Die Ortswaagen – die Waage am ehemaligen Bahnübergang in der Bahnhofstraße
Neben der Harxheimer Ortswaage in der Untergasse gab es noch eine weitere Waage in der Bahnhofstraße direkt am ehemaligen Bahnübergang in Richtung Lörzweiler. Die Waage bestand von etwa 1910 bis Anfang der frühen 1970er Jahre.
Wiegehäuschen am ehemaligen Bahnübergang in der Bahnhofstraße vor dem Betriebsgelände der Firma Bücking
Bildquelle: Willi Buchert
Neben der Waage im Ortszentrum befand sich eine weitere Waage für Fuhrwerke direkt nach Überquerung des ehemaligen Bahnübergangs in Richtung Lörzweiler auf der linken Seite neben der Grundstückszufahrt der Firma Bücking.
Die Waage wurde wahrscheinlich in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg in direkter Nähe zum Bahnhof gebaut.
Das Wiegehäuschen bestand aus verzinktem Wellblech, ein Standardmodell zu dieser Zeit.
Wellblech Wiegehaus, Standard
Bildquelle: Archiv Deutsches Historisches Museum, München
Die Wiegeplattform hatte eine Abmessung von ca. 8 m Länge und 3 m Breite und bestand aus einem starken Stahlrahmen und -unterbau und darauf gelagerten Eichenbohlen. Genutzt wurde diese Waage aufgrund der direkten Nähe zum Bahnhof von Privatleuten, Landwirten sowie von der dort ansässigen Firma Bücking. Wichtige Kundschaft kam aus Lörzweiler, da auch sie den naheliegenden Bahnhof nutzten. Eigentümerin der Waage und Wiegemeisterin war Katharina Mann, kurz Manne-Kathrin genannt. Sie betrieb mit ihrem Mann Jakob gegenüber eine Kneipe, wo sich die von der Arbeit mit der Bahn ankommenden Fahrgäste gerne vor dem Heimweg noch ein Mainzer Aktienbier an der Theke genehmigten.
Beim Bau des Schlossereigebäudes der Firma Bücking 1924 wurde aus Rücksicht auf die freie Zufahrt zur Waage das Einfahrtstor extra soweit zurückgesetzt, dass auch weiterhin Fuhrwerke problemlos von beiden Richtungen über die Waageplattform, aber auch eben über den zur Verfügung gestellten privaten Grundbesitz von Johann Bücking fahren konnten. Meister Bücking lag sich des Öfteren mit der Manne-Kathrin, in der Regel wegen Nichtigkeiten, in den Haaren. Aus Ärger hierüber positionierte er zeitweise auf seinem Privatgrund im Bereich der Waage Hindernisse. Hierdurch wurde die Wiegekundschaft genötigt, mit ihren Fuhrwerken rückwärts auf die Plattform zu fahren, da eine der Zufahrtsrichtungen zur Waage blockiert war. Wehe, es erdreistete sich jemand, ein Hindernis von Bücking wegzuräumen. Der Meister persönlich verscheuchte unter Einsatz seines immer parat liegenden Vorschlagshammers umgehend den Störenfried. Normalität am Wiegehäuschen kehrte erst dann wieder ein, wenn Bücking sich beruhigt hatte und zu Friedenszwecken bei der Manne-Kathrin ein kühles Blondes nahm.
Mitte der 60er Jahre ereignete sich ein schwerer Unfall an der Waage. Eines frühen Morgens fuhr in der Dunkelheit ein mit Metallteilen beladener LKW zur Anlieferung bei der Firma Bücking vor. Da es noch für das Abladen zu früh war und der Fahrer warten musste, fuhr dieser mittig auf die Wiegeplattform, um dort zu parken. Unter Last des schwerbeladenen LKW brach die Plattform kurze Zeit später in der Mitte ein, der LKW steckte bis zur Achse in der Waage. In der Konsequenz musste die gesamte schwere Ladung per Hand durch die Angestellten der Firma Bücking abgeladen und in die Schlosserei geschleppt werden. Spätnachmittags war dann der LKW dank des Einsatzes vieler Helfer entladen, aus der Grube gehoben und konnte nach Hause fahren. Die Waage wurde kurze Zeit später wieder instand gesetzt.
Anfang der 1970er Jahre wurde die Einrichtung außer Dienst gestellt. Das Wiegehäuschen wurde abgebaut und verschrottet, die Grube unter der Wiegeplattform verfüllt und eingeebnet.
Quellenangaben:
Zeitzeugenbericht von Gerhard Buchert
Eigene Recherchen