierher stationiert werden zur Controlle, sofort wurden etwa 100 Liter mehr abgeliefert. Wo sie vorher geblieben, will niemand wissen.

13. April: Heute war Herr Provinzialchemiker Dr. Alfa aus Mainz hier um die Orgelpfeifen in unserer Kirche auf ihren Zinngehalt zu untersuchen. Eins der beiden hier zur Aushilfe stationierten Militärpferde fiel heute vor dem Pfarrgarten auf der Straße aus Entkräftung und Herzschwäche zu Boden, wo es lange Zeit liegen blieb. Als man ihm eine Schüssel voll Wein und Brod, wonach es geradezu lechzte, eingegeben hatte, stand es wieder auf. Wie ungleich die Verordnungen ausgeführt werden, kann man daraus ersehen, daß während hier im Kreise schon seit 1 ¼ Jahren kein Kupferkessel mehr zu finden ist, und bereits die Glocken haben angemeldet werden müssen, im Kreise Worms heute noch keine Kessel abgeliefert zu werden brauchten.

1917

Lagerten am 18. Spt. 1917 noch die Milcheimer im Keller des Schulhauses wo sich die Bürger zum Latwerschkochen dieselben wieder holten.
Ortssitte und Brauch

17. April: Einwohner erzählen in Mainz sei es heute Nacht zu schweren Ausschreitungen in der Schusterstraße und auf der großen Bleiche gekommen. Bei der VI. Kriegsanleihe, die gestern Zeichnungsschluß hatte, beteiligte sich die Spar- u. Darlehenskasse Mommenheim-Harxheim für sich und ihre Einleger mit 250.000 Mark. Als ortsgeschichtlich merkwürdig soll hier festgelegt werden, daß nach alter Sitte hier regelmäßig für Kinder, die sterben, der Pathe den kleinen Sarg bestellt und bezahlt. Noch immer kaltes Wetter u. alle Bäume kahl.

1917
Weinpreise

18. April: Heute ließ die Mainzer Stadtverwaltung im „Heil. Geist“ in Mainz etwa 10 Stück (1 Stück = 1200 Liter) hier in den Lagen: „Hinter Nack“, „Stegklauer“, „Hartenberg“, „Lith“, „Börnchen“, „Kuhhohl“, „Kalmit“ in dem Jahrgang 1915 geernteten Wein öffentlich versteigern und kam unter 4500 Mark kein Stück davon zum Zuschlag. Alle Weine fanden raschen Absatz.

1917
Endlich milderes Wetter Ende April

28. April: Ganze Tage lang ist jetzt der Geschützdonner aus den westlichen Kampffronten in der Champagne deutlich zu hören. Wegen Kohlenmangels erst heute Schulbeginn bei endlich mildem Wetter.

1917
Ordentliche Kirche-Visitation
Natural-Sammlung für die Hindenburg-Spende (Für die Schwerarbeiter in der Kriegsindustrie)

6. Mai: Heute hat hier durch Herrn Dekan Weiß aus Selzen eine ordentliche Kirchenvisitation stattgefunden. Später ward im Dorfe zum ersten Mal für die Hindenburg-Spende gesammelt und kam viel Sauerkraut, Mehl, Eier, Spinat, 5 Eimer Sauerkraut, 1 Eimer Bohnen, 180 Eier, 4 Pfd Mehl, 2 Pfd Dürrobst, 2 Pfd Zwiebeln, 1 Pfd Schmalz, 1 Pfd Speck, ½ Pfd Butter, 1 Sack Erdkohlraben, gelbe Rüben, rote Rüben.

8. Mai: Ein in Arbeit stehender russischer Kriegsgefangener ist heute heimlich flüchtig gegangen. Schlechte Behandlung soll ihm das Leben so unerträglich gemacht haben, daß er äußerte: „nix mehr arbeiten, Hals abschneiden”.

15. Mai: Die Angehörigen des Gefr. A. Böll haben von diesem wieder einen Brief über die fortwährenden französischen Angriffe nordöstlich von Reims erhalten, 5 Stunden von dieser Stadt. Leider hat es keinen Wert diesen Brief der Ortschronik einzufügen, nachdem trotz allen Bemühungen des Schreibers es nicht gelungen ist die große Masse der Briefempfänger zu bewegen, die erhaltenen Kriegsbriefe demselben zur Einsicht für spätere Verwertung vorzulegen. Alle öffentlichen und vertraulichen Bitten blieben erfolglos. Bäuerliches Mißtrauen und wer weiß, was alles, macht die Leute taub.

19. Mai: Heute sind 26 Mainzer Kinder hier angekommen, die bei hießigen Bürgern untergebracht sind, wo sie einige Monate der besseren Verpflegung wegen bleiben sollen. Sie waren von 1 Lehrerin begleitet und jedes trug sein Kleiderpäckchen bei sich. Am Sonntag kam in Ober-Olm ein durchgeschmuckelter Brief eines dortigen in russ. Gefangenschaft befindlichen Bürgers an, worin steht bei ihm sei noch außer anderen ein Wambach von Ebersheim und ein Schneider von Harxheim, aber sie dürften alle nicht schreiben, weil sie einen Fluchtversuch gemacht hätten. So erzählte uns des letzteren Frau heute morgen. Hoffentlich ist das ein Lebenszeichen, das nicht trügt. War es auch.

14. Juni: Da gestern sowohl hier als in Gau-Bischofsheim je 3 Russen durchgebrannt sind wurden allen Russen der 3 Orte H. G. B. u. Lörzweiler gemeinsam hier von einem Offizier aus Frankfurt die Kriegsartikel verlesen und durch einen Dolmetscher übersetzt. Zwei der hier Entwichenen wurden übrigens bereits wieder in Marienborn festgenommen, der dritte in Mainz.

1917
Allerlei Volk auf Hamsterreisen hier

19. Juni: In der letzten Zeit wird der Ort von Kindern und Frauen aus Worms, Mainz u. a. St. heimgesucht, die um Kartoffeln betteln. Auch vornehme Herrn „grasen“ hier wöchentlich von Haus zu Haus das Dorf ab und waren gelegentlich so klug der Frau Pfarrer, die sie für die Tochter des Hauses hielten zu versichern, „ihre Frau Mutter hat uns vorige Woche auch 10 Eier verkauft, also können Sie es doch auch, wir geben Ihnen, was Sie dafür haben wollen.“ Dabei ist hier im Hause keine „Frau Mutter“ und die überflüssigen Eier werden von der off. Sammelstelle abgeholt.

10. Juli: Da auf keinem der Märkte Heidelbeeren feilgeboten werden, diese auch sonst nicht, wie dies im Frieden geschieht feilgeboten werden dürfen, und die Stadt nur für jeden ihrer Bürger diese besorgt, machte sich Schreiber dieses selbst auf den Weg in den Vogelsberg, wo er in Altenburg bei Alsfeld Bekannte hat, um dort solche zu holen. Nötig hierzu war zuerst ein Pflückschein vom dortigen Bürgermeister, sodann ein „Beförderungsschein“ der „Hess. Landesobststelle zu Darmstadt, der dem Pfarrer W. erlaubt als Selbstpflücker und Selbstverbraucher Heidelbeeren in Mengen von höchstens 10 Kilo aus Oberhessen nach Harxheim zu verbringen”.

15. Juli: Eine förmliche Völkerwanderung findet heute wieder von Leuten aus der Stadt hier statt, die nach allerlei Lebensmitteln, Kartoffel, Eier, Käse, Butter, Milch und Brot, suchen. Für ein Letzteres wollte uns ein Mainzer mit Packet und Rucksack beladen noch auf dem Weg zum Bahnhof am Küchenfenster vorsprechend Brotkarte und 1 Mark geben, während es hier nur 64 Pfg. jetzt kostet. Wo er aber die Brodkarte her hatte? Und warum er nicht in Mainz selbst Brot dafür kaufte? Doch ist auch ohne daß sie Karten hatten, wiederholt dieser Preis selbst bei Bürgermeister und Bäcker Böhm geboten worden.
Die amtl. „Verlustliste d. d. H.“ Nr. 876 meldet: Schweitzer, Peter, geb. 6. Mai 1890 dahier zu H. als „schwer verwundet“. (War Barbier in Wiesbaden, hinterläßt Frau und K. und ist an seinen Wunden bereits gestorben).

1917
Glockenabnahme

16. Juli: Heute begann ein Sohn des früheren Lieferanten unserer Glocken Fa. W. Rincker und Sinn die größte und die kleinste derselben vom Turm herabzunehmen; zuvor ließen wir alle drei Glocken nochmals – es war nachmittag ½ 1 Uhr – eine volle halbe Stunde zusammenläuten. Die abgenommenen wiegen 768 Kilo Bronze.

1917
Ablieferung der zinnenen Orgelpfeifen aus der Kirche

19. Juli: Jetzt werden eben auch die 36 Zinnpfeifen unserer evang. Kirchenorgel, die in der Vorderfront des Werkes (Prospekt) stehen, zu Kriegszwecken herausgenommen. Sie wiegen zusammen 40 ½ Kilogramm. Am …

1917
Glockenabgabe der hieß. katholischen Kirche

25. Juli haben wir, nämlich Jakob Hammen mit dem Pferde seiner Eltern, Kirchenvorsteher Chr. Frieß und ich selber sie nach dem Zollhafen in Mainz gefahren. Neben unseren Glocken nahmen wir auf ihre Bitte hin auch die kleinste der beiden Glocken der hießigen Katholiken und deren Orgelpfeifen mit. Die Schulkinder hatten unsere Glocken am Abend vorher mit Kranz und Blumen geschmückt und bis wir durch den Ort bis auf die Höhe über dieselben waren läutete die uns noch gebliebene ihnen zum Abschied. Die russ. Kriegsgefangenen freuten sich über die Herabnahme der Glocken und erklärten, solche Maßnahmen werde Rußland niemals nötig haben.

1917
Reiche Obsterne und hohe Obstpreise

30. Juli: Viele Leute sind mit dem Brechen der Birnen beschäftigt, da ein Eisenbahnwagen vollgeladen wird und für den Zentner 30 Mark bezahlt werden. Einzelne Bäume haben über 300 Mark gebracht. Auch der Baum im Pfarrhof hat uns über 5 Zentner geliefert.

1917
Hohe Lederpreise

12. Aug: Feindliche Flugzeuge sind unerkannt über unseren Ort hinweggeflogen. Als sie aber in die Nähe von Mainz kamen, wurden sie durch starkes Feuer der Abwehrgeschütze empfangen. Deutlich sahen die auf unserer Straße rasch sich bildenden Zuschauergruppen die Schrapnellgeschosse platzen und ständig dröhnten die Geschütze. Bei ihrem Besuche Frankfurts gab es an diesem Abend 4 Tote und eine Anzahl Verletzte. Das Flugzeug, das die schlimmsten Bomben warf, wurde heruntergeschossen und die Insassen gefangen genommen. Das Paar neue Stiefelsohlen, das ich auf meinen alten Stiefeln heute zum erstenmal benützte hat 12 Mark gekostet. Neue Stiefel sind in Mainz aus Leder nicht mehr zu erhalten.

1917
“Speck für Briquetts”

18. u. 19. Aug: Nur gegen Abgabe von Speck ist es gelungen für die Bürger einige Eisenbahnwagen Briquetts für den Winter zu erhalten.

28. Aug: Durch die Ortschelle wird heute bekannt gemacht, daß wie anderwärts bei den sich häufenden Felddiebstählen mehrere Gemeinderatsmitglieder als „Ehrenschützen“ vom Gr. Kreisamt verpflichtet worden seien.

9. Sept: Ganze Scharen von Stadtbewohnern mit Säcken, Schließkörben, Kisten und Taschen brachte die Eisenbahn hierher, die sich Zwetschen (1 Zentner 20 Mark) und Äpfel (1 Zentner 25 Mark amtl. festgesetzter Preis) holten. Manche mußten aber heimlich mehr bezahlen, um das Gewünschte zu erhalten.

