von | Nov 29, 2022

20. März 1945 – Die Amerikaner kommen

Kaum mehr drei Wochen vor der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 waren die amerikanischen Truppen auf dem Vormarsch durch Rheinhessen und standen vor der Überquerung des Rheins. Im Rahmen dieses Vormarsches wurde Harxheim am 20. März 1945 befreit und überstand diesen Tag ohne Kampfhandlungen und Opfer.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs kündigte sich an. Am 27. Februar 1945 flogen alliierte Bomberverbände den letzten und vernichtenden Angriff auf Mainz, der die Stadt in Trümmern versinken ließ.

Am 18. März 1945 stieß von Westen her die 90. US-Infanterie Division (Tough `Ombres) im XII. Corps als Teil der 3. US-Armee unter Führung des Panzergenerals George S. Patton durch Rheinhessen in Richtung Rhein vor.

TO bedeutete Tough ’Ombres und war das Zeichen der 90. US-Infanterie Division. Die Buchstaben standen ebenso für Texas und Oklahoma, die US-Heimatstaaten vieler Angehöriger dieser Division

Bildquelle: Archiv Heinz Leiwig

Memorial der 90. US-Infanterie Division in der Normandie am Landungsabschnitt Utah-Beach

Bildquelle: Siegfried Schäfer

Das 357., 358. und 359. Infanterieregiment (IR) dieser Division bekam den Befehl, in Richtung Mainz vorzurücken. Während sich das 358. IR nördlich von Nieder-Olm Richtung Mainz bewegte, nahm das 359. IR die Route über Undenheim, Selzen und Mommenheim. Unsere Nachbargemeinde galt als wichtige Weggabelung nach Nackenheim zum Rhein bzw. über Harxheim und Hechtsheim nach Mainz.

Das 357. IR war zunächst als Reserveeinheit vorgesehen, half aber später, den Widerstand in Hahnheim zu brechen.

Die amerikanischen Regimenter führten motorisierte und gepanzerte Kampfgruppen (Task-Forces) mit, die mit Sherman- Kampfpanzern, Jagdpanzern, Halbkettenfahrzeugen und Jeeps ausgerüstet waren. Sie hatten den Auftrag, Dorf für Dorf vom deutschen Widerstand zu befreien.

Waren Panzersperren an den Ortseingängen errichtet oder Widerstand zu erwarten, wurde umgehend die Divisions- oder Corps-Artillerie eingesetzt und der Weg ohne Rücksicht auf Verluste freigeschossen.

Amerikanisches Halbkettenfahrzeug auf dem Vormarsch in Rheinhessen

Bildquelle: Archiv Heinz Leiwig

Eine kampfstarke deutsche Flak-Einheit lieferte sich vom 18. bis 20. März in und um Hahnheim heftige Abwehrgefechte mit den vorrückenden amerikanischen Truppen. Die Kämpfe forderten auf deutscher Seite sieben Todesopfer, 105 Soldaten gingen im „Hahnheimer Kessel“ in amerikanische Gefangenschaft. Am Abend des 19. März standen die Amerikaner in Mommenheim. Die Kampfgruppen Spiess, Wagnon, Dye und Dragon trafen hier zusammen und sammelten sich für den am nächsten Tag anstehenden Vormarsch, um über Harxheim nach Hechtsheim bzw. über Lörzweiler nach Nackenheim zum Rhein vorzurücken.

„Es war am frühen Dienstagmittag. Der 20. war ein klarer Märztag und wir liefen schon barfuß“, berichtete Toni Fritzsch, „von der Anhöhe der evangelischen Kirche sahen wir von Mommenheim die Panzer in einer Staubwolke heranrollen. Oben drauf saßen schwerbewaffnete farbige US-Soldaten. Für uns Kinder war das eine Sensation. Wir hatten noch nie Menschen mit dunkler Hautfarbe gesehen.“ 

Die Harxheimer Bevölkerung hatte befehlsgemäß in den Tagen zuvor aus Balken und auf dem Friedhof geschlagenen Baumstämmen eine Panzersperre auf Höhe der evangelischen Kirche in der Gaustraße errichtet. Alois Basten, verantwortlicher Luftschutzwart, überzeugte weitere Harxheimer Bürger, zusammen mit ihm, die Straßensperre zu räumen. Dabei war ihm wohlbewusst, dass dieses Vorhaben ein standgerichtliches Todesurteil unmittelbar zur Folge hätte haben können.

