Die Gaustraße
Durch Harxheim verläuft heute die Landesstraße L425. Sie entspricht in großen Teilen der von 1826 – 1830 gebauten Gaustraße.
Die Gaustraße führte vom Gautor in Mainz nach Worms.
Sie hat seinerzeit die Anbindung von Harxheim nach Mainz und ins rheinhessische Hinterland deutlich verbessert.
Die von Mainz nach Mörstadt führende Landesstraße L425 verläuft mitten durch Harxheim. Sie ist eine wichtige und stark befahrene Verbindung zwischen der Landeshauptstadt und dem rheinhessischen Hinterland. Der Straßenverlauf entspricht in großen Teilen dem Verlauf der Gaustraße, einer früheren rheinhessischen Provinzialstraße. Die Gaustraße wurde von 1826 – 1830 vom Großherzogtum Hessen gebaut und war knapp 46 km lang. Das Projekt war Teil eines größeren Straßenbauprogramms zur besseren Erschließung Rheinhessens. Insgesamt wurden in diesem Rahmen 12 Straßen angelegt.
Die Gaustraße begann in Mainz am Gautor und verlief über Hechtsheim, Harxheim, Mommenheim, Selzen, Köngernheim, Weinolsheim, Dolgesheim, Hillesheim, Hessloch, Westhofen, Abenheim und Herrnsheim bis nach Worms. In Harxheim bog sie ursprünglich von Norden kommend nach rechts in die Mainzer Straße ab und verlief kurz darauf nach links in die südlich zum Ort hinausführende Gaustraße. 1954 wurde am nördlichen Ortseingang eine neue, begradigte Ortseinfahrt angelegt, seitdem hat die Straße ihren heutigen Verlauf.
Die Gaustraße führte durch eine Region, die früher der Gau genannt wurde, so dass sich hieraus ihr Name ableitet. Für ihren Bau sprachen damals folgende Gründe: „Diese Gegend war ohne Straßenverbindung mit den bedeutendern Handelsplätzen der Provinz, weshalb die Bewohner derselben während eines großen Theiles des Jahres jedem Verkehre entsagen mussten. Da im Jahre 1825 der Bau der Staatsstraße von Wörrstadt über Schornsheim, Undenheim, Köngernheim und Dexheim, und die Rheinüberfahrt bei Oppenheim begonnen und nach drei Jahren vollendet wurde, so gewährten beide Straßen, welche sich in Köngernheim durchschneiden, den großen Vortheil, daß hierdurch ein Theil der an der Gaustraße liegenden Orte zugleich eine Verbindung mit Wörrstadt und Oppenheim erhielt.“ (1) Überdies war die direkte Strecke von Mainz nach Oppenheim bei hohem Rheinwasser häufig gar nicht oder nicht sicher passierbar, so dass vor dem Bau der Gaustraße die Verbindung von Mainz nach Oppenheim und Worms oft wochenlang unterbrochen war.
Ein Teil der Baukosten war von den an der Straße liegenden Gemeinden zu tragen, die hiermit wiederum ihre steuerpflichtigen Einwohner belasteten. Der finanzielle Beitrag wurde den Einwohnern erlassen, wenn sie stattdessen beim Bau der Straße, insbesondere bei der Anfuhr von Baumaterialien, mitwirkten. Die durch die Orte führenden Teilstücke der Gaustraße hatten die Gemeinden ohne Unterstützung vom Großherzogtum Hessen selbst zu finanzieren.
Der Bau vollzog sich in mehreren Abschnitten und über mehrere Jahre. Bereits 1826 wurde die Steige bei Harxheim neu angelegt. Dies wird als eine der mühevollsten und schwersten Arbeiten des Projektes beschrieben. Interessanterweise wird der Anstieg der heutigen Rheinhessenstraße am nördlichen Ortsausgang von den alteingesessenen Harxheimern immer noch als „die Hohl“ bezeichnet. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich der Weg von Harxheim nach Mainz im Lauf der Zeit wie ein Hohlweg in das Gelände eingegraben hatte.