11. Sept: Den Ort durcheilt die traurige Kunde, daß Philipp Schweitzer bei einem Kirchdorf an der Putna …… (?), 22 km nordw. Foksani in Rumänien am 29. August d. J. vormittags 2 Uhr infolge eines Brustschusses, den er nachher am Tage durch einen Granatsplitter erhalten hatte gestorben sei.

14. Sept: Heute kam Herr Moritz Mayer von hier aus dem israelit. Kriegslazarett in Frankfurt a/M., wo er seit längerer Zeit verwundet liegt, für über die jüd. Feiertage in Urlaub.

1917
Weintraubenpreise

17. Sept: Lese der ersten (Portugieser) Trauben. Glänzende Erträge und ganz fabelhafte Preise: Das Viertel bis zu 25 Mark, das Pfund 1 Mark 50 Pfg.; ein hieß. Eisenbahnarbeiter hat für über 4500 Mark, einer der ärmsten Taglöhner für 2900 Mark geerntet. Die Mainzer Kinder sind vorgestern fast alle wieder nach Hause zurückgekehrt.
Auch die Aushilf. Lehrerin Frl. Thumm wird Samstag wieder nach Kastel zurückkehren. Frl. Thumm hat die Kinder sehr zur Sammelthätigkeit angehalten und beträchtliche Mengen Büchsen, Obstkerne und namentlich auch Frauenhaare zusammengebracht, welche letztere als Gummiersatz zum Abdichten der Maschienenrohre in der Kriegstechnik verwandt werden. Auch um Ablieferung des Goldschmucks bemüht sie sich bei den Leuten sehr.

18. Sept.: Lagerten am 18. Spt. 1917 noch die Milcheimer im Keller des Schulhauses wo sich die Bürger zum Latwerschkochen dieselben wieder holten.

1917
Feindl. Flieger

3. Okt.: In der Nacht zum 3. Okt. besuchten zwischen 11 – 12 Uhr bei hellem Mondschein und sternenklarem Himmel feindliche Flieger Mainz. Wieder flogen mehrere über Harxheim, und wurden von uns zufällig an ihrem singenden Ton schon erkannt, als die Alarm- und Abwehrgeschütze in Mainz in Tätigkeit traten. Deutlich sah man die blitzenden Geschosse am hellen Himmel, sowie Zeichen gebende Raketenbüschel. Am Montag besuchte uns der kriegsbeschädigte Jakob Kreis von hier, der am 20. Jan. 1917 bei Olaniaska am Sereth in Rumänien in kalter Winternacht mit hunderten seiner Kameraden in ein Sumpfloch eingefror und dann am nächsten Morgen mit Spiritusflammen die Stiefel von den erfrorenen Füßen los getaut werden mußten. Die beiden Vorderfüße mußten ihm abgenommen werden.

10. Okt: Heute beginnt bei sehr nassem und kaltem Wetter der Weißherbst. Zur Berechtigung des Bezugs von 15 Klgr Zucker zur Herstellung von Tresterwein erhielt der Wingertsarbeiter, der die Pfarrweinberge dieses Jahr instand hält, von mir Bescheinigung, ohne die es keinen Zucker gibt. Der Weißmost hat 95° – 110° Zuckergehalt.

16. Okt: Bei der geordneten behördl. Bewirtschaftung der Kartoffelernte sind für den einzelnen Haushalt in Stadt und Land die nötigen allerdings sehr mäßigen Vorräte (3 ½ Ctr. für die Person bis 15. August 1918) mit Leichtigkeit zu beschaffen. Der Zentner kostet vorschriftsgemäß 6 Mark, also nicht doppel so teuer wie 1914 hier, wo wir das Malter mit 7 Mark weit von auswärts beschaffen mußten. Die erstaunlichen Erfolge der deutsch-östr. Truppen gegen Italien wurden still hingenommen. Zeit und Stimmung zum Flaggen fehlt.

1917
Festgottesdienst zur 400 j. Jubelfeier der Reformation

31. Okt: Festgottesdienst zur 400. jährigen Jubelfeier der Kirchenreformation. Sehr gut besucht, Ertrag der Tellersammlung am Schlusse für die Wiederherstellung der durch den Krieg geschädigten deutsch-evangel. Kirchengemeinden im Ausland 18 Mark 85 Pfg.

2. Nov: Durch die Ortsschelle wird auf den Aushang am Rathaus aufmerksam gemacht, wonach alle Bürger verpflichtet im Notfall einander landwirtschaftl. Aushilfe zu leisten, insbesondere die wegen heimatlicher landw. Arbeiten Zurückgestellten und beurlaubten Militärpflichtigen.

4. Nov: Der Feldzugsteilnehmer Fried. Friedrich, der noch immer auf dem deutschen Mil. Eisenbahnamt in Sofia seit Jahr u. Tag beschäftigt ist, hat für seine bewiesene Tätigkeit sowohl das Eiserne Kreuz als die hessische Tapferkeitsmedaille als auch die bulgarische Militär-Verdienstmedaille mit der Krone erhalten.

6. Nov: In der Nähe des Bahnhofs ging ein kleiner Ballon nieder, der sofort durch den Finder Pf. Heinr. Wahnsiedler auf die Bürgermeisterei gebracht wurde, von wo ihn gleich hernach Feldgendarmen mit nach Mainz nahmen.

1917
Herbstspende für die Lazarette in Mainz

13. Nov: Im März bestelltes Brennholz, das die Leute als Ersatz für die damals in der furchtbaren Kälte (S. S. 158 – 160) völlig fehlenden Kohlen bestellt hatten, ist heute erst Eisenbahnwagenweise angekommen. Der Preis stellt sich auf: 5 Mark per Zentner (100 Pfund = 50 Kilo.) Erwachsene und Schulkinder zusammen 102 Personen sind heute mit 38 prachtvoll durch Blumen geschmückten Körben, gefüllt mit Äpfel, Birnen, Trauben, Hasen, Wein und (trotz alles Rätsels woher) viel Kuchen nach Mainz gefahren um sie im Feldbergschulhaus an die dort liegenden Schwerverwundeten zu verteilen. Selbst Milch, Kochkäse, Eier, Hahnen, Tauben, Spitzwecke, Butter, Zigarren und Zigaretten hatten sie zum Spenden mitgenommen und machten sie vielen groß. Freude. Ein großer Wagen voll Kraut, Kartoffeln und Rüben war bereits gestern als Liebegabe vorausgegangen und im Verwaltungsgebäude des „Roten Kreuzes“, Mitternacht Nr. 4 abgeliefert.
Alle Blitzableiter-Kupferdrähte sind an die Kriegsmetallgesellschaft abgeliefert worden. Der Kriegsgefangene Akim….. bei Witwe Happel, Gg., hat von seiner Frau aus dem Inneren Rußlands einen Brief mit der Nachricht erhalten, es gäbe bald Frieden, bei ihnen daheim spräche alles vom Frieden, darob große Freude im Tanzhallenlager unter den Russen hier.
Frau Gg. Happel Witwe bekam am Samstag abend von ihrem in Rumänien an der russ. Front liegenden Sohn Georg ein Telegramm „daß er …

17. Nov. heute nacht 12 Uhr in Mainz ankommen und morgen früh wieder weiter nach Berlin müsse, um an einem militärischen Gasangriffskursus teilzunehmen. Also fuhr die Mutter sofort mit dem Wagen auf der Landstraße nach Mainz, holte ihren Sohn aus dem Zugabteil heraus, fuhr mit ihm nach Harxheim. Nach 3 ½ stündigem Verweilen im Vaterhaus fuhr der Krieger dann wieder mit dem ersten Zug von hier in Nacht und Nebel davon.
Der in England kriegsgefangene Christ. Hammen von hier hat am 2. Juni d. J. von dort an seine Eltern hier geschrieben, daß es ihm sehr leid tue, daß der „Onkel Grumbeer“ jetzt mit ihm böse geworden sei. Er hoffe aber, wenn er wieder nach Hause komme, werde er sich wieder mit ihm aussöhnen. (Ein Zeichen des durch den U-bootskrieg eingetretenen Mangels in England.) Im hieß. Orte herrscht eben allgemeiner Unwille darüber, daß die Leute ihre doch schon 14 Tage eingereichten Schlachterlaubnisscheine bzw. Gesuche nicht rechtzeitig erhalten. Bald ist ein Metzger bestellt, aber die Genehmigung bleibt länger aus, trifft sie, die doch nur für ein paar Tage Gültigkeit hat, endlich ein, dann ist wieder der Metzger nicht zu haben. Das ist umso ärgerlicher, als hier im Orte kein Metzger mehr daheim ist. So wird leider die Bevölkerung ohne Ursache immer mehr verbittert, und die Gesetzübertretungen nehmen heimlich allgemein überhand.

2. Dez: Die ersten Schneeflocken, 3. Dez. den ersten Frost, 4. Dez. mehr Schnee so daß Feld und Berge weiß, 5. Dez. stärkeren Frost und Luft. Die Nachrichten des russ. Waffenstillstands und Friedensangebots hat bei den Russen Jubel erregt, dem bei Frieß- Trapp arbeitenden russ. Kriegsgefangenen Isibei Sibei, der aus Sibirien schon an Sorgen erregt, nämlich wie er wieder nach Hause kommen werde, da er kein Geld habe und nicht mit Eisenbahn oder Wagen könne „ein Jahr auf den Beinen von Ort zu Ort werde er gehen müssen. In Deutschland werde er wohl befördert werden bis an die Grenze, aber in Rußland werde sich niemand mehr um ihn kümmern, das sei in Rußland so, da müsse jeder sehen wie er heimkomme, und Sibirien sei so weit, und er träume immer von Vater und Mutter.”

4. Dez: Allgemeine Viehzählung ergab hier im Dorfe 18 Pferde, 61 Jungrindvieh, 21 Stiere und Ochsen, 70 Milchkühe, 33 trächtige Kühe, 0 Schafe, 14 Schweine unter 8 Wochen alt, 53 Stk 8 W. – ½ Jahr, 85 Stk ½ Jahr – 1 Jahr, 1 Zuchtsau, also insgesamt 153 Schweine, 52 Ziegen unter 1 Jahr, 117 Ziegen über 1 Jahr (zus. 169 Z.), 105 Gänse, 16 Puten, 885 Stk Hühnervieh.

5. Dez: Die erste Folge der Waffenstillstandsverhandlungen mit den Russen ist ein großer Streit zwischen den auf der sog. Zidadelle in Mainz untergebrachten französischen und russischen kriegsgefangenen Offiziere gewesen, sodaß man sich gezwungen sah, erstere gänzlich zu entfernen.

9. Dez: Am 5. Dez. betrug die ortsanwesende Bevölkerung Harxheim´s: 194 männliche, 270 weibliche Bewohner und 24 Urlauber und kriegsgefangene Russen.

1917
Christbescherung für die kriegsgefangenen Russen hier im Dorfe

25. Dez: Gestern abend veranstaltete der Wachmann Stadler aus Mainz, der zur Beaufsichtigung der russ. Kriegsgefangenen hier stationiert ist, diesen in ihrem Schlaflokal (Tanzsaal bei Darmstadt´s Wirtschaft) eine gemeinsame Christbescherung. Die Geschenke holte er sich bei den Familien zuvor zusammen, die einen oder mehrere Russen in Arbeit haben. Die Russen sangen um den brennenden Christbaum ihre Lieder.

Von 8 evangel. Gemeindegliedern ist uns ein Betrag von 23 Mark zur Vermehrung des Bücherbestands unserer evgl. kirchl. Volksbibliothek begründet von Pfr. Weigold, gestiftet worden. Auf ein Telegramm hin, daß ihr Sohn Friedrich im Militärlazarett zu Pforzheim am Blinddarm operiert worden sei, machten sich der Vater Philipp Ackermann und seine Frau am Tage vor Weihnachten sofort auf die Reise ihren Sohn zu besuchen und kamen Mittwoch Nacht erst wieder nach Mainz zurück, von wo sie zu Fuß in Schnee und Dunkel hierher liefen. In Frankfurt hatten sie im Bahnhof den Anschlag gelesen: Suppe, Gemüse und Kartoffel, die Portion 20 Pfg, und bestellten um ihren Hunger zu stillen die Wassersuppe, der Löffel voll gekochter dünner Bohnenkerne und die 2 gequellte Kartöffelchen widerten sie aber derart an, daß sie die „Portion“ ganz den 2 Bübchen überließen, die fremd neben ihnen saßen, und die es darauf lüsterte.

