Ehemaliger Guts- und Weinhof Rösch
Die in Backstein errichtete große Hofanlage in der Mainzer Straße 1 beeindruckt durch ihr geschlossenes und ursprünglich erhaltenes Erscheinungsbild.
Das Anwesen befindet sich seit Jahrhunderten im Besitz der Familie Roesch und ihrer Nachkommen.
Die Anlage der Gebäude in der Mainzer Straße 1 ist typisch für eine rheinhessische Hofreite. Das Wohnhaus mit der zur Straßenseite gerichteten Front und rückwärtigem Eingang wurde gemäß erhaltener Jahreszahl 1861 um wenige Meter nach rechts verlängert, der wesentliche Gebäudeteil wurde demnach früher erbaut. Unter dem Wohnhaus befinden sich der frühere Fassweinkeller und der frühere Milchkeller. Im Speicher des Wohnhauses direkt neben dem Kamin gibt es eine Räucherkammer, in der früher Schinken und Würste im Rauch glimmender Holzspäne geräuchert und damit haltbarer gemacht wurden.
Im linken Gebäudetrakt mit erhaltener Jahreszahl 1878 waren früher der Geschirr- und Geräteschuppen mit Durchgang in den Garten, der Grasstall mit darunter liegendem Rübenkeller, der Pferde- und der Kuhstall. Rechts vom Wohnhaus schlossen sich das Kelterhaus, die Waschküche und die Chaise-Remise, der Unterstellplatz für die Kutsche, an. An der rückwärtigen Hofseite steht die wohl größte Scheune in Harxheim, die ebenfalls 1878 errichtet wurde. Darunter liegt ein großer Keller, der früher für die Lagerung von Kartoffeln genutzt wurde. Im zweiten Weltkrieg diente er als Luftschutzraum. Von hier aus hätte man sich im Ernstfall einen Ausgang in den hinter der Scheune liegenden großen Garten graben können.
Im Hof herrschte früher reges bäuerliches Leben. Neben Kühen, Schweinen, Pferden, Ziegen und Hühnern gab es auch einen Taubenschlag unter dem Scheunendach und ein Bienenhaus im Garten. Zu den erzeugten landwirtschaftlichen Produkten zählten natürlich auch Fass- und Flaschenweine.
Chorfestival anlässlich des 1250jährigen Ortsjubiläums im Hof Mainzer Straße 1
Bildquelle: Irmgard Kaiser-Vreke
Der landwirtschaftliche Betrieb wurde in den frühen 1950er Jahren eingestellt. Heute dient das Anwesen privaten Wohnzwecken. Die Eigentümer öffnen den Hof und die schön hergerichtete Scheune bei besonderen Anlässen jedoch auch für Besucher.
Hierzu zählen stimmungsvolle Konzerte in der Vorweihnachtszeit oder Feiern bei besonderen örtlichen Jubiläen.
Bei diesen Gelegenheiten können die Besucher in der Scheune zwei besondere Stücke bewundern, die eng mit der Harxheimer Ortsgeschichte verbunden sind: die alte Orgel und die alte Kirchturmuhr der evangelischen Kirche. Der Hausherr Walter Schertz hat ein großes Faible für Kirchenorgeln und in seinem Leben bereits mehrere davon in Kirchen abgebaut, anschließend restauriert und in seinem Anwesen wieder aufgebaut. Als 1985 die alte Orgel in der evangelischen Kirche durch eine neue Orgel ersetzt wurde, fand die alte Orgel in der Schertz’schen Scheune ein neues Zuhause. Sie steht dort generalüberholt in Gesellschaft einer zweiten alten Orgel, und bei besonderen Gelegenheiten erklingen beide Instrumente sogar simultan. Auch die verstummte Kirchturmuhr der evangelischen Kirche hat der Hausherr mit viel Geschick und Engagement wieder zum Läuten gebracht. Sie steht in der Scheune auf einem eigens für sie konstruierten Gestell.
Ulme in der Mainzer Straße 1 im Jahr 1979 (ein Jahr vor der Fällung)
Bildquelle: Klaus-Werner Fritzsch
Neben dem linken Seitentrakt der Hofanlage stand bis 1980 eine große Ulme, in Rheinhessen meist Effe genannt. Ulmen waren früher in Rheinhessen weit verbreitet und auf Grund ihres Umfangs und ihrer Höhe von mehr als 30 Metern in vielen Orten – so auch in Harxheim – und im Landschaftsbild markante Blickpunkte. Zahlreiche rheinhessische Orte waren früher zum Schutz mit einem Wall von dicht nebeneinander gepflanzten Ulmen umgeben.
Das Anwesen Mainzer Straße 1 mit Ulme im August 1979
Bildquelle: Willi Buchert
Die Ulmenbestände sind jedoch im letzten Jahrhundert dem Ulmensplintkäfer, der einen für die Ulme tödlichen Pilz verbreitet, weitestgehend zum Opfer gefallen. So musste auch die Harxheimer Ulme in Folge des letzten großen Ulmensterbens in den 1970er Jahren Ende 1980 gefällt werden.
Quellenangaben:
Gespräche mit Walter und Christina Schertz