Dieses entschlossene Handeln eröffnete den heranrückenden Amerikanern (Kampfgruppe Spiess) die freie Durchfahrt und vermied mit hoher Wahrscheinlichkeit einen direkten Beschuss des Ortseingangs bzw. der Gemeinde. Als Zeichen der Kapitulation hatte der Harxheimer Landwirt Otto Stefan morgens am Kirchturm der evangelischen Kirche weithin sichtbar in Richtung Mommenheim ein weißes Laken angebracht. Die Amerikaner kontrollierten zügig die Ortsstraßen und verschiedene Gebäude. Widerstand gab es keinen. Bürgermeister Adam Böhm wurde einem intensiven Verhör unterzogen.

Mit diesem Durchmarsch war der Zweite Weltkrieg für die Harxheimer Bevölkerung beendet. Einen Tag später startete aus den Randlagen der Mainzer Vororte der Bodenangriff auf Mainz. Am 22. März 1945 war die Stadt befreit.

General G.S. Patton, General der 3. US-Army, bedankte sich am 26. März 1945 in Undenheim bei seinen Pionieren für den gelungenen Brückenschlag bei Nierstein.

Bildquelle: Archiv Heinz Leiwig, Kriegsende in Rheinhessen. Mainz 2016, S.50

Mehrere Häuser in Harxheim wurden kurze Zeit später von nachrückenden amerikanischen Truppen beschlagnahmt und als Wohnquartiere besetzt. Im Weingut Peter Lotz wurde die Ortskommandantur eingerichtet. Die Gebäude wurden jedoch nach einigen Wochen wieder freigegeben und die Bewohner durften zurück in ihre Häuser. In Harxheim kehrte Ruhe ein. Die Harxheimer Straßen erhielten ab sofort wieder ihre ursprünglichen Namen. Eine neue Zeit begann.

Harxheim hat, abgesehen von einem mit geringen Schäden verbundenen Brandbombenabwurf 1942 sowie zwei folgenlosen Tieffliegerangriffen, den Krieg unbeschadet überstanden. Einige unserer Nachbargemeinden hatten dagegen erhebliche Schäden an Gebäuden und, wie u.a. in Hahnheim, zivile Opfer zu beklagen.

Grab des Obergefreiten Bertram auf dem Harxheimer Friedhof

Bildquelle: Siegfried Schäfer

Der ortsfremde Wehrmachtsgefreite Karl Bertram wurde beim Versuch, sich durch das bereits besetzte Gebiet in die Heimat abzusetzen, durch amerikanische Soldaten am 31. März 1945, aus Mommenheim kommend, vor der Ortsgrenze erschossen. Das Tragen einer Waffe wurde ihm zum Verhängnis. Sein Grab befindet sich heute auf dem Harxheimer Friedhof. 

Unter der männlichen Bevölkerung Harxheims forderte der Zweite Weltkrieg einen sehr hohen Tribut. 47 Männer, fast 17% der männlichen Bevölkerung, kehrten aus dem Krieg bzw. der Kriegsgefangenschaft nicht mehr zurück. Eine Harxheimerin verlor beim Bombenangriff am 27. Februar 1945 in Mainz ihr Leben

Quellenangaben:

  1. Leiwig, Heinz (2016): Kriegsende in Rheinhessen. Mainz. S. 53-75.
  2. Diverses militärisches Archivmaterial aus dem Archiv Heinz Leiwig, Mainz.
  3. Zeitzeugeninterviews und Berichte von 2016 bis 2021, eigene Recherchen.

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