Rheinhessens Geschichte vor 1816
Klimatisch günstige Voraussetzungen und der Rhein als Verkehrsader haben zu allen Zeiten Menschen nach Rheinhessen gezogen. So hat die seit 1816 Rheinhessen genannte Region auch schon lange davor bewegte Zeiten erlebt.
Erste Siedlungen gab es in Rheinhessen schon zwischen 4000 – 2000 v. Chr. Um 500 – 100 v. Chr. gründeten die Kelten erste Ortschaften. Danach stand Rheinhessen rund 500 Jahre bis etwa 460 n. Chr. unter römischer Herrschaft. Die Römer haben zahlreiche Spuren hinterlassen und brachten unter anderem den Wein in unsere Region. Nach den Römern übernahmen die Franken die Herrschaft. Auf sie gehen viele Ortsgründungen in Rheinhessen zurück, gut erkennbar an der Ortsendung „-heim“. Mit den Franken setzte auch die Christianisierung ein.
Im 9. Jahrhundert wurde das fränkische Reich geteilt, aus den östlichen Gebieten ging 962 das Heilige Römische Reich mit Kaiser Otto I. hervor. Dieses Reich hatte lange Bestand und ging erst 1806 unter dem kriegerischen Druck Napoleons unter. Charakteristisch für das Heilige Römische Reich war seine starke Zersplitterung in Kleinstaaten, die sich über Jahrhunderte gebildet haben. Einer der wesentlichen Gründe hierfür war das Lehnswesen, bei dem begüterte Lehnsherren Teile ihres Besitzes an gefolgstreue Lehnsmänner vergaben. Mit der Zeit wurde dieser Besitz erblich.
In unserer Region konnten insbesondere der Mainzer Erzbischof und der Pfalzgraf beträchtliche Territorien aufbauen. So entwickelten sie sich zu mächtigen und einflussreichen Herrschern. Im 13. Jahrhundert erhielten sie das Recht, den König des Heiligen Römischen Reiches zu wählen. Dieses Recht war mit dem Titel eines Kurfürsten verbunden (zunächst gab es sieben Kurfürsten, ihre Zahl wuchs später bis auf zehn). Dies vergrößerte ihren Einfluss weiter. Neben diesen mächtigen Kurfürsten gab es in Rheinhessen jedoch viele kleinere Herrscher. 1789 zählte das Gebiet des heutigen Rheinhessens 190 Gemeinden. Hiervon gehörten 92 zur Kurpfalz, 40 zu Kurmainz und die übrigen 58 Gemeinden zu 32 weiteren Landesherren. Harxheim zählte damals zur Grafschaft Falkenstein, die auch die Herrschaft in Dalheim, Biebelsheim, Eckelsheim, Framersheim und Hillesheim innehatte. Alle an Harxheim angrenzenden Gemeinden hatten also andere Obrigkeiten.
1517 begann die Reformation. Einige Landesherren wie z. B. der pfälzische Kurfürst und auch der Graf von Falkenstein wechselten daraufhin ihren Glauben und führten diesen auch in ihren Territorien ein. Hierdurch verschärfte sich die Zersplitterung in Rheinhessen nochmals. So wurden Harxheim und Mommenheim z. B. lutherisch, wohingegen die umliegenden Gemeinden dem alten Glauben treu blieben. In Rheinhessen kam es bemerkenswerterweise jedoch nicht wie andernorts zu Vertreibungen von Gläubigen. Vielfach entstanden – wie auch in Harxheim – Simultaneen, d.h. von zwei Konfessionen gemeinsam genutzte Kirchengebäude.
Die Lage an der „Durchgangsstraße“ Rhein führte dazu, dass Rheinhessen im Lauf der Jahrhunderte immer wieder Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen war. Auch die Nähe zu Frankreich und die häufigen Gebietskonflikte mit dem französischen Nachbarn waren folgenschwer. Besonders verheerend war der pfälzische Erbfolgekrieg (1688 – 1697), mit dem Ludwig IV. von Frankreich – der Sonnenkönig – Gebietserweiterungen nach Osten durchsetzen wollte. Viele rheinhessische Gemeinden trugen in diesem Krieg große Zerstörungen davon.
