von | Nov 25, 2022

Über die Güte und Viele des Weines vom Jahr 1558 bis 1862

Eine in Privatbesitz befindliche handschriftliche Dokumentation berichtet an Hand von kurzen Kommentaren des Verfassers über die jährlichen Weinernten sowie die Wetterverhältnisse im Zeitraum von 1558 bis 1862.

Die Weinlesen über die Jahrhunderte in Harxheim! Ein kleines, braunes und vergilbtes Heftchen war es, das der mit seiner Frau in der Gaustraße 13 lebende Landwirt Christian Schneider (im Ort trug er den Beinamen „de Panje“) Ende der 1970er Jahre meinem Vater überreichte. Mit den Worten „Des Büchelsche iss vun meim Vadder. Do drin sein alle Woi-Lese vun Haschem ibber die Johre uffgezeichent! Schäfer, heb‘s gut uff!“ wechselte das unscheinbare Dokument seinen Besitzer. Das Festbuch zu unserer 1250-Jahr-Feier erschien mir damals bestens geeignet, den kleinen Schatz der Öffentlichkeit erstmals zugänglich zu machen und die Bewertungen der Harxheimer Weinjahrgänge im Hinblick auf Güte und Ertrag von 1558 bis 1862 vorzustellen.

Der Inhalt des Büchleins wurde bis 1826 von dem auf dem Titelblatt genannten und aus Harxheim stammenden Johannes Diehl zusammengestellt.

Später wurden die Bewertungen von unterschiedlichen Personen über das im Titel erwähnte Enddatum 1826 hinaus bis zum Jahr 1862 fortgeführt. Unterschiedliche Schreibstile sowie orthographische Merkmale belegen dies.

Es ist zu vermuten, dass die Weinlesebeschreibungen aus dem 16. bis 19. Jahrhundert aus unterschiedlichen Quellen zusammengefügt wurden.

Titelblatt

Bildquelle: Siegfried Schäfer

Beschreibung der Weinjahrgänge von 1813 bis 1830

Bildquelle: Siegfried Schäfer

Die Kommentierungen ab etwa 1800 dürften auf Grundlage der jährlich gemachten Erfahrungen verfasst worden sein. Die nur kurzen Jahrgangsbeschreibungen lassen recht gute Rückschlüsse auf Qualität und Menge, aber auch auf die herrschenden Witterungsverhältnisse zu. Eindrucksvoll zeigen dies z.B. die katastrophalen Weinernten in den „Mißjahren 1816/17“, die in engem Zusammenhang mit dem Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien im Jahr 1816 standen. Die Verunreinigung der Atmosphäre durch gigantische Aschewolken führte in diesen Jahren weltweit zu Ernteausfällen und Hungersnöten.

Die Jahre um die Französische Revolution (1789) waren geprägt von den Restausläufern einer kleinen Eiszeit mit fast durchgehend kühler und schlechter Witterung und infolgedessen entsprechend mageren (Wein-)Ernten. Nicht zuletzt Hunger und Not der Bevölkerung hatten zu dieser Zeit auch den politischen Wandel befördert. Dass die Preußen entweder schlechte Weinkenne waren oder alles konsumierten, was ihnen in Becher und Gläser kam, zeigt der Kommentar zum Weinjahr 1813: „…ein schlechter Wein, den haben die Preußen getrunken.“ Vielleicht war es aber auch ihre Freude über den Rückzug der geschlagenen französischen Truppen aus Mainz, im November des gleichen Jahres, die Menge über Qualität stellte.

Das im Vergleich zu heutigen Temperaturverhältnissen eher kühle Klima ließ für Spitzenjahrgänge – im Büchlein als „Hauptwein“ beschrieben – wenig Raum. Mittelmäßige und eher schlechte Jahrgänge im Wechsel dominieren über weite Strecken die Jahrgangsbeschreibung. Starke Fröste, die zu Totalausfällen der Weinernte führten, werden ebenso erwähnt wie das Auftreten von „Schloßen“ (Hagel- und Gewitterstürmen), die nicht minder zu starken Verwüstungen der Reben bzw. des Lesegutes führten.

Das Heimatbuch für den Landkreis Mainz aus dem Jahr 1967 geht in einem Bericht explizit auf zwei Unwetterjahre ein (1). Als Folge der Hagelstürme bescherten die Ernteausfälle 1816 der Gemeinde ein Hungerjahr. 1822 sahen die Harxheimer nach einem schweren Unwetter nochmals ein Bild des Grauens: „Kornfelder waren niedergewalzt, tote Hasen und Rebhühner lagen überall auf den zerfetzten Früchten. In den entblätterten Bäumen hingen zerschmetterte Vögel.“ Trotz immenser landwirtschaftlicher Schäden führte anschließend gutes Wetter in diesem Jahr dann doch noch zu einer ertragreichen Ernte.

Die gemachten Qualitätsbewertungen dienen m.E. durchaus als gute Anhaltspunkte für die Weingüte des jeweiligen Jahrgangs. Die Kellertechnik von damals lässt sich als einfach charakterisieren. Das Fachwissen der Weinbereitung wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Die fertigen Fassweine waren für den direkten Konsum (Hauswein) bestimmt, da die Lagerfähigkeit insgesamt gering gewesen sein dürfte. Weinverkauf über die Ortsgrenzen hinweg erfolgte, wenn überhaupt, nur in begrenztem Maße.

Die Weine in den aufgeführten Jahren waren höchstwahrscheinlich von einfachem Charakter. Es wäre sehr interessant, eine Kreszenz dieser Epoche mit einem heutigen, nach modernster Kellertechnik hergestellten Harxheimer Wein zu vergleichen. Man würde über die geschmacklichen Unterschiede vermutlich nur staunen.

Quellenangaben:

Diehl, Johannes (undatiert): Chronologisches Verzeichnis über die Güte und Viele des Weinwuchses vom Jahr 1558 bis1826 (ergänzt bis 1862). Beschrieben und noch weiterfortgeschrieben nach Belieben. Unveröffentlichtes Manuskript, von Johannes Diehl bis 1826 zusammengetragen und später von weiteren Personen ergänzt.

 1) Lang, Werner (1967): Heimatjahrbuch. Landkreis Mainz. Oppenheim. S. 151f.

 Eigene Recherchen

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