Geschichte der Schulen in Harxheim
Über die Geschichte der Schulen in Harxheim vor dem 20. Jahrhundert ist nicht viel bekannt. Es ist jedoch eine evangelische Schule in der Obergasse 7 und eine katholische Schule in der Enggasse 2 überliefert. Von 1909 bis 1972 besuchten die Harxheimer Kinder die Volksschule bzw. spätere Grundschule in der Mainzer Straße 28 am nördlichen Ortsausgang. Seit dem Schuljahr 1972/73 gehen sie in die damals neu gebaute Grundschule nach Gau-Bischofsheim.
Über die Geschichte der Schulen in Harxheim vor dem 20. Jahrhundert ist nicht viel bekannt. In jedem Fall ist jedoch davon auszugehen, dass die Qualität des Schulunterrichtes bis zum Jahr 1816, in dem Rheinhessen nach Beendigung der französischen Zeit als neue Provinz des Großherzogtums Hessen entstand, von schlechter Qualität war. 1) Die Obrigkeit investierte bis dahin kaum in das Schulwesen, die Lehrer waren schlecht oder gar nicht ausgebildet und wurden schlecht bezahlt. Die großherzoglich-hessische Regierung änderte dies: Sie ließ Schulen bauen und die Lehrer wurden besser ausgebildet und bezahlt. Der Lehrplan sah neben Lesen, Schreiben und Rechnen noch weitere Fächer wie Geschichte, Erdkunde, Gesang und Zeichnen vor. Die Kinder waren mit dem vollendeten sechsten Lebensjahr schulpflichtig und hatten die Schule acht Jahre zu besuchen. In kleineren Gemeinden wurden alle Klassenstufen üblicherweise in einem Raum von einem Lehrer unterrichtet.
Die alteingesessenen Harxheimer wissen zu berichten, dass es früher in Harxheim eine katholische Schule in der Enggasse 2 und eine evangelische Schule in der Obergasse 7 gegeben hat. Das Gebäude der katholischen Schule wurde im Jahr 2000 abgerissen, das Haus in der Obergasse 7 ist heute ein Wohnhaus. Beide Gebäude finden sich in alten Brandkatastern von Harxheim wieder, zu der katholischen Schule gibt es auch heimatkundliche Literatur.
Anscheinend hat Harxheim schon im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) eine Schule in kirchlicher Trägerschaft gehabt. 2) Spätestens in dieser Zeit wurden Harxheim und somit auch seine Schule lutherisch und die verbliebenen Katholiken hatten zunächst für einige Jahrzehnte keine Schule und auch keine finanziellen Mittel, um einen Lehrer zu bezahlen. Im 18. Jahrhundert setzten staatliche Stellen wieder einen katholischen Lehrer ein, zu dessen Unterhalt auch die katholischen Einwohner Harxheims beitragen mussten. 1816 erbte die katholische Gemeinde ein kleines Gut, in dem der Unterricht stattfinden konnte. 1837 wurde das Gut wegen Unbrauchbarkeit verkauft und der Unterricht in einem Privathaus fortgeführt. 1848 kaufte die katholische Gemeinde ein neues Schulhaus mit einem großen dahinterliegenden Garten, es befand sich in der Enggasse 2.
Die Finanzierung erfolgte neben dem Erlös aus dem Verkauf des alten Schulhauses über Mittel aus einem Legat und Zuschüssen aus dem Kirchen- und Schulbaufonds. Ein Teil des Gartens wurde später genutzt, um hier 1870 die katholische Kirche zu bauen. 1899 hörte die katholische Schule auf zu bestehen. Stattdessen gab es in Harxheim nun eine Communalschule mit jeweils einem evangelischen und einem katholischen Lehrer. 3) Die Communalschule hatte damals 95 Schüler und Schülerinnen, von denen sechzehn katholisch waren. Die katholische Gemeinde stellte der Zivilgemeinde das bisher katholische Schulhaus zur Nutzung zur Verfügung, die Zivilgemeinde hatte die Kosten für den Unterhalt des Gebäudes zu tragen.
Es war damals nicht unüblich, dass der Lehrer seine Unterkunft im Schulgebäude hatte. Im Adressverzeichnis von Harxheim für das Jahr 1906 ist ein Lehrer Gärtner (dies war der damalige katholische Lehrer) als wohnhaft im Haus Nr. 68 verzeichnet. 4) Alle Häuser in Harxheim wurden damals noch ohne Berücksichtigung von Straßennamen durchnummeriert, das damalige Haus Nummer 68 hat erst später die Adresse Enggasse Nr. 2 bekommen. Man kann davon ausgehen, dass eine Brandversicherung für dieses Gebäude auch unter der Nummer 68 im Brandkataster eingetragen worden wäre. 5) Tatsächlich findet sich im Brandkataster von Harxheim von 1834 bis 1937 unter der Nummer 68 ein einstöckiges Wohnhaus, Besitzer ist die katholische Gemeinde. 6) Auch wenn das Haus als Wohnhaus bezeichnet wird, könnte es dennoch für Schulunterricht genutzt worden sein.
