von | Nov 29, 2022

Bomberabsturz 17. August 1943 – Harxheim entgeht einer Katastrophe

Auf dem Rückflug von einem schweren amerikanischen Doppelangriff auf Schweinfurth und Regensburg stürzte ein schwer getroffener amerikanischer Bomber vom Typ B-17F in die Harxheimer Gemarkung. Von den 10 Besatzungsmitgliedern starben zwei, drei weitere gelten als vermißt, fünf Besatzungsmitglieder gerieten in deutsche Gefangenschaft.

Ab dem Kriegsjahr 1943 führten die Amerikaner von England aus vermehrt schwere Luftangriffe auf den Süden Deutschlands, um die dort ansässige Rüstungsindustrie zu treffen.

Die Amerikaner vertrauten auf die Abwehrkräfte ihrer dabei zum Einsatz kommenden Fliegenden Festungen (viermotorige US-Langstrecken-Bomber Typ B-17F). Deshalb wurden diese Angriffe – wie auch der vom Dienstag, dem 17. August 1943 –  ohne Begleitschutz durch amerikanische Jagdflugzeuge über dem Reichsgebiet durch die US-Luftwaffe (USAAF) ausgeführt. Ein Doppelangriff auf Regensburg (Flugzeugbau) und Schweinfurt (Wälzlager) durch die 8. USAAF brachte an diesem Tag über Rheinhessen für den Verband mit dem Ziel Schweinfurt besonders schwere Verluste. Dieser wurde durch deutsche Jagdflieger auf dem Hin- und Rückflug um 36 Maschinen dezimiert.

Die B-17F „The Eagles Wrath“ (Der Zorn des Adlers) mit der Kennung 124524 gehörte zur 323. Squadron der 91. Bombardement Group der 1. Combat Wing

Bildquelle: Archiv Heinz Leiwig. Heavy Bomber and Fighter Activities 1942-1945. Washington 1997

Der Harxheimer Hans Kessel, damals ein Junge von elf Jahren, erinnerte sich noch genau an diesen Sommertag:

Das ausgebrannte Wrack der B17-F von First Lieutnant Arcaro. Am Leitwerk sind die letzten drei Zahlen (…524) der Kennung gut sichtbar. August 1943

Bildquelle: Siegfried Schäfer

„Es war so gegen 14.00 Uhr, als ein brennender viermotoriger US-Bomber mit ohrenbetäubendem Lärm, in steilem Sinkflug aus Richtung Mainz kommend, über Harxheim in Richtung Mommenheim hinwegzog und aus dem Blick verschwand. In der Untergasse gingen durch die Druckwelle des tiefen Überflugs einige Fensterscheiben zu Bruch. Es folgte ein lauter Knall, dann Stille. Eine aufsteigende Rauchwolke signalisierte den Absturz. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht im Ort. Einige ältere sowie einige vom Kriegsdienst freigestellte Männer und viele Kinder eilten umgehend zur Absturzstelle, die sich in der Gemarkung Im Bellenklauer, also etwa in der Mitte zwischen den Kirchen und dem heutigen Glockwieserhof, befand. Der Bomber war in mehrere Teile zerbrochen und brannte, Bordmunition begann zu explodieren. Aufgrund des steilen Absturzwinkels hatten sich die Flugzeugteile teilweise tief in den Ackerboden gegraben.”

Der gleichaltrige Hans Bach weiß zum Verbleib der Besatzung folgendes zu berichten:

„Von den zehn Besatzungsmitgliedern waren zwei tot. Vom Piloten konnten nur noch die sterblichen Überreste aus dem Wrack geborgen werden. Ein weiterer Amerikaner lag mehrere hundert Meter weiter in Richtung Harxheim tot auf einem Acker. Sein Fallschirm hatte sich aufgrund der zu geringen Absprunghöhe nicht mehr öffnen können.“

Bürgermeister Adam Böhm setzte sich gegen die Absicht einiger aufgebrachter „Volksgenossen“ durch, den beiden US-Soldaten ein würdiges Begräbnis zu verweigern. Die Toten wurden daraufhin auf dem Harxheimer Friedhof, links neben dem Eingangsweg zur katholischen Kirche, beigesetzt.