Zeiten des Umbruchs nach der französischen Revolution
Nach Jahrhunderten der Kleinstaaterei im Heiligen Römischen Reich stellten die Französische Revolution 1789 und ihre Folgen für das Gebiet des heutigen Rheinhessens einen markanten Einschnitt dar. Der Sturz der alten Gewalten in Frankreich löste die Revolutionskriege zwischen Frankreich auf der einen und Österreich und Preußen auf der anderen Seite aus. Letztere wollten verhindern, dass die revolutionären Gedanken auch in ihren Machtgebieten zum Umsturz führten. Im Zuge der Kriege eroberten die Franzosen ab 1794 dauerhaft das linksrheinische Gebiet. 1792/93 konnten sie sogar für eine kurze Zeit Mainz einnehmen, was zur Gründung der Mainzer Republik, dem ersten demokratischen Staatswesen auf deutschem Boden führte. Da Mainz im Juli 1793 wieder von den Preußen eingenommen wurde, war ihr nur eine kurze Lebensdauer von März bis Juli 1793 beschieden.
Im Frieden von Campo Formio wurden Frankreich 1797 die linksrheinischen Gebiete zuerkannt, das heutige Rheinhessen wurde damit von 1798 bis 1814 französisch. Dies hatte massive Folgen über alle Bevölkerungsschichten hinweg. Unsere Region wurde in elf Kantone eingeteilt, die dem Département Mont Tonnère (Départment Donnersberg) angehörten. Harxheim zählte zum Kanton Nieder-Olm. Die Franzosen führten eine einheitliche und straffe Verwaltung ein. Staat und Kirche wurden getrennt. Die Menschen erhielten mehr Freiheiten und Rechte. So wurden Feudalabgaben wie der Zehnte abgeschafft, die Leibeigenschaft aufgehoben und die Gewerbefreiheit eingeführt. Die Rechtsprechung wurde mit Inkrafttreten des Code civil in 1804 reformiert und vereinheitlicht. Klöster und Kirchen verloren im Rahmen der Säkularisation ihren Besitz.
Die durch die Franzosen eingeläutete neue Zeit hatte nicht nur positive Folgen für die Menschen. Letztlich lernten sie jedoch offensichtlich die neuen Freiheiten schätzen und waren nicht bereit, diese 1816 infolge ihrer nunmehrigen Zugehörigkeit zum Großherzogtum Hessen wieder aufzugeben. Dies wird deutlich aus der Zusicherung des hessischen Großherzogs Ludwig I., die er in folgender Passage der Besitzergreifungsurkunde, erschienen am 11. Juli 1816 in der Großherzoglich Hessischen Zeitung, gab: „Reste des Feudalsystems, die Zehnten und Frohnden, sind und bleiben in diesen Landen unterdrückt; das wahrhaft Gute, was Aufklärung und Zeitverhältnisse herbeiführt, wird ferner bestehen“. Tatsächlich waren die folgenden Jahrzehnte in Rheinhessen – wie auch andernorts – von der Restauration und dem dagegen gerichteten Streben nach Demokratie und einem deutschen Nationalstaat geprägt.
Wie es mit Rheinhessen weiterging und wofür Rheinhessen heute steht, kann man hier lesen …
Quellenangaben:
Rettinger, Elmar (2005). Der Kreis Mainz-Bingen in der Geschichte. https://www.regionalgeschichte.net/fileadmin/Superportal/Bibliothek/RettMainzBingen2005.pdf
Rick, Josef (1967): Weinbaugemeinde Harxheim. In: Gemeinde Harxheim (Hrsg.): Festschrift. 1200 Jahre Weinbaugemeinde Harxheim.
www.regionalgeschichte.net/bibliothek/aufsaetze/grathoff-geschichte-rheinhessens.html