Familie Lambinet in Harxheim
Die Höfe in der Untergasse 21 und der Untergasse 18 sind eng verknüpft mit der Geschichte der Familie Lambinet in Harxheim. Ludwig Remakle Lambinet, seit 1832 Eigentümer des Hofes in der Untergasse 21, ließ 1837 das gegenüber liegende Gebäude (Untergasse 18) mit dem wohl einzigen Tabakspeicher in Rheinhessen erbauen. 1864 errichtete die Familie auf Initiative der Tochter Sabina das Harxheimer Kapellchen, heute ein Wahrzeichen unserer Gemeinde.
Die Höfe sind im Denkmalverzeichnis des Kreises Mainz-Bingen aufgeführt.
Der Hof in der Untergasse 21, heute noch bekannt als Fechenbacher Hof, wird schon 1717 urkundlich erwähnt. Damals wurde eine Forderung beurkundet, die mit dem Verkauf eines in Harxheim gelegenen Gutes von den Grafen Löwenhaupt/Manderscheid an Obristleutnant von Fechenbach entstanden ist.1) Der Stammsitz des alten Adelsgeschlechtes der Fechenbach liegt im Odenwald. Die Familie hatte jedoch auch Verbindungen nach Mainz. 1783 kam sie durch Erbschaft in den Besitz des am Ballplatz in Mainz gelegenen Fechenbacher Hofes.
Blick auf die zum Fechenbacher Hof gehörende Scheune (nach dem zweiten Weltkrieg abgerissen), im Hintergrund der damals verputzte ehemalige Tabakspeicher
Bildquelle: Kilian Neudecker
Der Fechenbacher Hof in Harxheim wurde der rheinland-pfälzischen Denkmaltopographie zufolge erst Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet. Demnach hätte die Familie Fechenbach das Gebäude neu gebaut, nachdem sie das Gut gekauft hatte. Ursprünglich gab es rechts vom Haupthaus noch eine Scheune, die nach dem zweiten Weltkrieg abgerissen wurde.
Das Gebäude hat einen winkelförmigen Grundriss und ist – möglicherweise wegen des früher feuchten Untergrunds – nicht unterkellert. Das Erdgeschoss ist gemauert, darüber befindet sich eine Fachwerkkonstruktion. Unter dem Walmdach ist noch der originale Dachstuhl aus Eichenholz. Der westlich vom Gebäude gelegene Garten ist mit einer alten Bruchsteinmauer umfasst.
Die Epoche der Familie Lambinet
Das Adelsgut wurde Anfang des 19. Jahrhunderts unter französischer Verwaltung enteignet und im Zuge der Säkularisation 1803 von staatlicher Seite verkauft. Der Käufer verkaufte es 1805 weiter an den Friedensrichter Dr. Christian Brellinger, der als junger Jurist u.a. bei den Schinderhannes-Prozessen tätig gewesen war. 1832 wurde Ludwig Remakle Lambinet (* 1807 + 1864), ein Mündel von Dr. Brellinger, Eigentümer des Gutes. Hiermit begann die bis Ende des letzten Jahrhunderts reichende Geschichte der Familie Lambinet in Harxheim.
Ludwig Remakle hatte 1825 in Mainz eine Küferlehre begonnen und war danach auch im Ausland auf Wanderschaft gegangen. So hatte er gut vorbereitet schon 1828 die Bewirtschaftung der zum Hof gehörenden Ländereien übernommen. Nebenher befasste er sich mit Obst- und Tabakanbau und überdies mit der Herstellung von Sekt. Hierbei kam ihm zugute, dass er zuvor auch einige Zeit in Frankreich verbracht hatte.
Im Zuge dieser Aktivitäten ließ Ludwig Remakle 1837 gegenüber dem Wohnhaus einen doppelgeschossigen Bau errichten (Untergasse 18), der als reiner Wirtschaftsbau angelegt war. Hier befand sich seine „Fabrik von Moussirenden Rheinwein“ 2), die bis zu seinem Tod 1864 bestand. Sekt war damals in Deutschland ein neues Produkt. Vorbild hierfür war die sich seit dem 17. Jahrhundert in Frankreich entwickelnde Champagnererzeugung. Die erste Sektkellerei in Deutschland, die Sektkellerei Kessler in Esslingen am Neckar, wurde erst 1826 gegründet. Die Geschichte der bekannten Mainzer Sektkellerei Kupferberg beginnt erst 1850. Ludwig Remakle konnte also damals zu den Pionieren auf diesem Gebiet in Deutschland gezählt werden.
Das Kelterhaus des neuen Wirtschaftsgebäudes war im Erdgeschoß. Ein weiterer Kelterraum liegt im Unterbau, von dort führt auch eine Treppe in die tiefer gelegenen, tonnengewölbten, früheren Sektkeller. Das Dachgeschoß erstreckt sich über drei Ebenen und war als Trockenspeicher für Tabak konzipiert. Dies ist für unsere Region einzigartig. Allerdings war der Tabakspeicher wohl nur wenige Jahre in Gebrauch.
Es ist nicht bekannt, was Ludwig Remakle bewogen hat, sich mit Tabakanbau zu befassen. Allerdings war zu dieser Zeit der Forstbaumsche Hof in der Obergasse 9 im Besitz der Frankurter Familie Forsboom, die im Tabakhandel tätig war.
