Die Glocken der evangelischen Kirche
Die heutigen Glocken der evangelischen Kirche stammen aus dem Jahr 1955. Zuvor war das Geschick der Kirchenglocken stark durch die Kriegsgeschichte geprägt.
Beim 1873 begonnenen Neubau der evangelischen Kirche (zur Geschichte der evangelischen Kirche siehe hier …) hatte der Turm nur zwei kleine Glocken, von denen überdies die größere kurz zuvor zersprungen war. Damals gab es reichlich Kanonenmetall aus dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich von 1870/71. Doch der Versuch, aus dieser Quelle Material zum Guss von neuen, größeren Glocken zu beschaffen, misslang. Entsprechende Gesuche an das Königlich Preußische Kriegsministerium, den Großherzog von Hessen-Darmstadt und das Gouvernement der Festung Mainz blieben erfolglos. So wurden lediglich die zwei vorhandenen Glocken vor Einweihung der neuen Kirche 1874 neu gegossen.
Bestrebungen zur Anschaffung einer dritten Glocke mündeten erst 1910 in eine Entscheidung. Bis dahin waren vom evangelischen Frauenverein und einem durch einen Nachlass gespeisten Glockenfonds ausreichende Mittel angespart worden. Der Bronzepreis schien ebenfalls günstig zu sein. Man behielt die größere der zwei vorhandenen Glocken, die auf den Ton cis klang, und erwarb zusätzlich zwei neue, 625 kg und 312 kg schwere Glocken. Diese waren auf die Töne fis und ais gestimmt, so dass nun der Dur-Dreiklang fis-ais-cis ertönen konnte.
Zugleich schaffte die Gemeinde einen schmiedeeisernen 1,5 t schweren Glockenstuhl an. Am 7. Mai 1911 wurde das neue Geläut feierlich eingeweiht. Die Geschichte der evangelischen Kirche und die Festordnung zur Einweihungsfeier sind in einer erhaltenen Einladung zur Glockenweihe erhalten.
Die Freude über den neuen Glockendreiklang währte leider nicht lange. Aus dem Kirchenarchiv geht hervor, dass zwei Glocken während des ersten Weltkrieges im Juli 1917 an den Reichsmilitärfiskus übergeben werden mussten, die kleinere der beiden neuen Glocken durfte die Gemeinde behalten. Nur wenige Tage später mussten obendrein auch die 36 Zinnpfeifen der Kirchenorgel geopfert werden. Allerdings konnten recht bald wieder neue Glocken angeschafft werden. Die Glockengießerei Rincker aus Sinn (Dillkreis) meldete im Dezember 1919 den Versand neuer Glocken an den evangelischen Gemeindepfarrer. Der Monteur der Firma erhielt jedoch auf Grund der Besatzungssituation nach dem Krieg noch keine Einreiseerlaubnis, so dass eine rheinhessische Firma mit dem Aufhängen der Glocken beauftragt wurde.
Im Lauf des zweiten Weltkriegs musste die Gemeinde wieder Glocken abgeben. Im Kirchenarchiv ist eine von der Reichsstelle für Metalle ausgestellte Empfangsbestätigung vom Februar 1942 für zwei Glocken mit einem Gesamtgewicht von 920 kg enthalten.
Empfangsbestätigung für zwei Kirchenglocken 1942
Quelle: Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim
Dieses Mal sollte es länger dauern, bis die fehlenden Glocken ersetzt werden konnten. Im Sommer 1955 war es so weit. Die Glockengießerei F. W. Schilling aus Heidelberg lieferte vier neue Glocken, die auf die Töne g, b, c und d gestimmt waren. Hierbei wurden das Metall einer alten Glocke sowie gekauftes Metall verwendet.
Die Anschaffungskosten beliefen sich auf 3.238,50 DM. Die Zeit- oder Stundenglocke wurde von einem Harxheimer Ehepaar gestiftet, die drei übrigen Glocken (Betglocke, Toten- und Gefallenengedenkglocke, Sonntags- und Festglocke) wurden durch Spenden der Bevölkerung finanziert.
Die neuen Glocken wogen insgesamt 1.222 kg, davon die schwerste 514 kg und die leichteste 196 kg. Die feierliche Glockenweihe fand am 4. September 1955 statt. Den Glocken war mehr Glück beschieden als ihren Vorgängerinnen, sie hängen noch heute.
Zeitungsartikel in der AZ vom 3.9.1955 zum Einzug der neuen Glocken in die evangelische Kirche
Quelle: Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim
Zeitungsartikel in der AZ vom 8.9.1955 zur Weihe der neuen Glocken in die evangelische Kirche
Quelle: Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim
Quellenangaben:
Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim