von | Mrz 8, 2023

Bäckerei Darmstadt

In der Obergasse 25 war bis 1969 die Bäckerei Darmstadt, eine der zwei Harxheimer Bäckereien, ansässig. Neben der Bäckerei wurde auch ein Kolonialwarenladen betrieben.

Obergasse 25 im Jahre 1909

Bildquelle: Franz Götz (Ausschnitt aus einer Postkarte aus Harxheim von 1909)

Das Wohnhaus in der Obergasse 25 ist ein verputzter Fachwerkbau. Ein Erbauungsjahr ist nicht überliefert. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts setzten sich allerdings Backsteinbauten durch, so dass das Gebäude davor errichtet sein dürfte. Hinter dem Haus schließt sich rechtwinklig eine Scheune an, die zum Haus hin in einen ebenerdigen Gewölbekeller führt. Tieferliegende Keller wurden nicht gebaut, da das Gelände damals sehr feucht war.

1894 wurde das Anwesen von dem Bäcker Philip Darmstadt erworben. Er richtete hier eine Bäckerei und einen Kolonialwarenladen ein, die von der nächsten Generation bis 1969 fortgeführt wurden. Ab Mitte der 1950er Jahre übte auch der Enkel hier einige Jahre mit seinem Vater zusammen das Bäckerhandwerk aus, orientierte sich jedoch später beruflich um.

Die Bäckerei verfügte über einen großen Backofen mit einer Backfläche von 3,20 m mal 2,60 m Fläche, der mit Briketts beheizt wurde. Nicht nur die Bäckerwaren wurden hier gebacken, die ortsansässige Bevölkerung konnte auch ihre Kuchen und ihr Weihnachtsgebäck zum Backen abgeben. Jede Familie legte auf ihr mit Kuchen belegtes Backblech ein Erkennungszeichen, um nach dem Backen den eigenen Kuchen wieder sicher identifizieren zu können.

Das Produktsortiment der Bäckerei war früher natürlich deutlich bescheidener als heute. Unter der Woche gab es Roggenbrot und Mischbrot sowie auf Bestellung Kastenweißbrot. Brötchen waren lediglich am Wochenende zu haben, das Angebot umfasste dann neben Milchbrötchen auch Paar- und Spitzweck.

Gründerenkel Egon Darmstadt als junger Bäckergeselle 1955

Bildquelle: E. Darmstadt

Früherer Eingang der Bäckerei und Kolonialwarenhandlung der Familie Darmstadt

Bildquelle: E.-L. Happel

Das Angebot im Kolonialwarenladen war im Vergleich zu einem heutigen Supermarkt eher klein. Obst und Gemüse bauten die Kunden in ihren Gärten selbst an; Milch, Butter und Fleischprodukte gab es direkt beim Erzeuger. Im Kolonialwarenladen kaufte man Getreideprodukte wie Mehl, Gries und Graupen, getrocknete Hülsenfrüchte, Reis, Zucker, Salz, Kaffeebohnen und Gewürze. Zu den besonderen Leckerbissen zählten in Salz eingelegte Heringe aus dem Fass. Auch Tabakwaren waren zu haben. Selbstbedienung gab es natürlich nicht. Die meisten Waren wurden lose verkauft. Sie lagerten in großen Schubladen und wurden dem Kunden von der Bäckersfrau in der gewünschten Menge abgewogen und in eine Spitztüte aus braunem Papier verpackt – eine frühere Form der heutigen „unverpackt“-Konzepte.

Eine Treppe vor dem Haus führte damals in den Verkaufsraum. Hier trafen sich regelmäßig Einheimische und tauschten sich – gerne auf der Treppe sitzend  – über die jüngsten Ereignisse im Ort aus. So war man nach einem kleinem Plausch wieder auf dem Laufenden.

Links neben dem Haus im Garten ist noch ein Taubenhaus aus den 1950er Jahren erhalten. Früher hatten die Hausbewohner – wie viele andere Harxheimer Höfe – auch Tauben in einem Taubenschlag unter dem Dach gehalten. Mit einer guten Füllung versehen galten sie – nicht nur in schlechten Zeiten – als willkommener Leckerbissen und bereicherten die Speisekarte.

Quellenangaben:

Gespräche mit Egon und Erika Darmstadt

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