 Gar arm läutete die eine uns noch gebliebene Glocke das Jahr zu Grabe und das neue Jahr an. Still und friedlich hat es seinen Einzug gehalten. Möge, was jedermann ersehnt, dem eben werdenden Frieden mit Rußland im neuen Jahre der allgemeine Völkerfriede endlich folgen und die Inschrift unserer Glocke nochmals jetzt neue Bedeutung gewinnen. Das walte Gott!

 

Würth, Pfarrer

 

Jahr Christi 1918

Auch diesmal war der Neujahrsgottesdienst am Vormittag des 1. Jan. ganz außerordentlich gut besucht. Der große Verdienst Einzelner verführt zu größter Verschwendung. So soll ein einer der allerärmsten hier in einer hieß. Wirtschaft an einem Tag 17 halbe Großschoppen Wein (25 ½ Mark) getrunken haben. Einen anderen kostet der Sonntagnachmittag 14 Mark. Von auswärtigen Hamsterern wurde hier für das Pfund Butter 16 Mark geboten. Der Schreiber kennt ein Haus, in dem 1 Pfund Kaffe für 30 Mark gelegentlich einer Familienfeier getrunken worden ist, allerdings bei sehr wohlhabenden Leuten.

1918
Russisches Weihnachtsfest hier
Mangel an Fleischwaren

8. Jan: Die Russen hier haben nach heimatlicher Sitte ihr Weihnachtsfest nochmals gefeiert. Sie erhielten dazu arbeitsfrei für den Tag. Die Frau Roßbach, welche zu jeglicher Nahrungsaufnahme gedrängt werden muß, empfand zur Freude ihrer Angehörigen jetzt plötzlich Lust nach einem Hering. Eilig liefen sie zum Krämer, einen zu holen. Aber er hatte keine, kann auch keine bekommen. Also nach Mainz. Geschäft für Geschäft wird abgesucht, es ist kein Hering zu finden. Doch erhielt sie ihn aber auf welchem Weg? Nicht aus Worms und nicht aus Alzey, auch dort gibt es keine, nein ihr Mann schrieb an seine Tochter in Wildberg im württemb. Schwarzwald, ob etwa ……… und von dort brachte die Post den ersehnten Hering. Viertes Kriegsjahr!

22. Jan: Dieser Tage, insbesondere gestern Abend gegen 10 Uhr, war der Geschützdonner aus dem westl. Kriegsschauplatz so stark hörbar, daß Schreiber 2 mal aus dem Bette aufstand, weil er glaubte, es seien feindl. Flieger im Lande, die man mit Geschützfeuer bekämpfe.
Die früher vor dem Kriege jedes Jahr des öfteren veranstalteten Tanzkurse gibt es seit 4 Jahren nicht mehr. Dafür aber jetzt vom …

1918
Schuhflickkursus

28. Jan.: 10 Tage lang einen Schuh-flick-Kursus, veranstaltet im oberen Rathaussaal, zu dem sich 40 Mädchen und Frauen von hier angemeldet haben. Im vorigen Jahre wurde für Mädchen und Frauen ein Rebschnittkursus veranstaltet, der auch gut besucht war. Die meisten Schuhe haben Holzsohlen.

27. Jan: Heute hat bei gefüllter auch von Freunden und Verwandten von auswärts besuchter Kirche eine Kriegergedächtnisfeier für den in Frankreich bei Raillencourt in der Nähe der Stadt Cambrai gefallenen auf einem Friedhof dieser Stadt beerdigten Serganten Fried. Peter Hammen stattgefunden. Er fiel im Kampf gegen die Engländer, nachdem er 2 Jahre in Rußland und ½ Jahr in Frankreich und Belgien gekämpft hatte. Das eiserne Kreuz II. Cl., die hess. Tapferkeitsmedaille und die Erinnerungsdenkmünze für die Eroberung der Festung Brest-Litowsk waren ihm zuteil geworden.

3. Febr: Das Pfund Steckzwiebeln kostet 4 Mark und oft noch mehr.

1918
Hauswirtschaftlicher Vortrag

7. Febr: Die im „Schuhflickkursus“ hergestellten Schuhe sind heute auf dem Rathause ausgestellt. Zugleich wird ein Vortrag über die Benützung und den Vorteil der „Kochkiste“ gehalten. Allerlei Speisen wurden gleichzeitig in einer solchen gekocht und nachher gemeinsam mit größtem Wohlbehagen – besonders der Pudding – verzehrt. Des Leders wegen läßt die Gemeinde auch jetzt die alten Feuereimer versteigern. (50 Stück = 525 Mk 70 Pfg.)

14. Febr: Heute nachm. flogen 6 Flieger, von der Beisetzung des Fliegerleutnants von u. zu der Thann in Mainz kommend, gleichzeitig über unser Dorf. Der damit im Tode Geehrte war im Luftkampf gefallen und der einzige Sohn des jetzigen Bezirks-Kommandeurs von Mainz.

20. Febr: Infolge des Friedensschlusses mit der Ukraine hat ein unter den hießigen Kriegsgefangenen befindlicher Ukrainer von seinen Kameraden allerlei zu leiden, aber er singt und die schimpfen, weil Aussicht ist, daß sie noch hier bleiben müssen, während er endlich heimkehren darf.

21. Febr: Heute wurde dem Schreiber ein von Issenheim (Elsaß) letzthin hierher mitgebrachtes durch feindl. Flieger zusammen mit blau-weiß-rotem Band über dem Orte vor 14 Tagen abgeworfenes in tadelloser deutscher Sprache gedrucktes Flugblatt überbracht, das die Rede Wilsons, des amerikan. Präsidenten vom 5. Dezember 1917 enthält, so wie sie auch durch die deutschen Zeitungen bekannt war. Ob unsere Feinde wohl glauben unserem Volke würden diese Reden verheimlicht?

2. März: Soeben kommt unser Kirchenrechner Böll in ausgelassener Freude zu uns in Pfarrhaus und zeigt uns eine Postkarte, auf der aus Tarnopol in Galizien sein Sohn August meldet, daß er aus der russ. Gefangenschaft entwichen (S. S. 168) glücklich mit anderen auf östreichischem Boden angekommen sei, aber erst in 14 Tagen über Warschau nach Hause kommen werde.

4. März: Als heute morgen nach 11 Uhr das Telegramm kam, daß in Brest-Litowsk der Friede mit Groß-Rußland unterzeichnet worden sei, bekamen nach einer Ansprache die Kinder schulfrei, beide Kirchen läuteten und viele Häuser flaggten, auch das Pfarrhaus.

1918
Feindl. Flieger über Harxheim

9. März: Bei herrlichem Wetter sahen wir heute 8 Flugzeuge mit Dreschmaschinen ähnlichem Summen schräg über den Ort in Richtung nach Mainz fliegen. Alle Kinder auf der Straße jubelten über die achte, und wir freuten uns, daß sie schön beisammen, eins hinter dem anderen flogen; fünf Minuten darauf krachten in Mainz dumpf die Bomben, hernach stellte sich heraus, daß diese feindl. Flieger – wie die Zeitung schrieb, nur 9 Menschen getötet (?) aber wirklich keinen militärischen Schaden angerichtet hatten. Auch den Rückweg nehmend sahen wir sie, sie hielten fast über uns eine Weile still, wohl um die Wirkungen ihrer Heldentaten zu beobachten, dann flogen sie als ein Nachzügler auch bei ihnen eingetroffen schnell davon. Die feindlichen Berichte darüber bezüglich des Erfolges sind völlig erlogen, keine Fabrik, keine Brücke, keine Bahnanlage wurde getroffen. Nur in Mombach fiel ohne Schaden zu tun eine Bombe auf die Geleise, im übrigen gabs nur Personen- und Häuserschäden.

13. – 16. März ging Lehrer Köhler in Begleitung eines Gensdarmen und mehrerer Helfer von Haus zu Haus und ließ das noch vorhandene Getreide genau nachmessen und mit den Angaben der Besitzer vergleichen, wobei es Anstände in mehreren Fällen ergab.

19. März: 2 geliehene Russen stümmeln uns die beiden großen Ahornbäume des Pfarrgartens. Sie haben, seit sie hier sind, ganz gut deutsch gelernt und freuen sich über die geschenkte Zigarre.

24. März: Im oberen Schulsaal hält Ober-Regierungsrat Welker aus Mainz zur Empfehlung der VIII. Kriegsanleihe wieder nachm. 3 ½ Uhr einen Vortrag mit Lichtbildern über „Deutschlands Aufstieg und Zukunft“. Die Viehzählung des ersten März ergab hier im Dorf: 20 Pferde, 28 Ochsen (jung u. alt), 76 Milchkühe, 32 Rinderkühe, 42 Schweine (insgesamt), 149 Ziegen, 71 Gänse, 20 Enten, 854 Hühner, 109 Kaninchen (Stallhasen.) (Für 1917 S. S. 160, für 1916 s. S. 147 – 1915 s. S. 124.)

25. März: Nachdem bekannt geworden daß Gg. Wahnsiedler gefallen ist, hören wir jetzt auch daß Wilh. Friedrich am 22. März, ebenfalls in Frankreich durch einen Granatschuß umgekommen ist.

7. April 1918: Aug. Böll erzählt uns 4 Stunden lang von seinen haarsträubenden Erlebnissen als Kriegsgefangener in Danizza bei Kiew (S. S. 168.) Prächtige Plakate zur Empfehlung der VIII. d. Kriegsanleihe sind im Dorfe angeschlagen. Der Schreiber hatte von Beginn des Krieges an die Bürgermeisterei um Überlassung je eines Exemplares der vielen verschiedenen im Laufe des Krieges zum Anschlag kommenden Plakate zwecks Anlage einer Sammlung für die Gemeinde in späteren Zeiten zum Gedächtnis wiederholt gebeten, aber trotz Zusage hat er die wenigsten erhalten.

14. April: Einzelne Russen, die den Winter über von hier abberufen in Fabriken beschäftigt waren, haben sich wieder hierher zu ihren vorjährigen Herrschaften gemeldet und sind wieder hier bei diesen eingetroffen, ehe die Feldarbeit begann. Ein Beweis, daß sie hier gerne weilten.

15. April 1918: Unsere Nachbarin hat vorgestern 3 Paar wollene Strümpfe zur Auswahl gehabt, weil sie ein Paar kaufen wollte. Das Paar aus normaler einigermaßen dauerhafter Friedenswolle kostete 14,50 Mark. Dabei waren es Strümpfe mit ganz kurzen Röhren, sogenannte Socken.
Täglich überfliegen eine ganze Anzahl von Flugzeugen unser Dorf, von morgens bis abends hört man in der Luft ihr Surren.

10. Mai 1918: Heute hat das evg. Pfarramt dahier von Mainz die Bescheinigung erhalten, daß es 2,550 Kilo Frauenhaare bei der Sammelstelle des Kriegswirtschaftsamts der Stadt Mainz zur Ablieferung gebracht hat. Diese waren von den vorigjährigen Konfirmanden im ganzen Orte von Haus zu Haus gesammelt worden im letzten Winter.

