von | Dez 9, 2022

Schick´sches Weingut

Der 1725 für die Mainzer Familie Schick errichtete Hof wurde 1906 vom letzten Nachkommen der Familie inklusive der zugehörigen Weinberge der Stadt Mainz vererbt. Die Weinberge werden derzeit vom Weingut Fleischer in Hechtsheim gepachtet und unter dem Namen „Weingut der Stadt Mainz“ vermarktet.

Das Hofgebäude wurde 2018 separat verkauft und dient nach umfassender Restauration heute als privater Wohnsitz.

Das Anwesen ist im Denkmalverzeichnis des Kreises Mainz-Bingen aufgeführt.

Eingangstor vom Weingut der Stadt Mainz im Jahr 1937, die Madonnenfigur auf dem Tor befindet sich heute im Landesmuseum in Mainz

Bildquelle: Stadtarchiv Mainz, bpsf1950a

Der Hof – auch bekannt unter dem Namen „ehemaliges Weingut der Stadt Mainz“ bzw. „Schick’sches Weingut“ – wurde 1725 für Wendelin Schick aus Mainz erbaut. Er stammte aus einer der angesehensten Mainzer Bürgerfamilien. Zum Gut gehörten neben Weingärten auch Äcker und Baumbestände.

Der ehemalige Dreiseithof bestand aus dem Wohngebäude rechts, den früheren Stallungen links und einer hinten im Hof quer liegenden Scheune (inzwischen abgebrochen). Wohngebäude und Stallungen haben ein Walmdach. Das Wohnhaus steht auf einem Sockel. Das Erdgeschoss wurde massiv errichtet, das darüber liegende Stockwerk erscheint als Fachwerk. Vermutlich hat sich im Wohnhaus auch das Kelterhaus befunden. Unter dem Wohnhaus liegt ein Keller mit Kreuzgewölben. Im Wappenstein über dem Torbogen sind ein Winzermesser und ein Engelskopf zu sehen. Rechts neben dem Torbogen befindet sich ein weiterer Zugang über eine Fußgängerpforte.

Das Anwesen blieb zunächst fast 200 Jahre im Besitz der Familie Schick, bis Joseph Hermann Maximilian Schick, der ohne Nachkommen war, es 1906 der Stadt Mainz vererbte. Ältere Harxheimer wussten zu berichten, dass er das Weingut ursprünglich der Gemeinde Harxheim hinterlassen wollte, diese jedoch aus mehreren Gründen hieran nicht interessiert war. Eine Anekdote besagt, dass Joseph Schick im Testamentsnachtrag sein Hündchen Molly dem damaligen Mainzer Oberbürgermeister Dr. Göttelmann vermachte.

Pfarrer Würth berichtet in der Chronik der evangelischen Gemeinde von einem außerordentlich guten Weinjahr 1911, in dem der Abschluss der Lese mit vielen Umzügen im Ort gefeiert wurde. Den schönsten Umzug soll die Stadt Mainz für ihre Arbeiter im Weingut veranstaltet haben. Sie zogen in farbenprächtigen Kostümen und von Musikern begleitet durch die Gassen. Den Schluss des Umzugs bildete Gott Bacchus hoch zu Wagen, der auf seinem Thron sitzend einen goldenen Pokal schwenkte. Für die Ratsfamilien der Stadt Mainz und den damaligen Oberbürgermeister Göttelmann gab es im Anschluss noch ein Freiessen und Tanz beim Gastwirt Wenderoth im Haus Krone.

Herbstabschlussfest im Weingut der Stadt Mainz 1911

Bildquelle: Ortsgemeinde Harxheim

Herbstabschlussfest im Weingut der Stadt Mainz 1913

Bildquelle: Stadtarchib Mainz, bpsf6710a

Ansicht aus der Obergasse mit Weingut der Stadt Mainz, ca. 1935 (Postkartenausschnitt)

Bildquelle: G. Krämer

Die Stadt Mainz führte das Weingut bis zum Ende des zweiten Weltkriegs selbst bzw. setzte Verwalter ein. Ab 1946 verpachtete sie das Weingut, von 1959 bis 1993 waren Werner und Waltraut Husar die Pächter. Herr Husar war ein äußerst innovativer und qualitätsorientierter Winzer. Aufgrund seiner Verdienste um den Erhalt des Weingutes wurde das Ehepaar 1985 mit dem GROßEN WAPPENSCHILD DER STADT MAINZ ausgezeichnet.

Seit 1994 ist das Weingut an das Weingut Fleischer in Hechtsheim verpachtet. In den Folgejahren wurde der damals sanierungsbedürftige Hof restauriert. Von 1998 bis 2012 erlebte das Anwesen unter dem Gastronomen Frank Brunswick eine neue Blütephase als überregional bekanntes „Restaurant im Weingut der Stadt Mainz“. Nach Auslaufen des Unterpachtvertrages für das Restaurant fand sich jedoch kein neuer Pächter.

2018 wurde der Hof an die jetzigen Eigentümer verkauft, die ihn nach umfassender Sanierung für private Wohnzwecke nutzen.

Weingut der Stadt Mainz um 1967

Bildquelle: Festschrift 1967: 1200 Jahre Weinbaugemeinde Harxheim

Quellenangaben:

Cöster, Werner (1995): Weingut der Stadt Mainz. In neuem Glanz unter neuer Führung. Dokumentation 1906 – 1995.