Aircraft history card der B-17F mit der Seriennummer 41-24524, HerstellerBoing. Diese Karteikarte zeigt Standorte und Kontrolldaten des Flugzeugs zwischen Juli und Oktober 1942 in den USA. Die Herstellungskosten des Bombers sind mit 314.109,00 $ beziffert.

Quelle: Smithsonian National Aircraft and Space Museum, Archives Division; Schreiben v. 03.08.2018, Microfiche

Hans Kessel ergänzte, dass ein weiteres amerikanisches Besatzungsmitglied mit seinem Fallschirm auf einem Schuppendach in der Bahnhofstraße, im Hinterhof des Anwesens der Familie Kohn, niederging. Ein junger Mann, der an diesem Mittag die im Einsatz befindliche Dreschmaschine führte, nahm den zwar unverletzten, aber stark verängstigten Amerikaner gefangen und wurde wegen seiner Tat als Held gefeiert. Der US-Fallschirm wurde im Hof der Bäckerei Böhm zu Anschauungszwecken ausgelegt. Weitere vier Besatzungsmitglieder gerieten ebenfalls in Gefangenschaft. Nach einem Verhör durch Bürgermeister Adam Böhm wurden die fünf Amerikaner durch vier Soldaten der in Richtung Mommenheim Auf dem Türkelstein gelegenen Flak-Scheinwerfer-Stellung nach Bodenheim geführt. Drei weitere Besatzungsmitglieder der von First Lieutenant Anthony Arcaro geführten B-17F galten nach aussagen von Harxheimer Zeitzeugen als vermisst. „Glück hatten die Harxheimer!“ sagte Hans Kessel nachdenklich, „hätte der Pilot den schwer beschädigten Bomber nicht noch einmal nach oben gezogen, die Maschine wäre mitten in den Ort gestürzt!“

In der Festschrift zum 50. Jubiläum des TuS Gau-Bischofsheim von 1972 wird berichtet, dass am 17. August im Zusammenhang mit dem Bomberabsturz in Harxheim ein weiteres Besatzungsmitglied mit dem Fallschirm in Gau-Bischofsheim im Hof der Gaststätte Zimmermann an der Ecke Bergstraße/Langstraße gelandet sei. Es dürfte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen der drei vermissten Crew-Mitglieder gehandelt haben. Über sein weiteres Schicksal gibt es keine Informationen.

Kurz nach Kriegsende suchte eine US-Kommission Harxheim auf und ließ die toten Besatzungsmitglieder exhumieren, um sie auf einen amerikanischen Heldenfriedhof zu überführen. Bürgermeister Böhm wurde Ende 1945 in Darmstadt durch US-Militärbehörden vorgeladen und zur Behandlung der Mannschaft und der Beisetzung ihrer toten Kameraden eingehend befragt. Sein menschliches Verhalten rechneten ihm die Amerikaner positiv an.

Das Foto des Wracks der B-17F und Absturzstelle wurde Familie Bach von einem Auf dem Türkelstein eingesetzten Luftwaffen-Soldaten als Erinnerung an den Absturz überlassen. Die Soldaten der dort stationierten Flak-Scheinwerfer-Einheit wurden in Ermangelung einer eigenen Feldküche von Harxheimer und Mommenheimer Familien regelmäßig mitverpflegt

Quellenangaben:

Leiwig, Heinz (2002): Flieger über Rheinhessen: Der Luftkrieg 1939-1945. Alzey. 48-49

Licht, Hans (undatiert). Ortschronik der Gemeinde Harxheim.

Turn-und Sportverein 1922 Gau-Bischofsheim e.V. (1972): Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Turn- und Sportverein 1922 Gau-Bischofsheim e.V.. Gau-Bischofsheim.

Zeitzeugeninterviews und –berichte zwischen 2016 und 2021, eigene Recherchen

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