13. + 14. + 15. Mai fällt der Schulunterricht aus, da die Jugend zum Einfangen der Rebstichler gebraucht wird, die in manchen Weinbergen so zahlreich auftreten, daß an einem Stock bis zu 10 Stück gefangen werden.
Zu welch merkwürdigen Zuständen es jetzt gekommen ist, mag die Tatsache veranschaulichen, daß die Kinder von Taglöhnern eines hießigen Bauernhauses in diesem heute 4 Tage nach Pfingsten am

23. Mai noch mit Festkuchen aus Weizenmehl (verschiedene Sorten) beschenkt wurden, während wir im Pfarrhaus das Fest mit Brod gefeiert haben, da Weizenmehl für uns nicht erhältlich ist. Da um die Menge zu strecken das Mehl so scharf ausgemahlen werden muß, daß fast keine Kleie übrig bleibt, sieben sie in den Häusern das Mehl und gewinnen auf diese Weise besseres Mehl „und Kleie zum Füttern“. Da man so wenig schlachten darf, weil es an Schlachttieren im Lande fehlt, „muß man halt alsmal ein Kälbchen heimlich schlachten“. Das Ölen der Fußböden war schon längst verboten, so lange man Öl erhielt, geschah es doch, jetzt „ölt“ gar manche Frau mit Milch, wiewohl jeder Tropfen abgeliefert werden soll, weil es in den Städten an Milch selbst für die Kinder u. die Kranken fehlt und eine Untersuchung über die andere durch die Ställe geht. Für die Leute gibt es hier höchstens jetzt alle 3 Wochen 80 Gramm Fleisch per Person.

2. Juni: „Kirchweihe“ aber nichts davon zu merken. Da nach Morgen-Anzahl der Weinberge den Besitzern Schwefel und Kupfervitriol und im Herbst Zucker zur Herstellung des Haustrunks zugeteilt wird, sind jetzt von den Besitzern viel größere Weinbergflächen angemeldet wie früher. Das Stück Wein, 1917er, wird jetzt hier mit 7000 Mark bezahlt, was den Besitzern selber wie ein Traum vorkommt, da vor 10 Jahren nur 300 – 400 Mark dafür bezahlt wurden.

7. Juni: Bei der heut. Weinversteigerung der hess. Weinbaudomäne in Mainz erzielte ¼ Stück (=300 Liter) Nackenheimer „Rotenberg“ Beeren-Auslese den märchenhaften Preis von 51.800 Mark.

1918
Preis des hießigen Weines

21. Juni: Bei der heutigen Weinversteigerung der Stadt Mainz wurde im Durchschnitt für ein Stück 1915er Harxheimer 13150 Mark und für 1917er Harxheimer 1100 Mark erlöst.
Die hießigen evang. Pfarrweinberge sind für die nächsten 12 Jahre zum Preis von 350 Mark jährlich an den Direktor Fahr der Großh. Obst- u. Weinbauschule in Oppenheim verpachtet.

28. Juni: Heute wurde durch die Ortsschelle von der Behörde bekannt gemacht, daß „polnische Magergänse“ im Juli ankämen und Liebhaber von solchen auf der Bürgermeisterei sich melden sollten. Das Stück koste 21 Mark. Da wird die Frau aus einem Nachbarort, die für ihre 10 Wochen alten Gänse per Stück 35 fordert, sie behalten können, und die vielen Käufer, die für 8 Tage alte Gänschen je 12 – 15 Mark bezahlt haben werden sich ärgern.

1918
Ehrliche Hauskontrolleure

3. Juli: Heute erschien eine militärische Truppe von 49 Mann um Haus für Haus nach ablieferungspflichtigem Getreide zu durchsuchen. Darunter waren 2 Herrn von der Reichsgetreidestelle in Berlin und 2 Offiziere und 45 Soldaten, die eine Menge von Säcken gleich bei sich hatten. Eine Nacht waren sie in verschiedenen Häusern zu dem Zweck einquartiert, wofür jeder Quartierwirt für je 1 Mann 5 Mark Quartiergeld erhielt; auch wurde je ein Pfd Kalbfleisch per Mann geliefert. Ein Kälbchen wurde zu dem Zweck hier geschlachtet.

5. Juli: Heute nachm. 2 Uhr entstand vor dem Pfarrhaus ein Menschenauflauf. Ein angeblich Fahnenflüchtiger, der sich hier bei Bekannten hinter verschlossener Türe schon länger aufgehalten haben soll, wurde von einem hieß. Feldzugsteilnehmer zur Bürgermeisterei geführt, von dort aber bald wieder entlassen.

1918
Freiwillige Ablieferung von Herrn-Anzügen

15. Juli: Bis heute, dem letzten Termin zur freiwilligen Ablieferung von Herrnanzügen sind hier bei der Bürgermeisterei 17 Stück abgeliefert worden. Eine Million hat das deutsche Reich Bedarf. Der Schreiber erhielt hernach für einen guten Anzug volle 3 Mark vergütet, das beste Geschäft machen diejenigen, die ihn jetzt wieder verkaufen.

7. Aug: Gegenwärtig fehlen hier 5 Russen, die flüchtig gegangen sind, wohl aber bald wieder eingefangen sein werden.

11. Aug: Herr Weinhändler Lotz soll 20 Stück Wein, das Stück zu 1200 Mark jetzt zusammen auf einmal verkauft haben.

15. Aug. 1918: Nachdem ihn seine Kinder – sonntäglich gekleidet –   bereits gestern am Bahnhof mit jedem Zug angeblich erwartet hatten, ist unser in Rußland seit Sept. 1916 (s. S. 152) gefangen gehaltener Nachbar Schneider in frühester Morgenstunde, während sie schliefen, heimgekehrt. In Pskow (Pernau) ausgetauscht kehrte er nach längerer Quarantäne-Zeit in Dünaburg über Wilna, Warschau mit 56 Tagen Urlaub, von allen Bewohnern im Laufe des ersten Tages begrüßt, in die Heimat zurück.

1918
Abliefern der Hornisnester

18. Aug: Heute Nacht haben Diebe, die es auf Fleisch- u. Wurstwaren abgesehen haben, 2 hießige Häuser heimgesucht. Mit Leitern müssen sie die Sachen aus den Drahtfenstern der Oberstöcke, die sie durchschnitten, herausgeholt haben. Es sind 200 Mark Belohnung aus der Gemeindekasse ausgesetzt für jeden, der die Spitzbuben polizeilich greifbar zur Anzeige bringt.
Für das Abliefern jedes Hornisnestes sind 2 Mk und für jeden Sperling 5 Pfg ausgesetzt.

22. Aug: Heute in der hell vom Mond beschienenen Nacht, einer ersten „Fliegernacht“ traten von den Fenstern des Pfarrhauses gut sichtbar die Fliegerabwehrgeschütze von Mainz bis in die Gegend von Geisenheim gegen feindliche Flieger wieder zahlreich längere Zeit in Tätigkeit.

29. Aug: Immer wieder wird in den Häusern des Ortes gestohlen, oft auf die rätselhafteste Weise, sehr viel auch im Felde. Während unsere Nachbarsleute in der halben Mitte ihres Ackers Frucht schnitten stahl ein Fremder, der es einige Wochen nachher eingestand, ihnen am Ende desselben Schuhe und Essen.

1918
Freveltat

1. Sept: Heute ging zwischen hier und Lörzweiler, an den Fruchtscheunen jenseits des Küchelberges wegen Motordefektes ein von Darmstadt über Worms gekommenes Flugzeug des Darmstädter Übungsplatzes nieder und wurde den Tag über (Sonntag) viel von den Bewohnern beider Orte besichtigt. Heute Nacht wurde dem Landwirt Karl Poth, der sich im Wirtshaus gerühmt haben soll, daß er 20.000 Mark für 2 Stück Wein erlöst habe, von mißgünstiger Hand die Weinstöcke eines ¼ Morgens gepachteten Schulwingerts gänzlich abgeschnitten. Berechnet seinen Schaden dies Jahr auf 10.000 Mark. Der Mann hat 1000 Mark auf die Ausfindigmachung des Täters als Belohnung ausgesetzt. Auch bei Bäcker und Bürgermeister Böhm ist jetzt schon zu wiederholten malen eingebrochen und eine Anzahl Brode gestohlen worden.

9. Sept: Es eilt die Kunde durch´s Dorf, daß Johannes Hammen, Unteroffizier bei den schweren Rückzugskämpfen im Westen durch Brustschuß gefallen sei. Hammen wollte mit seinem Kameraden Heiner Flath einen Verwundeten zurückholen, lief dabei trotz Warnung ständig über Deckung, obwohl die nur 30 Meter davon weg liegenden Franzosen mit einem Maschinengewehr schossen. Ein zweimaliches Aufschreien und Fallen auf das Gesicht – und tot war er. Galt als einer der besten Vorgesetzten in der 3. Maschinengewehrabteilung des Res.-Inf. Rgts. 253 (Dabei in Suwalki, Kowno, Rumänien, Frankreich).

16. Sept: Vergangene Nacht war wieder lebhaftes Schießen der Fliegerabwehrgeschütze in Mainz zu hören. Die Johanniskirche und mehrere Häuser in ihrer Nähe wurden durch Bomben schwer beschädigt.

17. Sept: Abermals Fliegergefahr in Mainz, diesmal ohne Schädigung der Stadt. Auch in Nierstein und Gau-Algesheim, sowie -Odernheim wurden Bomben abgeworfen. 

1918
Höchster hießiger Weinpreis

22. Sept: Erwachsene Mädchen sammelten heute im Dorfe für die „Deutschlandspende für den Säuglings- u. Kleinkinderschutz“ und brachten 94,50 Mark zusammen. Das Stück hießiger Wein ist jetzt 14000 Mark wert u. von J. Ph. Frieß so freihändig verkauft.

10. Okt.: Im Zusammenhang mit den eingeleiteten Friedensbestrebungen fängt der Preis des Weins an gewaltig zu fallen. Bis zum:

12. Okt.: ist er in Bodenheim von 8000 Mk (1918er Portugießer Rotherbst) auf 2000 zurückgegangen.

14. Oktober: Allgemeiner Traubenherbst, aber kein Verkaufsgeschäft. Ein Wachstum guter Mittelgüte aber keine Preise wie in 1917. Für den Centner 80 Mark. Die Aiche = 8 Viertel, 1 Viertel = 8 Liter, 1 Stück = 1200 Liter. Man rechnet für ein Viertel Maische = 18 Pfd Trauben. Die Aiche wird mit 120 Mark bezahlt.

24. Okt: Heute nacht hörten wir Bewohner Harxheim´s wie so oft, diesmal aber mit außergewöhnlich mächtigem Geräusch ein Bombenflugzeug-Geschwader über uns hinwegziehen. Dabei hat es diesmal in Wiesbaden übel gehaust; in der Riehlstraße u. an anderen Plätzen hat es 17 Tote gegeben.

6. Nov: Durch die Ortsschelle wird bekannt gegeben, daß damit zu rechnen sei, das deutsche Einquartierung noch diese Nacht eintreffen werde, deßwegen sollen die Bewohner die Quartiere bereit halten.

9. Nov: Bis jetzt sind keine deutschen Truppen gekommen. Dafür die Möglichkeit feindlicher Besatzung. Den Leuten schaut ein düsterer Ernst aus den Gesichtern wegen dem Zusammenbruch im Innern. Einzelne Landleute hoffen auf baldige Vermehrung ihrer Mehl- u. Fleischvorräte durch Mahl- und Schlachterlaubnis in erweitertem Maaße und hoffen durch die neue Regierung Besserung im Land. Auch unser Kirchenrechner Böll äußerte seine größte Freude über die Änderung in den höchsten Gewalten im Reich und Land *, vor allem hofft er Beseitigung der großen seitherigen Ungerechtigkeiten. Und für diese sind wir alle. So wird auch hier bei vielen der Wunsch der Vater des Gedankens sein.
* Anm. Red.: Am 9. November 1918 hatte der damalige Reichskanzler Prinz Max von Baden die Abdankung des Kaisers verkündet, allerdings ohne dass er von Wilhelm II. dazu authorisiert worden war. Wilhelm II. floh daraufhin in die Niederlande ins Exil.

1918
Einquartierung der deutschen Truppen*
Kirche zur Unterbringung von Truppen geräumt

* Anm. Red.: Der Erste Weltkrieg endete am 11. November 1918 mit Inkrafttreten des Waffenstillstands von Compiègne.

14. Nov.: Heute Abend ist eine allgemeine Bürgerversammlung im oberen Schulsaal betr. Besprechung öffentlicher Gemeinde-Angelegenheiten durch die Ortsschelle einberufen. Es wurde in der obigen Versammlung mitgeteilt, daß alle Sääle und event. auch die Kirche für Unterkunftsräume für die zurückflutenden Heere geräumt werden sollen. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung wird eine Bürgerwehr von 18 Mann gebildet.

