von | Nov. 25, 2022

„Es Brockelche“ – Ortsdiener, Feldschütz und Ausscheller

Jede Gemeinde in Rheinhessen hatte Menschen, die irgendwie auf ihre Art besonders waren. Liebenswert, doch manchmal auch sehr schrullig. Leider ist diese Kategorie Mitmensch in Rheinhessen selten geworden. „Es Brockelche“ war einer dieser Menschen der besonderen Art.

„Es Brockelche“ vor seinem Hoftor, 1959

Bildquelle: Ernst-Ludwig Happel

… „erzählt kriet vun er ehemalisch Metzjersfra aus de Obbergass!“

 Johann „Jean“ Schneider wohnte in der Obergasse 13. 
Er war in den fünfziger Jahren zur Amtszeit von Bürgermeister Brehm der Ortsdiener und hatte die Aufgabe, Bekanntmachungen der Gemeinde auszurufen, ebenso die Ankündigung eines neuen Films in der „Festspielhalle Darmstadt“.

Bevor die Neuigkeit mit lauter Stimme verkündet wurde, schwang „es Brockelsche“, wie er liebevoll genannt wurde, aus Leibeskräften seine Messingschelle.

Dann kam die Ansage, abgelesen von seinem Notizzettel:

 „Heit Obend leeft im Saale Darmstadt der
Film: Die leichte ‚Musse‘!“

Eine Nachbarsfrau am Fenster hörte das und rief ihm zu: „Schütz, des heest net ‚Musse‘, das heest ‚Muse‘!“ Das war ihm allerdings ziemlich egal, und er zog ein paar Häuser weiter. Den Inhalt seiner Ausrufe nahm er nicht so genau, vor allem, wenn es sich um Bekanntmachungen mit ihm unbekannten Begriffen oder nicht geläufigen Namen handelte. Ein anderes Mal, so wird erzählt, schellte er wieder aus, um einen neuen, diesmal amerikanischen Film anzukündigen. Er rief:

„Bekanntmachung! Heit Obend leeft im Saale Darmstadt der Film … isch kann‘s net lese! Geht hi, unn do sehn er’s!“ 

Der Film hieß: „Broadway-Melodie“. So einfach war‘s halt nicht!

„Es Brockelsche mit Ortschelle“, 1958

Bildquelle: Unbekannt

Herbstabschluss vom Weingut Lotz 1952, „Es Brockelsche“ rechts im Bild

Bildquelle: Christel Deiß

Neben der Tätigkeit als Ortsdiener war Johann Schneider im Herbst übrigens auch als Wingertsschütz in den Harxheimer Weinbergen im Einsatz.

Quellenangaben:

Zeitzeugenberichte