von | Mai 8, 2023

Harxheim und die Grafen von Falkenstein

Was hat Harxheim mit einem Grafengeschlecht zu tun, dessen Stammsitz auf der knapp 60 Kilometer entfernten Burg Falkenstein bei Falkenstein/Donnersberg liegt? Die Antwort ist einfach – eine lange gemeinsame Geschichte.

Bereits 1190 erhielt der Ministerial Werner II. von Bolanden Lehen in Harxheim. Als Parteigänger der Staufer gelang es ihm geschickt, seinen Besitz deutlich zu vergrößern. Als sich um 1220 die Familie von Bolanden in drei Linien aufteilte – Bolanden, Hohenfels und Falkenstein – kam Harxheim zum Besitz der Falkensteiner. Philipp IV. von Bolanden (verstorben nach 1271), der Urenkel Werner II. von Bolandens, nannte sich daraufhin als erster Philipp I. von Falkenstein. Der neue Stammsitz dieser Linie wurde die bereits erwähnte Burg Falkenstein, die heute nur noch eine Ruine ist. Philipp I. von Falkenstein nahm auch auf reichspolitischer Ebene eine wichtige Rolle ein, denn er wurde unter anderem mit der Bewachung der Reichskleinodien (u.a. der Reichskrone und der Heiligen Lanze) auf Burg Trifels betraut und 1257 zum Reichskämmerer ernannt. Durch seine Ehe mit Isengard von Münzenberg, die auf Grund eines fehlenden männlichen Nachkommen einen Teil des Münzenberger Besitzes erbte, sowie durch geschickte Politik konnten er und sein Sohn Werner I. von Falkenstein ihr Territorium im Rhein-Main-Gebiet erweitern. Der Sitz der Familie verlagerte sich nun in die Wetterau, weswegen sie fortan als hessisches Adelsgeschlecht bezeichnet wurden. 1397/1398 schließlich wurde Philipp VII. von Falkenstein in den Grafenstand erhoben.

Mit dem Tod des Trierer Erzbischofs Werner III. von Falkenstein im Oktober 1418 starben die Grafen von Falkenstein im Mannesstamm aus. Das Erbe – unter anderem auch die Grafschaft Falkenstein mit Harxheim – fiel an Ruprecht IV. von Virneburg. Dieser hatte Agnes von Solms, Tochter des Grafen Otto von Solms und Agnes von Falkenstein, die eine Schwester des eben genannten Werner III. von Falkenstein war, geheiratet. Bereits sein Sohn Graf Wilhelm von Virneburg-Falkenstein musste die Grafschaft 1456 an Wirich VI. von Daun verkaufen. Ab 1518 fügte auch dieses Geschlecht den Zusatz Falkenstein dem eigenen Namen an und nannte sich Grafen von Daun-Falkenstein. Bei der Aufteilung des gräflichen Besitzes durch Wirich von Daun-Falkenstein erhielten die drei Grafensöhnen Philipp, Sebastian und Johann jeweils einen Teil. Harxheim gelangte dabei als Teil der Grafschaft in den Besitz des letztgenannten. Dies ist von Bedeutung, da Johann, der die Linie Daun-Falkenstein-Falkenstein begründete, sich bereits zu dieser Zeit zum Protestantismus bekannte. Auch in Harxheim wurde daraufhin das lutherische Bekenntnis eingeführt. Die Linie Daun-Falkenstein-Falkenstein starb 1628 im Mannesstamm aus. Damit fiel das Erbe an die Linien Falkenstein-Oberstein und später Falkenstein-Broich. Zeitgleich machten auch die Grafen von Löwenhaupt-Rassberg und Manderscheid-Keil, da sie in weiblicher Linie ihre Abstammung auf das Haus Daun-Falkenstein-Falkenstein zurückführten, Ansprüche auf die Grafschaft geltend konnten sich aber nicht durchsetzen.

Nur knapp 120 Jahre später verkaufte Wilhelm Wirich im März 1667 die Grafschaft für 18.000 Reichstaler an Herzog Karl IV. von Lothringen, der die Grafschaft an seinen Sohn Prinz Karl Heinrich von Vaudemont übergab. Ein Grund hierfür waren unter anderem Erbstreitigkeiten, nachdem der einzige Sohn Wirichs 1659 „meuchelmörderisch erschossen worden war“ (Heintz, S. 86). Bereits 1660 war daher ein geheimer Vertrag zwischen Daun-Falkenstein und dem Lothringer über den Verkauf der Grafschaft geschlossen worden. Als am 25.5.1667 die Grafschaft an den Herzog von Lothringen übergeben wurde, war auch mindestens ein Vertreter Harxheims anwesend.

Durch die 1736 geschlossene Ehe von Herzog Franz Stephan von Lothringen und Maria Theresia gelangte die Grafschaft und der damit verbundene Titel schließlich an das Haus Habsburg und wurde dessen nördlichster Ort. Es wird berichtet, dass Kaiser Joseph II., der Sohn Franz Stephans und Maria Theresias, den Titel eines Grafen von Falkenstein nutzte, wenn er inkognito reiste. Nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch die französische Armee und dem Vertrag von Luneville 1801 trat Österreich den Falkensteiner Besitz an die Französische Republik ab. Dies bedeutete das Ende der Grafschaft.

Im Laufe der Zeit wurden die Rechte und Pflichten zwischen dem jeweiligen Falkensteiner Herrn und Harxheim bzw. auch die Regeln für das Zusammenleben der Harxheimer und Harxheimerinnen untereinander in sogenannten Weistümern festgehalten. Für Harxheim existieren noch vier solcher Aufzeichnungen im Landesarchiv Speyer, die zwischen 1469 und 1758 durch den jeweiligen Vogt sowie die Schöffen des Gerichts Harxheim niedergeschrieben wurden. So wurde beispielsweise festgehalten, welche Abgaben zu leisten oder wie die öffentlichen Ämter der Schöffen und andere zu besetzen waren. Auch die Nutzung öffentlicher Einrichtungen zum Beispiel das Bannbackhaus war hierin geregelt, ebenso das Strafmaß für bestimmte Vergehen.

Quellenangaben:

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