17. Nov: Heute das älteste Kirchenbuch, das alte Kirchengefälle-Buch sowie die im Besitz der Kirche befindliche Pergamenturkunde sorgfältig verpackt und zur Aufbewahrung in das Haus- u. Staatsarchiv im Residenzschloß zu Darmstadt abgesandt, damit sie nicht in den bevorstehenden unruhigen Zeiten der Kirchengemeinde verloren gehen.

18. Nov: Die Bänke in der Kirche sind bei Seite geräumt u. die Altar- und Kanzeldecken, Teppich, Kranz u. s. w. entfernt. Bis jetzt Einquartierung noch nicht anwesend.
Am gleichen Abend fand durch die Ortsschelle geladen eine zahlreich besuchte Bürgerversammlung im oberen Schulsaal statt, in der zur Bildung eines „Bauern- und Arbeiterrates“ geschritten wurde, und in der es nicht sehr friedlich hergegangen ist, da von Seiten der „Arbeiter“ sich ein Herr Wahnsiedler und Herr Kneib sehr hervorgetan haben soll. Dem Schreiber war es leider nicht möglich die Veranstaltung zu besuchen, die ziemlich resultatlos verlaufen sein soll, da es zu keiner geordneten Wahl kam. Auf Auffordg. des OK. und Beschluß des Kirch.V. brachten am …

19. Nov: Einnehmer Frieß und Schreiber dieses die Mäntel der Wertpapiere der Kirche zur Aufbewahrung in die Volksbk Mainz.

24. Nov: Am heutigen Totenfest-Sonntag fand die kirchl. Gedächtnisfeier für den im Kriege gefallenen Unteroffizier Joh. Hammen (s. S. 186) und den auch im Kriege gefallenen Unteroffizier Georg Wahnsiedler statt. Der Kompag.-führer Harms bezeugte seiner Mutter das Beileid seiner Kameraden. Beide Gefallenen, denen ihre Altersgenossen Ehrenkränze in unserer Kirche aufhängen ließen, waren zusammen in hießiger Kirche am 3. Mai 1908 konfirmiert worden.
Die meisten hießigen Krieger sind bereits entlassen und in aller Stille hierher zurückgekehrt, soweit sie leben u. nicht gefangen sind.

1918
Rückkehr hieß. Krieger aus dem Feldzug
Weggang unserer russischen Kriegsgefangenen

25. Nov. 1918: Nach 3 ¼ jähr. Hiersein sind die russischen Kriegsgefangenen heute morgen wieder von hier für immer mit der Eisenbahn weggefahren. Mit denen von Selzen, Hahnheim, Lörzweiler, Gau-Bischofsheim und Ebersheim (280 Stück) gehen sie unter Begleitung ihrer deutschen „Wachmänner“ nach Wetzlar, von wo sie nach Rußland abreisen werden. Gestern schon hatten sie sich von Bekannten verabschiedet, selbst auf der Straße gaben ihnen Nachbarskinder die Hand und empfingen von ihnen Abschiedsgaben. Ihre Arbeitswirte verproviantierten sie mit 3 – 4 Laib Brod pro Mann, Kochkäse, Wein, Speck u. s. w. und wünschten ihnen glückliche Heimkunft. Die meisten waren gerne hier, wenn sie auch zuweilen das Heimweh plagte. Sie verstanden zuletzt recht viel Deutsch, und haben treu und fleißig gearbeitet und ihre Arbeitgeber werden noch zeitlebens an sie mit Befriedigung denken.

1918
Masseneinquartierung

27. Nov: Oben auf unseren Höhen sind heute alle Einrichtungsgegenstände der Unterstände: Öfen, Kessel, Pritschen, Tische, Gestelle, u. s. w. öffentlich gegen Bar versteigert worden. Alles vor 4 Jahren neu geschaffen! Ortsschelle sagt für morgen 1000 Mann Einquartierung und 250 Pferde an. Die Leute sollen die Häuser für unsere Truppen flaggen.
Alle Häuser sind beflaggt, manche auch bekränzt zum Willkommen unserer Truppen, die sich so lange tapfer einer ungeheuren Übermacht erwehrt haben.

28. Nov: Morgens gegen 10 Uhr kam eine Pionierkompagnie Nr. 250 davon 18 Pferde in Pfarrscheune und Stall, 4 Offiziere und 1 Bursche im Hause; eine ungeheure Anzahl Wagen im Dorfe, 4 davon auf dem Pfarrhof. Außerdem das Infanterieregiment Nr. 147 („v. Hindenburg“). Andere zogen durch auf der Straße einerseits nach Lörzweiler, andererseits nach Mommenheim weiter. Die Haltung der Truppen war gut und an Unordnung nichts zu bemerken. Treulich sorgten sie für ihre Pferde. Aus den mitgeführten Feldküchen erhielten sie ordnungsmäßig ihr gutes Essen. Vielfach waren Pferde, Wagen und Mannschaften mit Grün und Blumen geschmückt. In der Kirche liegen etwa 100 Mann auf Stroh. Mit unseren Quartiergästen haben wir heute zum erstenmal wieder nach fast 3 Jahren Reis (von ihnen geliefert) in der Suppe gehabt.

30. Nov: Heute morgen 615 haben uns unsere Quartiergäste in Richtung Mainz-Rüsselsheim verlassen. Noch war bei emsigster Tätigkeit nicht alles im Hause rein, da ward bereits neues Quartier durch Maschinen-Gewehr-Komp. 103 belegt. Der Hauptmann will heute für sie ein „Tanzvergnügen“ veranstalten. Zu essen haben sie fast nichts. Eine Hafersuppe und ein Stück Brod brachte der Bursche unserem Offizier zum Abendessen: „Eine Bemme!“
(Nachträglich wird bekannt, daß die Russen vor ihrer Abreise bei Nacht und Nebel ihr ganzes Lager, alle Ecken und Winkel, alle Bänke und Stühle, alle Betten und Decken mit Unrat durch und durch beschmutzt haben, also daß das „Wasser“ unten durch die Strohsäcke und Matratzen lief. Entschädigung unmöglich.)
Wiewohl bereits 800 Mann hier liegen und heute am …

1. Dez.: ihren Ruhetag hier halten, sind bereits wieder neue Truppen hier angesagt. O wie anders grüßt heute unser Gotteshaus den Adventsherrn. Beschmutzt – z. T. absichtlich von heillosen Elementen in der Truppe – trägt es an sich die traurigen Zeichen eines hereinbrechenden Gerichts. Von Gottesdienst kann keine Rede sein. Drei Kompagnien des 2. Inf. Regts. Nr. 135 kommen an, eine große schwarz-weiß-rote Fahne voran, bei jeder Comp., wie gestern ebenfalls; gekrönt aber die heutigen mit je einem umkränzten Schild mit der Inschrift: „Parole Heimat“. Eng wird die Unterkunft: hier z. B. im Hause 4 Offiziere, 6 Burschen, der Battl. Stab mit ganzem Troß. Der Koch mit seinen Gehilfen arbeitet in der Küche, brät Hühner und kocht, im Winkel liegt ein gekaufter Hase als Reserve, man kann sich in dem 2 ½ m. langen und ebenso breiten Raum nicht mehr umdrehen. Wir verzehren im Stehen einen Teller Suppe als unser Abendessen.

2. Dez: In der Stille um 5 Uhr, und mit Trommel und Pfeifen um 7 Uhr, marschiert die erste Truppe nach Mommenheim-Schwabsburg-Dexheim-Nierstein über die dort vorbereitete Ponton-Militärbrücke nach Osten, die 2. nach Mainz. Aus dem beabsichtigten Tanzvergnügen ist infolge der allzuvielen Menschen nichts geworden. Einrücken hier dafür 170 Pferde und 60 Mann, davon 18 Pferde und 1 Offizier im Pfarrhaus bei uns. Wagenpark und Feldküche der 32. Inf. Division. Letztere fürchtete auf eine Zeitungsnotiz hin nicht mehr rechtzeitig über den Rhein zu kommen und spannte ebenfalls an …

3. Dez., ihrem Ruhetag, nachmittags 2 Uhr ein, um ohne Befehl auf eigene Gefahr loszufahren. Ltn. Becker verzögerte die Abfahrt bis 3 Uhr, da kam, als sich das Ganze bereits in Bewegung gesetzt hatte, ein klarer Eilbefehl, erst nächsten morgen sich den Truppen aus Ebersh.-Gau. Bisch. an der Wegkreuzung E. – Mainz um 9 Uhr anzuschließen, worauf wieder ausgespannt wurde. Am 4. Dez. rückte also alles ab. Das Haus ist leer.

1918
In Erwartung der französischen Truppen

5. Dez 1918: Alle Flaggen sind eingezogen, aller Schmuck der Häuser ist von den Bewohnern entfernt. Unheimlich stiller Tag im Dorf. Eine Anzahl 19 und 20 jähriger soll sich aus dem Orte aus Furcht vor der Internierung durch die kommenden französischen Truppen entfernt und bei Verwandten und Bekannten jenseits der neutralen Zone über den Rhein Zuflucht gesucht haben. Schwerer Nebel liegt auf unserer Gegend, passend zu der Stimmung der Leute. Das Stroh aus Rathaus, Kirche und Schule ist für 170 Mk angekauft durch die Gemeinde und hernach für 31 Mk versteigert worden, die Kirche soll wieder gereinigt werden um, so Gott will, am nächsten Sonntag, II. Adv., zum Gottesdienst benützbar zu sein. Verschiedene Knechte und Mägde von jenseits des Rheins reisen auch Hals über Kopf ab, z. T. aus Altbayern stammend.

1918
Günstige Vermögensverhältnisse der durch den Krieg reich gewordenen Einwohner

8. Dez: Noch hat heute am II. Adv. kein Gottesdienst gehalten werden können, da die Kirche nicht völlig rein und die Bänke noch in Unordnung sind. Die Katholiken, deren Kirche, weil nicht heizbar, von den Truppen nicht belegt war, konnten ungestört die ganze Zeit ihren Gottesdienst halten.
Heute mittag 12 Uhr wurde auch auf unserer Strecke jeglicher Zugverkehr wegen Annäherung der franz. Besatzungstruppen eingestellt. Die Zunahme des steuerpfl. Gesamtvermögens hier im Dorfe ist in den letzten Jahren ganz außerordentlich. Schon im Jahre 1916 auf 2,6 Mill. gewachsen hat es sich in 1917 auf 3,7 Mill. und 1918 auf 4,2 Mill. erhöht und wird für 1919 noch höher sein, da die hohen Einnahmen für Wein erst jetzt in Wirkung sich zeigen werden.
Drei hießige Kämpfer bei der Armee Mackensen im Südosten fehlen noch in der Heimat: Schreiner Pusch, Martin Wendel und Jakob Heidenreich, alle anderen sind jetzt zu Hause angekommen.

9. Dez. 1918: Heute mittag ½ 12 Uhr fuhren die ersten französischen Offiziere mit Auto durch den Ort. Ei wie flogen da die Mützen der Jungen hier von den Köpfen. Sie, die nie einen deutschen Offizier zu grüßen sich bewogen gefunden hatten, beeilten sich, dies jetzt den französischen unaufgefordert zu tun, da sie irgendwoher es gehört, oder in den Zeitungen es gelesen hatten, daß diese es vorschreiben.