 Krienke, Dieter (2011): Verbandsgemeinden Bodenheim, Guntersblum und Nieder-Olm. In: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege 18, Kreis Mainz-Bingen (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Worms.

 Reßler, Tanja (2017): Weingut der Stadt Mainz. In: Ortgemeinde Harxheim (Hrsg.): Festbuch 2017. Harxheim. Eintausendzweihundertfünfzig. Selzen. S. 144 – 145.

 Würth, Johannes (1909 – 1920): Aufzeichnungen in der Gemeindechronik der evangelischen Gemeinde Harxheim. Archiv der evangelischen Gemeinde Harxheim.

Weitere Beiträge

Das Kriegerdenkmal – Gedenksäule zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71

Basierend auf Recherchen von Franz GötzAn der Nordseite der evangelischen Kirche steht heute das Kriegerdenkmal zur Erinnerung an die Teilnehmer...
Weiterlesen

Weinbau in Harxheim – Die Firmengeschichte von Pflugbau Bücking

Am östlichen Ortausgang von Harxheim liegt das Gelände der Schlosserei Buchert. Bis 1970 wurden hier Weinbergspflüge produziert, die weit über...
Weiterlesen

Familie Lambinet in Harxheim

Die Höfe in der Untergasse 21 und der Untergasse 18 sind eng verknüpft mit der Geschichte der Familie Lambinet in...
Weiterlesen

Bäckerei Darmstadt

In der Obergasse 25 war bis 1969 die Bäckerei Darmstadt, eine der zwei Harxheimer Bäckereien, ansässig. Neben der Bäckerei wurde...
Weiterlesen

Forstbaumscher Hof

Der Forstbaumsche Hof ist das einzige Bauwerk mit herrschaftlichem Charakter in Harxheim. Seinen Namen verdankt das im 18. Jahrhundert errichtete...
Weiterlesen

Schick´sches Weingut

Der 1725 für die Mainzer Familie Schick errichtete Hof wurde 1906 vom letzten Nachkommen der Familie inklusive der zugehörigen Weinberge...
Weiterlesen

Guts- und Weinhof Happel

Im stattlichen Hof in der Obergasse 1 befanden sich bis zu Beginn der 1970er Jahre der landwirtschaftliche Betrieb und das...
Weiterlesen

Der Röhrbrunnen

Der Harxheimer Röhrbrunnen ist ein fester Bestandteil des alten Ortskerns und war früher der Dorfbrunnen. Heute hat er diese Funktion...
Weiterlesen

Altes Rathaus

Der frühere Sitz der Ortsverwaltung wird von den Harxheimern liebevoll Altes Rathaus genannt. Die Ortsverwaltung befindet sich inzwischen in modernen...
Weiterlesen

Ehemaliger Guts- und Weinhof Rösch

Die in Backstein errichtete große Hofanlage in der Mainzer Straße 1 beeindruckt durch ihr geschlossenes und ursprünglich erhaltenes Erscheinungsbild. Das...
Weiterlesen

Die Gaustraße

Durch Harxheim verläuft heute die Landesstraße L425. Sie entspricht in großen Teilen der von 1826 – 1830 gebauten Gaustraße. Die...
Weiterlesen

Bäckerei Böhm

In dem gut erhaltenen Hof befand sich bis Ende der 1960er Jahre die Bäckerei der Familie Böhm. Die Familie stellte...
Weiterlesen

Messigny-et-Vantoux-Platz

Die Gemeinden Harxheim und Messigny-et-Ventoux in Burgund sind seit 1982 durch eine Partnerschaft verbunden. Der Messigny-et-Ventoux-Platz erhielt seinen Namen 1983...
Weiterlesen

Historisches Weingut Lotz

Von Tanja Reßler und Siegfried SchäferEingebettet zwischen Ober- und Untergasse und durch die Kegelbahn begrenzt, liegt das herrschaftliche Anwesen sowie...
Weiterlesen

Der Eckstein

Radabweiser zum Schutz von Gebäudeecken und Toreinfahrten nutzten schon die alten Römer. In Harxheim sind zwei Exemplare erhalten geblieben.Christian Frieß...
Weiterlesen

Metzgerei und Wirtschaft Fritzsch

Von Klaus-Werner Fritzsch und Siegfried SchäferOhne Worscht, ohne Woi…. so und nicht anders hätte auch eine Familienhymne der alteingesessenen Metzger-Dynastie...
Weiterlesen

Haus Krone

Das Haus Krone – heute im Privatbesitz – blickt auf eine interessante Geschichte zurück. In den ersten Jahrzehnten des vorigen...
Weiterlesen

Die katholische Kirche in Harxheim

Nach Beendigung des Simultaneums 1869 errichteten die Katholiken 1870 ihre eigene Kirche direkt gegenüber der evangelischen Kirche. Sie wurde dem...
Weiterlesen

Die evangelische Kirche in Harxheim

Die evangelische Kirche in Harxheim stammt aus dem Jahr 1873. Doch schon viele Jahrhunderte davor hat an dieser Stelle eine...
Weiterlesen

Die Buntglasfenster der evangelischen Kirche

Die schönen und künstlerisch wertvollen Buntglasfenster an den Seiten des Kirchenschiffs der evangelischen Kirche wurden vom renommierten Mainzer Künstler Gustel...
Weiterlesen