Auch die frühere evangelische Schule ist in alten Harxheimer Brandkatastern zu finden. Im Brandkataster von 1817 – 1835 7) ist unter der Nummer 6 die lutherische Gemeinde als Besitzer eines zweistöckigen Wohnhauses mit Scheune und Remise eingetragen (die lutherische Gemeinde wurde erst 1824 zur evangelischen Gemeinde). Die Versicherung beginnt im Jahr 1821. Die Nummer 6 könnte der heutigen Nummer 7 in der Obergasse entsprechen, da die Zählung damals in der heutigen Obergasse 1 begann und dann gegen den Uhrzeigersinn weiterlief. 8)
Im Brandkataster von 1834 – 1937 taucht dieses Gebäude wieder auf, dieses Mal tatsächlich unter der Nummer 7. Unter der Spalte Besitzer wird „Evangelische Gemeinde / Schulhaus“ angegeben.
Seit wann das Gebäude tatsächlich für Schulzwecke genutzt wurde, erschließt sich allerdings nicht. Im Adressenverzeichnis von Harxheim von 1906 erscheint unter Nr. 7 der Eintrag „Remy, Peter, Lehrer“.
Der evangelische Lehrer dürfte also im damaligen Schulgebäude auch seine Unterkunft gehabt haben.
Früheres evangelisches Schulgebäude in der Obergasse 7
Bildquelle: Irmgard Kaiser-Vreke
Interessanterweise gibt es in den Brandkatastern noch einen weiteren Eintrag, der auf ein früheres Schulgebäude verweist. Im Brandkataster von 1817 – 1835 ist unter der Nummer 25 mit Versicherungsbeginn 1821 ein zweistöckiges Schulhaus mit Scheune registriert, als Besitzer ist die Gemeinde – demnach die Zivilgemeinde – eingetragen. Wenn man wiederum davon ausgeht, dass die Nummer 25 der damaligen Hausnummer entspricht, so könnte das Gebäude auf der Untergasse gestanden haben. Das Haus in der heutigen Untergasse 21 (vormalig Lambinet/Friedrich/Egelhofer) ist im alten Brandkataster unter der Nummer 22 registriert. Die Schule dürfte also hier in der Nähe gewesen sein. Dieses Gebäude ist im Ortsgedächtnis – soweit bisher bekannt – nicht als Standort einer Schule erhalten geblieben. Im späteren Brandkataster von 1834 – 1937 ist das Gebäude, dessen Nummer von bisher 25 auf nunmehr 27 steigt, offensichtlich im Privatbesitz. Wie dieses Schulhaus auch im Zusammenspiel mit den beiden konfessionsgebundenen Schulen einzuordnen ist, ist unklar.
Natürlich findet sich im Brandkataster von 1834 – 1937 auch die alte Schule auf der Mainzer Straße 28. Unter der Nummer 106 ist ein zweistöckiges Schulhaus mit Abort und Pissoir mit Versicherungsbeginn 1909 vermerkt, Besitzer ist die Gemeinde. Dieses Gebäude wurde am 23. August 1909 feierlich eingeweiht und diente bis 1972 als Schule.
Danach war hier bis zum Umzug in das heutige Gemeindezentrum in der Bahnhofstraße im Jahr 2019 die Verwaltung der Ortsgemeinde untergebracht.
Gruppenfoto vor dem Schulgebäude Mainzer Straße 28, um 1948
Bildquelle: Erwin Gmall
Das Toilettengebäude vor dem Schulhaus ist auf einem Foto von 1987 noch erhalten, wurde vermutlich jedoch nicht viel später abgerissen.