1918
Einzug der französischen Truppen

10. Dez: Um ½ 11 wurde Schreiber dieses eilig zum Bürgermeister gerufen, es seien Franzosen da. Statt seiner eilte der gerade anwesende Pfarrassistent Neuröbel von Bodenheim schnell bereit hinüber und machte den Dolmetscher zwischen Bürgermeister und einem franz. Offizier, der sehr kurz gebunden aber taktvoll sich benahm. Nur der später, als alles Einquartierung von ca. 400 Mann in Schulen, Rathaus und Tanzsäälen schon geregelt war, ein Major und 17 Offiziere in Bürgerquartieren untergebracht waren, hinzukommende französische Dolmetscher schnautzte den Herrn Bgstr. ziemlich von oben herunter an, weil er den „Ortsbauplan“ nicht genau im Kopfe hatte. Am Schluß bot der Herr Bgstr. gleich die obligate Harxheimer „Flasche Wein“ an, was die Herrn dann gleich versöhnte – Schon bald kam dann ein Regiment Fußvolk mit all seinem Troß, mit klingendem Spiel, guter Haltung, weiße … (?), von Gau-Odernheim-Mommenheim her ins Dorf marschiert. Aus den Bagagewagen schaute auch eine lebende Gans und ein Faß mit Zapfhahn heraus. Die Feldküche dampfte bereits. Und „Très bon chambres à coucher“ „trés bon“!! wiederholte der Quartiermacher in seiner Forderung beim Bürgermeister für alle Offiziere. Am Nachmittag suchten sie dann Hähne und Hühner auch Tauben für die Offiziersküche zu kaufen, faßten des Nachbars Hahn kurzerhand am Kopf, warfen 3 Mark auf den Tisch und verließen das Haus. Auch Wein suchten sie zu kaufen. Ein bei uns im Pfarrhaus einquartierter Offizier aus der Umgebung von Paris machte seinem Burschen ein Bett – ohne ein solches that er es nicht – im Nachbarhaus aus, kam auf seinem Rad, sprach sehr viel deutsch und forderte Bücher, um sich darin zu vervollkommnen, gab sich recht anständig, ließ sich von meiner Frau einige Stücke auf dem Klavier (Wagner u. engl. u. franz. Stücke) vorspielen und erzählte von Frau und Tochter, versichert uns in heil. Ernst, wir seien getäuscht worden, Berlin u. Wien hätten den Krieg gewollt, das Unrecht an Belgien und der U-Bootkrieg (Lusitania habe weder Soldaten noch Waffen an Bord gehabt) seien Verbrechen, Deutschland habe Belgien, Nordfrankreich, Serbien u. s. w. annektieren wollen und die franz. Kriegsgefangenen habe man in Deutschland schlecht behandelt, die Engl. u. Am. noch schlechter, darob „Strafe“ leiden! Unterdessen hatten die Offiziersköche die Hühner bei Ackermann und Trapp in Beschlag genommen, beim Bgstr auf Requisition bestellt zur sofortigen Lieferung 4 Pfund Butter zum Backen von 3 Torten u. s. w. Eier sammelte der Polizeidiener für den Bgstr. zum Abliefern 30 Stück wie Befehl, falls sie nicht zusammenkämen „würden sie sich selber holen“ und wir nahmen dies als Beweis dafür, daß die franz. Offiziere besser zu leben gewöhnt als die deutschen. Unser Pfarrhausquartiergast war: J. Paumier, Pharmacien; aide-Major (Regimentsadjutant) des fr. Inf. Rgts. 213. – Das Zimmer duftet nach Parfüm.
Bei Wenderoth in der Wirtschaft haben die fr. Soldaten massenhaft Wein getrunken und 20 Pfg für den 1/2 Liter bezahlt. Darauf hat W. schnell die Wirtschaft geschlossen (?) Anstatt 50 – 70 Mark wie unsere Dorfleute es in den letzten Jahren gewöhnt waren haben sie jetzt 15 Mark für eine Gans erhalten. In der Wirtschaft von Wenderoth haben die fr. Soldaten das Kaiserbild und das von Gen. Feldmarschall von Hindenburg zerrissen, zerschlagen und zertreten. Man kann sich auch leicht denken, wie die Erinnerung an diese siegreichen Größen der letzten 4 Jahre auf französische Gemüter wirken müssen.

11. Dez: Nachdem die Quartiergäste von gestern heute morgen 9 Uhr franz. Zeit (= 10 Uhr deutsche Zeit) mit klingendem Spiel über die Steyge nach Bodenheim abgezogen sind, sind bereits wieder neue angesagt. Dem Quartiermacher von heute sind alle Zimmer für die Offiziere nicht fein genug. Laut Bekanntmachung durch die Ortsschelle sind alle Briefe, welche die Leute schreiben zwecks Controlle auf der Bürgermeisterei abzuliefern. Von abends 8 Uhr bis morgens 6 Uhr haben alle Einwohner zu Hause zu sein. Ohne besonderen Ausweis von seiten der franz. Ortskommandatur darf niemand verreisen. Die Wirtschaften haben von 12 – 1 und von 6 – 8 Uhr offen zu sein und zu anderer Zeit geschlossen. Der Bürgermeister ist persönlich haftbar gemacht.
Größere Truppenmassen sind – sicher wohl wegen des anhaltenden Regens im Laufe des Tages hierher nicht gekommen, wiewohl anhaltend reger Automobilwagenverkehr nach Mainz, stattdessen tauschen unsere Leute ihre Erlebnisse aus. Und da kommt dann noch so mancherlei an den Tag. Im Hause bei Krebs-Reichert lagen viele Franzosen im Massenquartier und benahmen sich recht anständig. Trotzdem mußten sie sich gegen den empfindlichen jungen Besitzer ihr Hausrecht wehren. Wo die Bewohner freundlich und gefällig waren war das gute Verhältnis bald hergestellt, denn die französischen Soldaten sehen eine Ehre darin sich musterhaft zu betragen. Kein Gottesdienst wurde gestört, mit manchen unserer Quartiergäste saßen wir selbst bis zu später Abendstunde in freundlicher Unterhaltung zusammen. Musterhafte Ruhe herrschte nachts auf den Straßen.

19. Dez: Eine große Anzahl Automobile von Mommenheim nach Lörzweiler am Pfarrhaus morgens vorbei. Jetzt kommt keine Zeitung mehr von jenseits des Rheins.

20. Dez: Niemand kann mit der Bahn nach Mainz. Familie Trapp, die mit Trauerkränzen zu einer Beerdigung dorthin wollen, gehen wieder nach Haus, da ihre Reise vereitelt ist.

27. Dez: Morgens 9 Uhr quartiert sich ein sehr freundlicher Feldwebel mit seinem Schreiber bei uns ein: Sergent-major C. Bigot der 2. Ci des Inf. Reg. 92 aus Bezinchat-Friedefort pas Chaudesaignes, Cantal. Bei warmem sommerlichem Wetter geht, da alle Franzosen wieder aus dem Dorfe sind, in aller Stille, ohne Geläute das verhängnisvolle Jahr zu Ende und mit bangen Gefühlen sehen alle dem kommenden entgegen.

 

Joh. Würth, Pfarrer

Jahr Christi 1919

7. Jan: Auf meine Erklärung: „Je suis le pasteur de cette village“ antwortet der französische Hühner suchende Sergant sofort grüßend „merci“ und läßt uns unbehelligt den Hof verlassend.

1919
Unglücksfall

10. Jan: Georg Pusch fällt in der Scheune von Landwirt Reichert so unglücklich, daß er verstirbt.

12. Jan: Cavallerie mit Trompetenfanfaren durchzieht den Ort. Feldtelegraphen, Minenwerfer, Munitionskolonnen, Lastautos, Feldküchen u. zirka 400 Wagen schwerer Artillerie folgen. Vom Pfarrhausfenster aus hören wir bei einem Halt der Colonne ganz deutlich einen Kommandeur 2 seiner Leute anrufen: „Les bosettes* ne sont pas brillés et c´est le jour de la patrie, nous verrons le Rhin aujourd´hui.“ Zug dauert von 8 – ½ 11 Uhr.
* Anm. Red.: möglicherweise ist statt „bosettes“ gemeint „les boches“, abwertend von den Franzosen für „Deutsche“; übersetzt ergibt sich: Die Boches scheinen (vielleicht im Sinn von erscheinen) heute nicht und es ist der Tag des Vaterlandes, wir werden heute den Rhein sehen.

13. Jan: 150 Mann abends von Ebersheim hierher, müßten Morgen wieder fort nach Höchst a. M., sehr gute Haltung.

1919
Wahlen für d. Nationalversammlung und den

19. Jan: Für die Nationalversammlung wurden heute hier am heut. Sonntag an Stimmen abgegeben bei sehr reger Beteiligung auch der Frauen und Mädchen *: 84 für Demokr., 83 für deutsche Volkspartei, 60 für Sozialdem., 53 für Centrum.
* Anm. Red.: am 19. Januar 1919 konnten Frauen erstmals in Deutschland wählen

1919
Hessischen Volkstag

26. Jan: Am heut. Sonntag wurden für die Hess. Volkswahl abgegeben 76 für Demokr., 83 für d. Volkspartei, 50 für Centrum, 62 für Sozialdem.

12. Febr: Schuhmacher und Totengräber Schäfbuch feiert glänzende silberne Hochzeit und das ganze Haus Trapp feiert mit ihrer Dienstmagd Kath. Pusch ihren 25 jähr. Dienst im Hause. Dieselbe wurde reich beschenkt, wie man hört auch von den Verwandten der Familie.

14. Febr: Unser Nachbar läßt sich bei uns 100 gr Schmalz abwiegen, welches der Apotheker für Herstellung einer Pferdesalbe verlangt, da ohne dieses er nicht liefert.

16 Febr: Artill. mit je 12 Pferden am Wagen nach Mainz durch. Drei Geschütze und die Fourage bleiben hier. Offizier im Pfarrhaus, sein Bursche, ein Flame kann deutsch: „Flamisch”.

18. Febr: Ortsschelle um 11 Uhr: „Wer bis 2 Uhr die Straße nicht gründlich gereinigt hat, muß dem franz. Ortskommandanten zur Bestrafung gemeldet werden”.

22. Febr: ¾ 10 Uhr müssen alle Männer von 18 – 50 Jahren antreten und werden vom Bgstr dem Ortskomm. verlesen. Die Eisenbahner u. die Postleute müssen sich vor oder nachher im Pfarrhause bei unserem Offz. zur Stelle melden und entschuldigen.

1919
Franzosen im Ort

23. Febr: Auch heute am Sonntag ein solcher Apell der männl. Ortsbewohner vor der Wohnung des Bürgermeisters. Um 12 Uhr schleifen die Soldaten mit 4 Pferden ein abgezogenes totes Pferd durch die Straßen zum Ort hinaus, um es dort einscharren zu lassen. Es streckt die starren 4 Beine in die Luft, und die Jugend sieht hinterdrein, stumm und erschrocken. Ich besuche am Nachmittag einen bei KV. Brehm einquartierten französischen protestantischen Soldaten, unterhalte mich mit ihm lade ihn zu mir (vergeblich) ein und beschenke ihn mit Ansichtskarten unserer Kirche, was ihn sehr freut.

28. Febr: Seit heute öfters große Pferdeparade vor dem Pfarrhaus. In der Waschküche haben sie mit Kleiderhaken, Fußbrettern, Waschbütten ihre „Douches“ eingerichtet für die gesamte Mannschaft im Dorf. Im Kessel machen sie das Wasser dazu heiß. Von 2 – 3 Uhr Inf. u. Artill. von Mainz nach Mommenheim; darunter Afrikaner, Turkos u. Marokkaner auf weißem Berberhengst mit Turban u. fliegendem Burnus.

1. März: Unsere Hühner bringen wir wieder aus ihrem Stall, wo sie über dem Heuboden in der Kammer seit 14 Tagen eingesperrt waren, da unser Off. uns die Pferde aus dem Gebiet geschafft hat.

2. März: Einzelne junge hieß. Burschen müssen wegen Nichteinhalten der Polizeistunde Franzosenpferde putzen, auch mußte einer, weil er, während seine Genossen die franz. Offiz. grüßten, absichtlich ohne zu Grüßen vorbeiging um sie zu ärgern. Andere mußten, weil sie in ihrem Übermut die Soldaten ausgelacht, Straße kehren und ein Pferd begraben.

8. März: Weil die franz. Offiziere ein großes Souper in ihrem sale à manger bei Adjunkt * Happel haben, kommt unser Off. ausnahmsweise erst nachts um 12 Uhr nach Haus, sonst sehr früh und immer ordentlich.
* Anm. Red.: stellvertretender Bürgermeister

9. März: Da ein franz. Soldat im Gottesdienst ist flechte ich einen französ. Kirchenliedervers in die Predigt ein u. lese das Vater unser nachdem ich es deutsch gesprochen auch noch einmal französisch ab.

