von | Mai 8, 2023

Das Wahrzeichen von Harxheim

Gleich drei Bauwerke wetteifern um den Titel Das Wahrzeichen von Harxheim. Welches ist es denn wirklich?

Ist es der typische Blick entlang der Gaustraße in Richtung der evangelischen Kirche? Oder ist es die andere Richtung – entlang der Steig nach oben zur Höhe? Ist es rechts das Kapellchen oder links der Schlossbergturm?

Der Blick auf die evangelische Kirche gehört fest zu unserem Ortsbild.

In alten Heimatbüchern oder Veröffentlichungen zur Ortsgemeinde Harxheim wird diese Ansicht häufig verwendet.

Durch diese Perspektive wird ein sehr bedeutendes Gebäude erfasst, das die wechselvolle Geschichte von Harxheim zum Ausdruck bringt.

Blick durch die Gaustraße auf den markanten Turm der evangelische Kirche

Bildquelle: Irmgard Kaiser-Vreke

Das Kapellchen als Stempel auf einer Postkarte aus dem Jahr 1914

1250 Jahre Harxheim, Festbuch 2017

Oft wird man jedoch hören, das eigentliche Harxheimer Wahrzeichen sei das Kapellchen auf dem Osterberg.

Hier ist eine Postkarte von 1914 mit einem Stempel, der das Kapellchen zeigt.

Über 150 Jahre steht es schon auf dem Osterberg. Den Anstoß zum Bau gab Sabina Lambinet (1834-1916). Die frommen Eltern Anna-Maria und Louis Lambinet errichteten im Jahr 1864 das Kapellchen am Osterberg. Sabina und ihre beiden Schwestern Barbara und Katharina, die ab 1870 die Harxheimer Filialkirche St. Laurentius betreuten, besuchten täglich die Heilige Messe in Gau-Bischofsheim. Auf dem Heimweg verrichteten sie eine Andacht am Kapellchen.

Der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler besuchte am 15. Mai 1866 das Kapellchen und gab den Besitzerinnen die Erlaubnis, einen Kreuzweg zu errichten. Dieser wurde allerdings nie realisiert. Dem Wingertsschützen diente das Kapellchen während der Weinbergshut als Unterstand.

Eine Gruppe der Hitlerjugend zerstörte am 1. April 1934 den ursprünglich hölzernen Aufbau des Kapellchens. Das massive Türmchen entstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Im Zuge der 1200 Jahr-Feier im Jahr 1967 machte es sich der Spielmannszug zur Aufgabe, das bis dahin schon sehr verfallene Bauwerk in Eigenleistung zu renovieren und ein großes Kreuz auf dem Turm anzubringen. Anlässlich des Festumzuges wurde ein Wagen mit einer Nachbildung des Kapellchens präsentiert.

Durch Erbschaft veränderten sich die Besitzverhältnisse des Kapellchens. Im Jahr 1978 übertrug die damalige Eigentümerin Maria Friedrich das Kapellchen an die katholische Kirchengemeinde Harxheim/Gau-Bischofsheim.

Renovierungsarbeiten am Kapellchen 1967

Bildquelle: Christel Deiß

Festschrift zur Einweihung des renovierten Kapellchens 17.05.1980 

„Rettet das Kapellchen”, so lautete der Aufruf einer Initiative unter der Leitung von Heinz Hock, um das vom Verfall bedrohte Gebäude zu bewahren. In der Festschrift zur Einweihung des renovierten Kapellchens am 17. Mai 1980  fasst er die Geschichte des Bauwerkes wie folgt zusammen: „Fast 115 Jahre hatte das Kapellchen schon auf dem Buckel, war Wind und Wetter ausgesetzt, war von Menschenhand zerstört und wieder aufgebaut worden – sollte man es nicht endgültig seinem Schicksal überlassen? Und doch: es war und ist vielleicht kein großes Denkmal der Baukunst, aber war es nicht eine Art Wahrzeichen, dem das Harxheimer Neubaugebiet zu Füßen lag?”

Zur Harxheimer Kerb 1978 startete die Initiative „Rettet das Kapellchen“. Mit dem Verkauf von Kugelschreibern und Schlüsselanhängern sowie durch viele Spenden konnten die notwendigen finanziellen Mittel aufgebracht werden.

Ein schmiedeeisernes Kreuz mit Beleuchtung schmückt seit 1986 das Kapellchen. Es ist eine Anfertigung und Stiftung von Willi Buchert.

Im Rahmen der Ehrenamtsinitiative des Kreises Mainz-Bingen initiierte Klaus-Werner Fritzsch im Jahr 2008 eine erneute Renovierung.

Das Kapellchen im Jubiläumsjahr 2017

Bildquelle: Irmgard Kaiser-Vreke

Der Harxheimer Schlossbergturm

Bildquelle: Irmgard Kaiser-Vreke

Fragt man allerdings Harxheimer Kinder, so sagen viele, dass der Schlossbergturm das Wahrzeichen und die Besonderheit der Gemeinde ist.

Der Schlossbergturm wurde auf Initiative des Harxheimer Bauern- und Winzervereins errichtet. Im September 1999 wurde er feierlich eingeweiht und ist ebenfalls zu einem Wahrzeichen des Ortes geworden. Der Turm ist nach der Weinbergslage Schlossberg benannt. Vier Bänke, gespendet vom Sonntagsstammtisch der Gutsschänke Reßler im Jahr 2000, laden Wanderer zum Verweilen ein.

Foto anlässlich der Wanderung auf den Harxheimer Gemarkungsgrenzen von 1816 im Rahmen der Feiern zu „200 Jahre Rheinhessen“

Bildquelle: Irmgard Kaiser-Vreke

Dieser Platz, mit einem wunderschönen Blick über Harxheim, wird auch gerne für Veranstaltungen genutzt. Das Harxheimer Schlossbergturmfest, organisiert von Harxheimer Vereinen, war über mehrere Jahre eine gut besuchte Attraktion.

Nun kann/muss jeder selbst entscheiden, welches für ihn das eigentliche Wahrzeichen von Harxheim ist!

Quellenangaben:

Harxheimer Kapellchen 1864/1980. Festschrift zur Einweihung des renovierten Kapellchens am 17. Mai 1980.

 Private Aufzeichnungen von Klaus-Werner Fritzsch

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