Johannes Würth, seinerzeit evangelischer Pfarrer in Harxheim, hat über die neue Schule und die Einweihungsfeierlichkeiten – damals ein wichtiges Ereignis im Ort – in der Chronik der evangelischen Gemeinde folgendes niedergeschrieben 9):
„Bereits am 23. August kam für die Gemeinde eine neue bedeutsame Stunde. Die Einweihung des von der Gemeinde mit einem Kostenaufwand von 2400 Mark neuerbauten Schulhauses am Ortsende an der Straße, die nach Hechtsheim führt. Da der Schreiber dieses dabei die Festrede übernommen hatte, sind die Gründe leicht zu erraten, weshalb der ausführende Architekt, Herr Kreisbauinspektor Lucius aus Mainz, der nebenan bereits genannt war, zu dieser Feier nicht erschien, und infolgedessen die Kreisbehörde, wie man unserem Bürgermeister in Mainz bei einer diesbezüglichen Unterredung bedeutete, von der Feier überhaupt keine Notiz nahm. (Anmerkung: Der Pfarrer hatte sich mit dem Kreisbaudirektor während seiner vorhergehenden Zeit in Appenheim im Rahmen der Renovierung der dortigen Kirche überworfen.) Infolgedessen fiel zu allgemeiner Befriedigung das üblige Festmahl auf Kosten der Gemeindekasse diesmal weg, und die Feier selbst verlief im engeren Kreise des Gemeinderates, des Schulvorstandes, der Lehrer und der festlich gestimmten Schuljugend, die mit ‚Bubenschenkeln‘ beschenkt und sonntäglich gekleidet zusammen mit vielen Festteilnehmern nach Choralgesang und Festrede in das geschmückte Haus einzog, nicht minder würdig und eindrucksvoll. Mögen sich in diesen ohne jeden Unfall in einem Zeitraum von zwei Jahren fertiggestellten Unterrichtsräumen viele Geschlechter die für das Leben nötige irdische und himmlische Weisheit holen und das wahrhaft gute Einvernehmen zwischen den hießigen bürgerlichen und kirchlichen Gemeindeorganen, Lehrern und Geistlichen, wie es bis jetzt hier besteht, für alle Zeit gewahrt bleiben. Noch im Herbst wurden die beiden alten Schulsäle in den alten Schulhäusern zu Wohnräumen umgeändert und so den beiden fleißigen Lehrern mehr Platz geschaffen.“
Aus der Niederschrift des Pfarrers ergibt sich, dass es vor der Inbetriebnahme des neuen Schulgebäudes in Harxheim vermutlich noch zwei Gebäude gegeben hat, in denen Schulunterricht stattfand.
1968 änderte sich das Schulsystem in Rheinland-Pfalz mit Abschaffung der Volksschule und Einführung der Grund- und Hauptschule. Statt der bisher üblichen Unterrichtung mehrerer Klassenstufen in einem Klassenraum sollten nun Schulen mit mehrzügigen Jahrgangsstufen entstehen. Hierfür war Harxheim zu klein.10) Seit Beginn des Schuljahres 1972/73 gehen die Harxheimer Kinder daher in die damals neu errichtete gemeinsame Grundschule der Gemeinden in Gau-Bischofsheim, Harxheim und Lörzweiler, die sich in Gau-Bischofsheim befindet. Eine eigene Harxheimer Schule war damit Geschichte. 1975 wurde die Verbandsgemeinde Bodenheim Träger der neuen Grundschule. Seit dem Schuljahr 1982/1983 hat Lörzweiler eine eigene Grundschule.11)
Wie der Schulunterricht in der Erinnerung damaliger Schüler und Schülerinnen Ende der 1940er und Anfang der 1950er Jahre in der Harxheimer Schule abgelaufen ist, geht sehr authentisch und amüsant aus einem Beitrag von Tanja Reßler hervor, der für das Festbuch zum 1250sten Ortsjubiläum 2017 entstanden ist.
Auch ein ehemaliger Dorfschullehrer kommt in dem Festbuch von 1917 zu Wort. Friedrich Ruckel hat von 1955 bis 1961 in Harxheim als Lehrer gewirkt. Seinen Schilderungen können wir entnehmen, dass der Unterricht in Harxheim seinerzeit sehr fortschrittlich und engagiert gewesen ist. Bis heute pflegt Herr Ruckel noch Kontakte in Harxheim.
Quellenangaben:
1) Krämer, Gerhard (2021): Notizen zu Harxheim. Unveröffentlichtes Manuskript. S. 108 f.
2) Familie Friedrich: Aus der Chronik über Harxheim. Sammlung verschiedener Überlieferungen. (“Hausbuch Friedrich“). S. 20f.
3) Familie Friedrich: Aus der Chronik über Harxheim. Sammlung verschiedener Überlieferungen. (“Hausbuch Friedrich“). S. 16.
4) Landes-Adreßbuch für das Großherzogtum Hessen. II. Band: Provinz Rheinhessen. Darmstadt 1906. S. 252 f.. Entnommen aus Google Books am 21.12.2021.
5) Die Informationen zur Nummerierung der Häuser und die Übertragbarkeit der Nummern auf das Brandkataster stammen vom Heimatforscher Rüdiger Gottwald, der in Harxheim groß geworden ist.
6) HStAD, C 6, 926
7) HStAD, C 6, 949
8) s. 5)
9) Würth, Johannes (1909 – 1920): Aufzeichnungen in der Gemeindechronik der evangelischen Gemeinde Harxheim. Archiv der evangelischen Gemeinde Harxheim. S. 75f.
10) s. 1)
11) Reßler, Tanja (2017): Vom Kreidestaub zu Unterrichtsmethoden mit Weitblick. Was in einer Dorfschule so alles los war. In: Ortgemeinde Harxheim (Hrsg.): Festbuch 2017. Harxheim. Eintausendzweihundertfünfzig. Selzen. S. 159 f.