11. März: Wenderoths Wirtschaft wurde geschlossen, weil er nach 8 Uhr an franz. Soldaten Wein verkauft. Wachposten stehen davor. Herrliches Frühjahrswetter, die Zivilisten dürfen vom 15ten ab bis 10 Uhr auf der Straße sein, seither nur bis 8 Uhr.

17. März: Von 9 – 10 Uhr an ständig gelbe Afrikaner mit roten Feßen, Artill. mit Pferden u. vielen Maultieren von Leiselheim (b. Worms) durch nach Mz., Fuhrleute aus Leiselheim fahren die Baguage nach.

22. März: ¼ Fuß Schnee in der Nacht. Schon um ½ 8 Uhr durch Ortsschelle sofortige Beseitigung befohlen.

23. März: Franzosen spielen in den Wiesen gegen den Bahnhof hin in Kniehosen u. Wadelstrümpfen Fußball, was unsere Jugend sehr interessiert. Pfeifen können die Afrikaner wie ausländische Vögel ganz täuschend.

2. April: Auf Anordnung des franz. Commandanten haben alle Fuhrwerksbesitzer, die aus dem Acker kommen, ihre Wagenräder vor dem Ort gut zu reinigen, damit die Ortsstraßen rein bleiben.
Herrliches Frühlingswetter längere Zeit.

20. April: Während des Ostergottesdienstes trieben sich wohl aus Neugierde mehrere Franzosen auf dem Kirchenspeicher herum.

1919
Merkwürdige Milchkontrolle

26. April: Aus Darmstadt war ein „Stallkontrolleur“ wegen der Milchablieferung an die Stadt Mainz hier und ging in alle Viehställe. Bei Roßbach befühlte er ein Stück Vieh, stellte in 2 – 3 Monaten ein Kälblein in Aussicht, da mußte ihm der Besitzer die Antwort geben „ja das ist ja ein Ochs, das grigt doch kein Kalb“. In einem anderen Stall stellte er auch in 3 Monaten ein K. in Aussicht, das schon nach 3 Tagen kam. „Sachverständige Beamte”.

2. Mai: Großes Essen im sale à manger weil ein General v. Mainz hier anwesend. Die Truppen packen und rüsten den Abmarsch.

6. Mai: Abfahrt der seit Febr. hier liegenden Truppe nach Bodenheim, wo sie verladen werden nach Poitier in Fr, wo dies Res. Reg. aufgelöst werden soll.

17. Mai: Schwarze vom Senegal liegen im Pfarrhof in der Sonne und reinigen sich von Ungeziefer, sich aller Kleider entledigend. Zwei haben sich von meiner Frau kalte ganze Kartoffeln als Leckerbissen schenken lassen. Es ist auch ein schwarzer Offizier hier im Orte. Diese Leute sind sehr harmlos, haben die Kinder gern u. vertilgen eine Unmenge gekochten Reises Tag für Tag. Letzteren können wir jetzt auch wieder nach Jahren zum erstenmal in Mainz in Geschäften kaufen, welche Wohltat!

25. Mai: Zu Beginn des Gottesdienstes stehen heute, Sonntag, etwa 200 Pferde die Straße aufwärts bis dicht an die Kirchplatztreppe und hindern den ungestörten Zugang. Ein Schwarzer saß während des ganzen Verlaufs sehr anständig in der vordersten Männerbank, machte alles mit und am Schluß das Kreuz.

26. Mai: Außer den Schwarzen haben wir noch eine Abteilung franz. Alpenjäger im Dorf und jetzt 21 Pferde mit der ganzen Musik im Hofe. Da sieht es unbeschreiblich aus. Die Pferde nagen aus Hunger alle Balken in der Scheune durch, die sie erreichen können. Auch fressen sie im Hofe die Äste am großen Birnbaum.

4. Juni: Im Hause spielen 2 Unteroff. derweilen Klavier, einer Flöte, draußen Ziehharmonika, Mundharmonika, Pfeife u. Trompete im Hofe. Andere singen. Ein franz. Offizier, Herr B. Hamel, 2. Ci des 11. Rgts des tirailleurs Senegalais, Sohn des „juge de paix des villes et canton Fecamp (Seine inferieur) wohnt bei uns, hat die „Confess. Augustini“ auf seinem Tisch und freundet sich mit uns sehr an. Trinkt auf Einladung hin mit uns Kaffee.

1919
Tod eines französischen Soldaten

8. Juni: Pfingsten: Im Nachbarhof bei Hammen beschlagen sie bis 12 Uhr Pferde. Ein Soldat, am 5. Juni von der Wache kommend wurde bei Ackermann von seinen Kameraden aufgefordert an eine inzwischen gelegte elektr. Leitung zu greifen, tat es, fiel um und war tot. Wurde in Mainz beerdigt.

9. Juni: Aus dem Nachbarhaus wird ein Franzose nach Mainz ins Lazarett gebracht. Am Senegal hatte er einst das Tropenfieber gehabt, das ist jetzt alle 2 Tage sich steigernd bei ihm ausgebrochen.

10. Juni: Die Alpenjäger, als Südfranzosen die unruhigste Truppe, die hier war, rückt nach Mommenheim ab, und der Hof ist leer. Unsere Hühner, die 3 Wochen auf dem Speicher in einem Kasten versteckt waren, haben wir wieder ins Freie gebracht. Sie haben fast alle Federn verloren, legten nicht mehr und können kaum mehr laufen.

14. Juni: Die Schwarzen haben morgens Stiefel- u. nachm. Gasmasken-Apell.

17. Juni: Nachts ½ 3 Uhr trommelt es am Tor: „Tout le monde partie“. Um 5 Uhr rücken die letzten Franzosen (Schwarze) ab. Nur noch Durchmärsche. Ungeheure Automobilkolonnen voller Siamesen u. Tonkingesen durch nach Mainz. Nachts kurze Zeit 2 Off. im Quartier. Entsetzlicher Staub wirbelt auf, liegt fingerdick auf alles. Auch in den Zimmern überall; staubbedeckte Automobilkolonnen rollen ständig durch die Ortsstraßen.

1919
Französische Kolonialtruppen im Orte

19. Juni: Automobilkolonnen dauernd Tag und Nacht durch. „Formation Siamoise“ steht daran. Schlitzaugen, schwarze Haare und gelbe Gesichter. Ein defektes Automobil liegt im Dorf, ein anderes im Graben auf halber Höhe der Bergstraße. Die 2 siames. Schauffeure kochen sich bei Nachbar Hammen mit Wasser ihren Reis und summen abends monotone Lieder in ihren Wagen, ehe sie einschlafen.

20. Juni: Nochmals 3 Comp. Alpenjäger im Dorf, aber in Massenquartieren.

22. Juni: Kirchweihsonntag. Abends tanzen hießige Mädchen zahlreich mit den Franzosen in Kindinger´s Lokal am Bahnhof, wo ein Musik-Automat spielt. Aber bald zogen die jungen Harxheimer heim wegen allerlei Ärgernissen, die sie, wie man hört, selber angezettelt hatten.

23. Juni: August Schäfbuch ist wegen achtlosen Benehmens von den Franzosen stehenden Fußes nach Ebersheim abgeführt worden. Abends holten die Soldaten den Kirchenschlüssel, läuteten beide Kirchen, weil der Friedensvertrag in Versailles unterschrieben sei. Große Freude bei der Truppe, tötliche Ruhe bei den Bewohnern.

24. Juni: Nachm. 3 –  4 Uhr Conzert der Regts. Musik am hieß. Rathaus. Ein Capitaine der 2. Ci der Alpenjäger hat aus Urlaub Frau u. 11jähr. Sohn mitgebracht und die 3 logieren bei KV. Ernst. Der Sohn des Capitäns führt des öfteren den Hofhund spazieren.

30. Juni: Vorm. 4 Uhr rückte die Truppe nach Ebersheim ab.

1. Juli: Nochmals 1 Offizier im Quartier, die Mannschaften übernachten im Freien ober- u. unterhalb des Ortes, teils auch in Scheunen.

1919
Glockenspende

3. Juli: 4 Maulesel in der Pfarrscheune und 4 Schwarze im Kelterhaus, ein Schreiber in der Gaststube. Alle anständig. Ein Schwarzer fragt in größter Verlegenheit die Frau Pfarrer nach dem Abort, freut sich des Friedens und sehnt sich nach dem Senegal, denn in „Allemagne toujours froid, beaucoup froid“ *.
* Anm. Red.: „Deutschland immer kalt, sehr kalt
Nach Ende Juli kamen von N.-Olm einzelne Schwarze zu ihren früheren hießigen Quartieren zu Besuch und beschenken die Kinder mit Chokolade. Auch Offiziere haben ihre früheren Quartierswirte wieder aufgesucht. Die hießige Gemeinde hat für die franz. Truppen 450 Centner Heu in diesem Jahr zu liefern. Die Frühbirnen kosten 100 Mk per Centner, Johannis- u. Stachelbeeren 1,50 Mk das Pfund, Kirschen 1,80 Mk das Pfund, die Mirabellen 3 Mk, Äpfel 8 Mark, Spätbirnen 7 Mk das Pfund, Zwetschen 60 Mk per Centner, dabei gibt es von allem Obst sehr viel, nur muß es im Felde unreif gebrochen werden, da so entsetzlich viel gestohlen wird. Auch die Frucht und die Kartoffel fallen recht gut aus. Der Wein wird qualitativ gering quantitativ mittelmäßig hat aber enorme Preise.
Nachdem die Kirchenvorsteher Gg. Pf. Frieß und Ernst – andererseits Brehm und Phil. Hammen zirka 8500 Mark für Anschaffung der 2 abgelieferten Glocken von Haus zu Haus gesammelt hatten, gelang es, durch eilige telegraphische Bestellung die 2 Glocken noch zu 12 Mk per Kilo zu erwerben, die einige Tage später 20, und heute (1920) 30 Mk per Kilo u. mehr kosten würden. Bestellung erfolgte am 2. September

8. Sept: Schreiner Pusch erhielt heute mit der Bahn 4 Kisten Waaren, die er im vorigen Oktober in Rumänien abgeschickt hatte.

1919
Keine Kirchwahlen

27. Sept: Einzelne Besitzer sollen heimlich einen Teil ihrer Gerste zu 120 Mk per Doppelzentner verkauft haben, während der erlaubte Preis nur 50 Mk ist. Alle Kirchenwahlen wurden durch Kompromisse überflüssig.

1919
Frühe Kälte

2. Okt: Nach Kälteperioden, die bereits Mitte Sept. an die Frostgrenze gingen schneit es heute ununterbrochen und liegt fast am …

3. Okt. ½ Meter hoch Schnee, während viele Trauben, Kartoffeln und Rüben noch im Felde sind. Für Traubenleserinnen wurde hier 15 Mark Tageslohn bezahlt. Bis 10. Oktober dauerte die Kälte.

1919
Ankunft der Glocken der ev. Kirche

28. Dez: Die Glocken von der Firma F. W. Rincker in Sinn wieder geliefert sind angekommen, weil als Stückgut öfter umgeladen und dadurch vom gleichgültigen Bahnpersonal an den Rändern sehr zerstoßen, was aber ihrem Klange nicht schadet. Aus dem Pfarrgarten haben sich die Konfirmanden viele Körbe voll Buchsbaumzweigen geholt, um sie zu schmücken. Bei mildem Wetter ging still und friedlich hier das schwere alte Jahr zu Ende nachdem am 1. Weihnachtstag nachm. wieder zum erstenmal seit dem Jahre 1913 in der Kirche eine Feier der Kommunal-Kleinkinderschule stattgefunden hatte.