Ob es hier eine Verbindung zu Ludwig Remakles Aktivitäten gab, ist jedoch nicht überliefert.
Ludwig Remakle Lambinet mit Ehefrau Anna und den Kindern Barbara, Josef, Maria, Caspar, Katharina, Johannna und Sabina
Bildquelle: Familie Lambinet
1832 hat Ludwig Remakle Anna Maria Schwalbach geheiratet. Sie stammte aus dem Chausseehaus in Marienborn, das durch J. W. v. Goethes Bericht Die Belagerung von Mainz bekannt wurde. Das Ehepaar bekam acht Kinder und pflegte ein friedliches, jedoch auch auf Disziplin bedachtes Familienleben. Ludwig Remakle führte seinen Besitz erfolgreich und war wohl sowohl in seiner Familie als auch in seinem weiteren Umfeld sehr respektiert.
Nach dem Tod von Ludwig Remakle 1864 fiel das Eigentum an den zwei Anwesen an seine unverheiratet gebliebenen Töchter Sabina (1834-1916), Barbara (1838-1921) und Katharina (1844-1912). Gemäß der Familientradition lebten die drei Frauen einträchtig und gottesfürchtig zusammen und genossen überall großes Ansehen. Sie widmeten ihr Leben der Arbeit für gemeinnützige Wohlfahrtseinrichtungen und der Erzeugung von naturreinem Wein, der zum großen Teil als Messwein eingesetzt wurde. Der Zusammenhalt zwischen ihnen war so groß, dass sie sogar eine gemeinsame Visitenkarte hatten, auf der „S.B.K. Lambinet, Harxheim“ zu lesen war. Sabinas Verdienste um Harxheim wirken bis in unsere Zeit nach. 1864 ließen ihre Eltern auf ihren Wunsch hin das Harxheimer Kapellchen erbauen, das heute ein Wahrzeichen unseres Ortes ist.
Trennung der zwei Anwesen zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Die ursprünglich zusammengehörenden Anwesen Untergasse 18 und Untergasse 21 fielen Anfang des 20. Jahrhunderts an zwei unterschiedliche Familienzweige. Wilhelm Lambinet, ein Enkel von Ludwig Remakle, betrieb in der Untergasse 18 das Weingut weiter. 1906 wurde dort das Erdgeschoß in Wohnraum umgebaut und das Gebäude von der Straße aus gesehen links um einen Anbau ergänzt. Auch an der Straßenfront wurden Gebäude errichtet, die heute nicht mehr existieren. Die Nachkommen von Wilhelm Lambinet setzten hier die Weinbautradition der Familie noch über zwei Generationen bis Ende der 1990er Jahre fort.
Das Weingut zu Zeiten von Wilhelm Lambinet
Bildquelle: Festschrift 1200 Jahre – Weinbaugemeinde Harxheim
Anfang 2001 hat die Familie Imbusch diesen Hof erworben und ihn liebevoll restauriert. Die markante Fassadengiebelwand wurde 2007 rekonstruiert und bildet einen eindrucksvollen Blickfang im Erscheinungsbild unseres Dorfes. Bei besonderen örtlichen Veranstaltungen, wie z. B. dem Harxheimer Weinhöfefest, öffnet die Familie Imbusch ihren Hof, sodass auch Besucher das schöne Ambiente genießen können.
Der ehemalige Fechenbacher Hof (Untergasse 21) fiel nach dem Tod von Sabina, Barbara und Katharina an zwei Nichten, beide Töchter der Familie Friedrich. Nach Ende des zweiten Weltkriegs hat schließlich Maria Friedrich zusammen mit Benedicta Egelhofer hier gewohnt. Maria Friedrich war Gartenbaumeistern sowie Religions- und Klavierlehrerin. Ihr Klavierunterricht fand im ersten Stock im Wohnzimmer statt und einige ihrer Schüler leben noch heute in Harxheim und können sich daran erinnern. Nach dem Tod von Maria Friedrich lebte Benedicta Egelhofer alleine in dem Haus und starb hochbetagt in 2017.
Inzwischen hat die Winzerfamilie Reßler den Hof gepachtet. Der Garten wird im Sommer für gastronomische Angebote genutzt. Die Räumlichkeiten im Haus können als Ferienwohnung gemietet werden.
Quellenangaben:
1) Krämer, Gerhard (2021): Notizen zu Harxheim. Unveröffentlichtes Manuskript. S.125
2) Rick, Josef (1967): Weinbaugemeinde Harxheim. In: Gemeinde Harxheim (Hrsg.): Festschrift. 1200 Jahre Weinbaugemeinde Harxheim.
Krämer, Gerhard (2021): Notizen zu Harxheim. Unveröffentlichtes Manuskript.
Krienke, Dieter (2011): Verbandsgemeinden Bodenheim, Guntersblum und Nieder-Olm. In: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Direktion Landesdenkmalpflege 18, Kreis Mainz-Bingen (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Worms.
Lambinet, Franz und Hilde (1996): Die Geschichte der Familie Lambinet. Aubécour – Metz – Mainz. Mainz. Unveröffentlichtes Manuskript.
Gespräche mit Andrea Imbusch