Bäckerei Böhm
In dem gut erhaltenen Hof befand sich bis Ende der 1960er Jahre die Bäckerei der Familie Böhm.
Die Familie stellte überdies von 1909 bis 1946 ununterbrochen die Ortsbürgermeister, die von hier aus ihre Amtsgeschäfte versahen.
Der Hof ist im Denkmalverzeichnis des Kreises Mainz-Bingen aufgeführt.
Blick aus der ehemaligen Weinwirtschaft. Auf dem Mauerpfosten ist die Jahreszahl 1887 zu erkennen.
Bildquelle: Familie Böhm
Der Dreiseithof in der Gaustraße 11 stammt aus dem 19. Jahrhundert und besticht durch seinen guten Erhaltungszustand. Das Gebäude rechts wurde im frühen 19. Jahrhundert errichtet und ist bis auf die oberen Giebelwände massiv gebaut. Unter einem Teil des Hauses liegt ein tonnengewölbter Keller. Die Gaube an der Längsfassade wurde gegen 1900 hinzuzugefügt. Die rückwärtig im Hof liegende Querscheune enthält ebenfalls Fachwerkpartien und stammt wohl auch aus dem frühen 19. Jahrhundert. Links befindet sich ein doppelgeschossiges Backsteinhaus in gründerzeitlicher Tradition. Auf einem Foto ist auf einem Mauerpfosten die Jahreszahl 1887 zu erkennen, dies könnte das Baujahr gewesen sein.
Das Anwesen gehörte Ende des 19. Jahrhunderts der Familie Hessler. In dieser Zeit heiratete der aus dem Odenwald stammende Bäcker Johann Adam Böhm I in die Familie ein. Noch heute ist der Hof im Besitz der Nachkommen der Familie Böhm.
Im rechten Gebäude betrieb Familie Böhm zumindest bis in die ersten Jahre des letzten Jahrhunderts eine Weinwirtschaft.
Der Hof verfügte über eigene Weinberge und der verkaufte Wein wurde selbst erzeugt.
Im linken Gebäude befand sich bis Ende der 1960er Jahre die ebenfalls von der Familie geführte Bäckerei. Dort stand auch der mit Briketts und Rebholz befeuerte Backofen.
Das verwendete Mehl stammte entweder aus eigener Erzeugung oder wurde – wie damals üblich – von den Kunden gestellt. Große Teile der Kundschaft betrieben eigene Landwirtschaft und verfügten daher über eigenes Mehl. Der Bäcker erhielt von ihnen einen bestimmten Mehlvorrat, über dessen Verwendung er im Mehlbuch Buch führte. Der Kunde hatte dann nur das Backen zu entlohnen. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges kostete das Backen von vier 2 Kilo-Broten 48 Reichspfennige. Wenn Kinder das Brot abholten und mit 50 Pfennigen bezahlten, bekamen sie noch drei Himbeerbonbons raus. Viele Kunden besorgten in der Bäckerei nicht nur Brot und Brötchen, sondern brachten auch ihre eigenen Blechkuchen zum Backen gegen Entgelt vorbei.
Nach Johann Adam Böhm I führte sein Sohn Johann Adam Böhm II die Bäckerei bis in die Nachkriegsjahre fort. Danach war der angestellte Bäcker Volkmann bis 1968 in der Backstube tätig, die Schwestern Mathilde und Emilie Böhm waren weiter für den Verkauf verantwortlich. Alteingesessene Harxheimer berichten heute noch gerne, dass Bäcker Volkmann die beim Kuchenschneiden abgefallenen Ribbele (Streusel) sammelte und den Kindern zum Mitnehmen und Naschen vor die Tür stellte.
Johann Adam Böhm I und Johann Adam Böhm II sind nicht nur als Bäcker, sondern auch als langjährige Ortsbürgermeister mit der Harxheimer Geschichte verbunden. Johann Adam Böhm I versah dieses Amt von 1909 bis zu seinem Tod in 1927. Sein Sohn folgte ihm unmittelbar nach und war Ortsbürgermeister bis 1946. Beide Bürgermeister versahen ihre Amtsgeschäfte – wie nach ihnen noch Bürgermeister Ackermann – in ihrem Wohnhaus und nicht im Gemeinde-Rathaus in der Mainzer Straße. In die Amtszeit der beiden fielen auch die beiden Weltkriege und damit sehr schwierige Jahre. Einen Eindruck hiervon vermittelt z. B. der würdige Umgang von Bürgermeister Johann Adam Böhm II mit den bei einem Bomberabsturz in Harxheim in 1943 ums Leben gekommenen amerikanischen Soldaten.
Nach dem Krieg fand über einige Jahre auch einmal wöchentlich eine ärztliche Sprechstunde des aus Mommenheim kommenden Sanitätsrates Dr. Walter Klein in einem abgetrennten Raum im rechten Gebäude statt. Einen niedergelassenen praktischen Arzt gab es in Harxheim erst ab 1973, die Praxis war damals im alten Rathaus in der Mainzer Straße 6.
Quellenangaben:
Gespräche mit Werner Böhm