 

Johannes Würth, Pfarrer

 

Jahr Christi 1920

Neue Glocken der ev. Kirche
Neue Turmuhr

Am ersten Jahrestag wurden von Kirchenrechner Böll die 2 neuen Glocken durch alle Ortsstraßen gefahren, während die mittelschwere noch hängende dazu läutete. Die größte Glocke trägt Schmuck und Inschriften der früheren, nur mit dem Zusatz: „erneuert 1919“. Die Kleinste trägt den Spruch: „Und den Menschen ein Wohlgefallen“ und auf der anderen Seite: „Wir starben im Kriege den Glockentod, und sahen – erneuert des Friedens Not“. Sie geben wieder den Dur-Dreiklang fis-ais-cis und läuteten den ersten Sonntag des Jahres ein. Aufgehängt wurden sie, da der Lieferant Rincker für seine Monteure keine Einreise-Erlaubnis noch für das besetzte Gebiet erhalten konnte, durch die Kirchenuhrenfabrik Höckel in Flörsheim a. Main, die jetzt auch auf Kosten der Civilgemeinde eine neue Turmuhr liefern soll. Das Stück Wein kostet hier bis 28000 Mark (= 1200 Liter).

23. Jan: Die Gemeinde hat 17 Wagen Holz aus dem Budenheimer Wald durch die Pferdebesitzer holen lassen. Das Holen kostet 100 Mk per Fuhre.

1920
Ziegenablieferung an die Franzosen
Weinpreise

25. Jan: Die letzten beiden fehlenden Kriegsgefangenen Alois Gärtner und Martin Wahnsiedler sind jetzt aus Frankreich zurückgekehrt.
Die Bürger erhalten noch einmal Holz von jenseits des Rheins, das hieß. Fuhrwerksbesitzer dort in die Eisenbahnwagen geladen und das hier jetzt gleichmäßig verteilt wird. Es ist Eichen- u. Buchenholz. Februar und März brachten schöne Frühlingstage. Nachdem die Pferde vorgeführt, mußten jetzt auch die Ziegen der franz. Kommission vorgeführt werden, und nahm dieselbe 5 Stück weg für nach Frankreich als Kriegsentschädigung. Die deutsche Regierung will den seitherigen Besitzern per Stück 540 Mark vergüten. Die Kühe und Hunde kommen nächsthin an die Reihe.
Zur Tagung der außerord. Dekanatssynode in Nierstein am 10. März waren der Schreiber dieses und die beiden Kirchenvorstandsmitglieder Bgstr Böhm und Ernst von der Kirchengemeindevertretung gewählt und haben ihr auch beigewohnt. Das Stück Wein kostet hier jetzt 30.000 Mk. Nach mildem Februarwetter folgten so prachtvoll schöne Märztage, daß am 29. März der Petersbirnbaum im Pfarrhofe in voller Blüte stand. Auch die Steinobstblüte verlief bei warmem Wetter gut, und war prachtvoll.

1920
Unglücksfall

22. April: Heute erhielten Bürgermeister, Lehrer, und wir im Pfarrhaus hohen Besuch: Der Administrateur der Sektion Mainz, der franz. General Cloudon mit Gemahlin und Begleiter beehrten uns mit ihrer Gegenwart, unterhielten sich in der leutseligsten Weise mit uns, besichtigten den Garten und hinterließen die beste Erinnerung. Bei Bürgermeister und dem kath. Lehrer Gärtner schenkten sie den Kindern Bücher, denen auf der Straße Chokolade u. andere Süßigkeiten. Leider brach, als sie vom Schulhof, wo sie ihr Automobil halten lassend, sich bei den dort weilenden Kindern nach den Wohnungen der zu besuchenden Häuser erkundigten, das morsche Straßengeländer, worauf sich die Kinder lehnten, sodaß mehrere die hohe Mauer herabstürzten und sehr erheblich zu Schaden kamen sodaß sie, z. B. Richard Ackermann und Willi Deiß sofort ärztliche Hilfe hier und in Mainz in Anspruch nehmen mußten. Der hohe Herr half selbst die Kinder aufheben und sprach ihnen Trost zu, was ihm da er gut deutsch spricht auch gelang. Am 25. März d. J. wurde für ¼ Stück (300 Liter) 1917er „Sackträger“ (Oppenheimer Gemarkung) bei der Weinversteigerung der Hess. Domäne der Preis von 201.000 Mark erlöst.
Die jetzt von der ev. Gemeinde Mommenheim ebenfalls bei der Firma Rincker bestellten Glocken kosten per Kilo 65 Mk.

1920
Unglücksfall

13. Mai: Ein bei dem Landwirt Herberg in Mommenheim dienender Russe, der einen kranken Knaben unter Aufsicht der Kinder-Schwester von da in das Spital nach Mainz gefahren hatte, fuhr auf dem Rückweg kurz vor dem hieß. Schulhaus von der Landstraße die hohe Böschung über den wilden Zaun im Bogen hinunter auf den Acker, wo er, der Wagen, das Pferd u. die Schwester im übelsten Zustande ankam. Doch ohne schweren Schaden an Mensch u. Vieh; der Wagen war zerbrochen.

18. Mai: Herr Administrateur, dessen Frau u. Tochter besuchten uns zum zweitenmal und teilen vor dem Pfarrhaus unter die Kinder wieder Chokolade aus.
Nach langen Jahren (1914) wurde Sonntag nach Trinit. wieder ordnungsgemäß die hießige Kirchweihe gefeiert, dabei eine „Reitschule“, Schieß- u. Zuckerbuden und Tanzmusik der Freuden die Fülle boten.

1920
Reichstagswahl
Neue Kirchenuhr

6. Juni: Bei der heutigen Reichstags-Wahl erhielten die deutsche Volkspartei 92, Demokrat. Partei 35, Zentrum 33, Hess. Volkspartei 2, Sozialdem. 16, Unabhäng. Sozial. 18 Stimmen hier im Dorfe.
Von Juli bis in den August dauernde in allen Ställen die Maul- u. Klauenseuche. Wiewohl bei Deiß 2 Kühe bei Frieß ebenfalls 2 Kühe bei Mück, Köhler u. etl. anderen eine Anzahl Ziegen eingingen, trat sie hier verhältnismäßig milde auf. Aber auch Schweine hatten darunter zu leiden.
Die nun für die Civilgemeinde auf dem ev. Thurm vor 14 Tagen aufgestellte Thurmuhr scheint jetzt vom 26. Juli ab endlich richtig gehen und schlagen zu wollen, nachdem sie oft stehen geblieben und noch öfter falsch geschlagen hat. Sie ist (s. Seite 202) für 4400 Mark von Höckel in Flörsheim a. Main geliefert, welcher das alte Werk für 200 Mark zurücknahm, und zeigt die halbe Stunde mit einem Schlag auf der Mittelglocke, die ganze Stundenzahl auf der großen Glocke an. Das Zifferblatt stammt von der früheren Uhr und ist schön erneuert.
Auf dem Dachboden des neuen Schulhauses soll jetzt, um die Wohnungsnot zu steuern, eine Wohnung für eine Familie von der Gemeinde eingebaut werden. Von Mitte Juli bis Mitte August regnete es fast jeden Tag, und wenn es auch stets wieder helle warme Stunden gab, so wurde doch das Einbringen der Ernte sehr erschwert und verzögert. Auch die Weinernte ist durch die rasch und massenhaft auftretende „Aescherich“-Krankheit sehr gefährdet. Obst bringt den Besitzern große Einnahmen, da es sehr viel Frühbirnen (per Kilo 90 Pfg), Reineklauden (per Kilo 75 Pfg) und Zwetschen gibt. Wer eifrig schwefelt und die rechte Zeit dazu benützt, hat auch in diesem Jahre schöne Erfolge.

1920
Einbruch bei Pusch neben der Schule

9. August:  Heute versuchten 3 Brüder, fremde Landstreicher, in dem Pusch´schen Anwesen, dessen Bewohner im Felde beschäftigt waren, einzubrechen und zu rauben. Sie wurden durch Schreiner Hammen bemerkt, hernach durch Einwohner verfolgt, zwei davon in Bodenheim, der dritte in den Elfmorgen erwischt, gründlich mit schlagenden Beweisen über ihr Unrecht belehrt, die Nacht über im hießigen Rathaus verwahrt, bewacht und am nächsten Morgen nach Nieder-Olm ins Gefängnis geführt.

1920
Brandfall

15. August: Als die letzten Mitglieder des gerade versammelt gewesenen ev. Frauenvereins die Kirche verließen, rannte athemlos der Polizeidiener heran, um Sturm zu läuten: es brannte die große an der Straße nach dem Bahnhof zu einsam gelegene gefüllte Fruchtscheuer von Kirchenrechner Jakob Böll, in welcher auch noch Wagen und Maschienen ein Raub der Flammen wurden. Es wird Brandstiftung vermutet, da man eine Zündschnur gefunden haben will: Der Schaden wird auf ……. Mark geschätzt.

11. Sept: Nach einer langen Regenperiode haben heute bei außerordentlich schönem Wetter der erste Bürgermeister von Bad Dürkheim und Luise Lotz, die Tochter des hieß. Weingutsbesitzers Lotz hier in der Kirche ihre Hochzeit gefeiert und hat der Schwager des Bräutigams (Friedr. Dahlem), Herr Superintendent Schauwalter aus Wittenberge das Brautpaar eingesegnet. Dies wird die schönste Hochzeit gewesen sein, die Harxheim je gesehen hat. Beim Ausgang aus der Kirche gaben die Hochzeitsgäste 281 Mark 6 Pfg auf den Opferteller.

Anm. Red.: Hier enden die Aufzeichnungen des Pfarrers Würth.

Es folgen Aufzeichnungen ab 1921, die vom folgenden Pfarrer Heinrich Blank stammen. Zum Wechsel des Pfarrers und seiner Einführung hat er Folgendes geschrieben:

Neubesetzung der Pfarrstelle

Nachdem der frühere Pfarrer der Gemeinde, Johannes Würth, gegen Ende des Jahres 1920 in den Ruhestand getreten war, wurde Pfarrer Landmann zu Mommenheim mit der Versehung des Pfarrdienstes bis zur Neubesetzung der Stelle beauftragt. Am 26. Mai wurde die Pfarrstelle dem derzeitigen Pfarrer Heinrich Blank übertragen, der am Freitag den 29. Juli mit seiner Familie hier eingezogen ist. Am Eingang des neu hergerichteten mit Kranzgewinden und einem Willkommensgruß geschmückten Pfarrhauses wurde der derzeitige Pfarrer durch den Kirchenvorstand, die Gemeinde und die Schule herzlich begrüßt. Am 7. August wurde der neu ernannte Pfarrer durch Herrn Dekan Weiß zu Selzen der Gemeinde vorgestellt und in seinen Dienst eingeführt, wobei er seine Predigt App 4 1 u. 2 zu Grunde legte.

Auszüge der Aufzeichnungen von Pfarrer Johannes Würth von 1909 – 1920 in der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim (aus der Chronik übertragen von S. Schäfer und B. Korte von Januar – März 2022); 

Veröffentlichung durch den Heimat- und Verkehrsverein Harxheim e. V. mit freundlicher Genehmigung der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim-Gau-Bischofsheim.

Johannes Würth in späteren Jahren

Bild: Johannes Würth (1930): Heimatbuch für Wachenheim an der Pfrimm unter Berücksichtigung seiner Umgebung. Mit neuem Vorwort verlegt von Arbeitsgruppe Wachenheim Heimatbuch. Wachenheim. 2013

Die Aufzeichnungen von Pfarrer Würth sind ein sehr authentisches und damit wertvolles Zeugnis über Harxheim zu damaliger Zeit. Der Heimat- und Verkehrsverein Harxheim e.V. dankt der evangelischen Gemeinde für die Möglichkeit, die Aufzeichnungen des Pfarrer Würth in Auszügen auf seiner Internet-Seite zu veröffentlichen. Leser, die sich für die ungekürzte Fassung der Aufzeichnungen interessieren, können sich an das Pfarrbüro der evangelischen Gemeinde in Harxheim wenden.

Quellenangaben:

Chronik der evangelischen Gemeinde Harxheim. Archiv der evangelischen Gemeinde Harxheim.

Würth, Johannes (1930): Heimatbuch für Wachenheim an der Pfrimm unter Berücksichtigung seiner Umgebung. Reprint durch Arbeitsgruppe Wachenheim Heimatbuch. Wachenheim. 2013.

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