Die Gaustraße hatte über den größten Teil der Strecke eine Breite von siebeneinhalb bis acht Metern. Davon waren drei Meter befestigt und drei Meter als sogenannter Sommerweg unbefestigt. Den übrigen Raum nahm ein Fußpfad ein. Aufgrund der sehr gerade verlaufenden Streckenführung hatte die Straße – ebenso wie die L425 noch heute – mehrere sehr steile Passagen wie z.B. von Norden kommend kurz vor Harxheim oder zwischen Friesenheim und Weinolsheim. Der Belag des befestigten Straßenteils bestand aus Kalksteinen, die aus nahegelegenen Steinbrüchen herbeigeschafft wurden.
Die Straße hatte fünf Brücken, davon zwei in der Gemarkung Ebersheim und zwei in der Gemarkung Harxheim. Pfarrer Würth, der in seiner Zeit in Harxheim von 1909 bis 1920 umfangreiche Aufzeichnungen in der Chronik der evangelischen Gemeinde hinterlassen hat, berichtet in diesem Zusammenhang, dass 1911 mitten im Ort ein Bachgraben und die ihn überwölbende steinerne Brücke, die ein Teil der Mainzer Landstraße war, entfernt wurden. Dies war an der Kreuzung von Gaustraße, Untergasse und Bahnhofstraße, die auch heute noch von den Ortseinwohnern „Dalles“ (Bezeichnung für den zentralen Platz im Ort) genannt wird.
Von Pfarrer Würth erfahren wir dann weiter, dass dort nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 eine Friedenslinde gepflanzt und ein Kriegerdenkmal aufgestellt worden waren. Das Kriegerdenkmal wurde später – weil es den Verkehr behinderte – versetzt und neben der evangelischen Kirche aufgestellt, wo es noch heute zu finden ist. 1914 wurde dann die Friedenslinde gefällt, da auch sie inzwischen zum Verkehrshindernis geworden war.
Längs der Gaustraße wurden gemäß einer gesonderten Verordnung nach ihrer Fertigstellung über 8.000 Bäume gepflanzt. Erlaubt waren Obstbäume, Nussbäume und italienische Pappeln.
Verstärkung der Stützmauer zur Kirche bei Erweiterung der Ortsdurchfahrt 1982
Bildquelle: Willi Buchert
Der durch Harxheim verlaufende Teil der Gaustraße wurde in der Folgezeit immer wieder ausgebaut, damit der zunehmende Verkehr bewältigt werden konnte. Im Rahmen der 1982 erfolgten Erweiterung musste die Stützmauer zur evangelischen Kirche verstärkt werden.
Der letzte Ausbau wurde in den Jahren 2019/2020 vorgenommen. Die Ortsdurchfahrt war für mehr als ein Jahr gesperrt und die Harxheimer genossen die ungewohnte Ruhe. Der Heimat- und Verkehrsverein Harxheim veranstaltete unter dem Motto „Tanz auf dem Asphalt“ Tanzkurse auf der Baustelle.
Quellenangaben:
(1) Heße, W. (1834): Rheinhessen in seiner Entwicklung von 1798 bis Ende 1834. Mainz. S. 171.
Heße, W. (1834): Rheinhessen in seiner Entwicklung von 1798 bis Ende 1834. Mainz.
Lang, Werner (1967): Heimatbuch Landkreis Mainz. Oppenheim am Rhein.
Reßler, Tanja (2017): Wirtschaftszentrum „Alt Haschem. In: Ortgemeinde Harxheim (Hrsg.): Festbuch 2017. Harxheim. Eintausendzweihundertfünfzig. Selzen. S. 129 – 143.
Würth, Johannes (1909 – 1920): Aufzeichnungen in der Gemeindechronik der evangelischen Gemeinde Harxheim. Archiv der evangelischen Gemeinde Harxheim.